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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 7.1900

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Osborn, Max: Das Ergebnis der Pariser Welt-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6699#0021

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Das Ergebniss der Pariser Welt-Ausstellung.

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und Leben nach Möglichkeit zu vertragen.
Die gegenseitige Durchdringung erfolgt, wie
natürlich, von aussen nach innen. Zunächst
versuchten Malerei und Plastik die Gegen-
wart von aussen zu erfassen, ihre sinnfälligen
Erscheinungsformen sich zu eigen zu machen.
Dann aber begann der zweite schwierigere
Theil der Annexion des gewonnenen Landes:
es galt, sich das Innere zu erobern, den
herben Saft der seltsamen Blüthe aufzu-
saugen. Noch ist diese Arbeit nicht voll-
bracht, wir stehen mitten in eifrigster Thätig-
keit. Aber wir klagen nicht, dass wir das
Ziel nur aus blauer Ferne winken sehen;
denn gerade die Arbeit selbst, die uns ihm
näher bringen soll, ist
höchste Lust. Es ist ein
freudiges Hoffen, eine er-
wartungsvolle Zuversicht
über alle gekommen, denen
dieser Prozess am Herzen
liegt. Frohgemuth ist die
Jugend, und es rauscht
wieder in den Wipfeln das
alte, zukunftvertrauende
Hölderlin-Wort: »Lieben
Brüder, es reift unsre
Kunst vielleicht, Da dem
Jünglinge gleich lange sie
schon gegährt, Bald zur
Stille der Schönheit!«

Ob der Kunstpalast an
der Avenue Nicolas II.
den augenblicklichen Stand
dieser Entwickelung nach
allen Seiten hin wirklich
wahrheitsgetreu wieder-
spiegelt, ist immerhin zu
bezweifeln. Ich für mein
Theil bin misstrauisch ge-
worden , nachdem ich ge-
sehen habe, wie fleckig,
rissig und unkorrekt der
Spiegel in den deutschen
Sälen ist. Wir dürfen uns
ohne Selbstgerechtigkeit
rühmen, dass wir, dank
redlicher Arbeit und der
unserm Volksthum inne-
wohnenden Kraft, heute

nicht mehr »von gestern« sind, wie Goethe
vor hundert Jahren klagte. Aber wie
schwächlich ist der Abglanz dieses schwer
erkämpften Zustandes in Paris! Im Jahre
1878 schrieb die Gazette des beaux arts,
die deutsche Malerei sei »die einzige, die
daran zu zweifeln scheine, dass das Zeit-
alter der Eisenbahnen und der Welt-Aus-
stellungen auch eine andere Kunst als die
der Philosophie und kleinstädtischen Abge-
schlossenheit brauche«. 1889 fiel das Urtheil
nicht viel günstiger aus. Es war beide Male
wohl verdient. Aber heute ist es nicht mehr
verdient, und empört fragen wir uns, warum
man nicht der Welt zu beweisen suchte,

J. M. OLBR1CH—DARMSTADT.

Eck-Partie des Yacht-Salons.
 
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