Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Befehl der Kaiserin.

Am Hofe der Kaiserin Catharina II. war ein reicher
Engländer, Namens Suderland, Hvfbanquier. Als naturalisirter
Russe stand er bei der Kaiserin in sehr hoher Gunst. Eines
j Morgens wird ihm gemeldet, daß sein Haus von Soldaten
umgeben sei, und daß der Polizeiches ihn zu sprechen ver-
lange. Dieser tritt mit bestürzter Miene bei ihm ein und
spricht: „Herr Suderland, zu meinem großen Bedauern ist
mir von Ihrer Majestät die Vollziehung eines Befehles auf-
getragen worden, dessen fürchterliche Strenge mich selbst in
Schrecken setzt. Es ist mir unbekannt, durch welches Ver-
brechen Sie sich die Ungnade Ihrer Majestät in so hohem
Grade zugezogen haben." — „Ich, Herr Reliew, bin mir
keines Verbrechens bewußt, und meine Verwunderung uber-
trifft die Ihrige", antwortete der Banquier. „Sollte ich
das Vertrauen der Kaiserin verloren' haben?" — „Mein
Herr," erwiderte der Beamte, „wenn es weiter nichts wäre
und es sich blos um das verlorene Vertrauen handelte! Das
Vertrauen kann zurückkehren." — „Nun, soll ich in mein
Vaterland zurückgeschickt werden?" — „Dies wäre eine Wider-
wärtigkeit; allein mit Ihren Reichthümern befindet man sich
überall wohl." — „Ach, mein Gott!" rief Suderland zitternd,
„soll ich etwa nach Sibirien verbannt werden?" — „Ach,
von dort kehrt man zurück." — „Soll ich in's Gefängniß
geworfen werden?" — „O, die Pforten des Gefängnisses
können sich wieder öffnen." — „Gott, soll ich gar geknutet
werden?" — „Diese Strafe ist schrecklich, aber sie tobtet

nicht."-„Was?" sagte der Banquier, einer Ohnmacht

nahe, „mein Leben ist in Gefahr! O, vollenden Sie, der
Tod kann weniger grausam sein, als diese unerträgliche Er-
wartung." — „Nun, Sie Aermster", sagte endlich der Po-
lizeichef mit kläglicher Stimme, „meine hohe Gebieterin hat
mir den bestimmten Befehl gegeben, Sie, o, Gott! ich soll
Sie ausstopfen lassen!" — „Ansstopfen!" rief Suderland,
indem er todtenbleich den Beamten anstierte, „entweder Sie

haben den Verstand verloren, oder die Kaiserin hat den Ihri-
gen nicht mehr. Sie können aber doch," erwiderte er nach
einer Pause, „einen solchen Befehl nicht erhalten haben, ohne
Ihrer Majestät das Barbarische und Unerhörte desselben fühlen
zu lassen." „Ach! mein armer Freund, alle meine Vorstell-
ungen reizten nur meine erhabene Gebieterin zum größten
Zorn. Gehet," sagte Sie zu mir, „und vergesset nicht, daß
meinen Befehlen, welcher Art dieselben auch sein mögen,
augenblicklich und ohne Murren Folge geleistet werden muß."
Das Staunen, der Zorn und die Verzweiflung des armen
Banquiers kann sich der Leser vorstellen. Als er einiger-
maßen ruhiger geworden war, bat er um eine Viertelstunde,
um seine Angelegenheiten ordnen zu können, und ein Billet
an . den Grafen von Bruce schreiben zu dürfen. Als • der
Graf das Billet gelesen hatte, eilt er sofort zur Kaiserin,
bittet um Audienz und trägt derselben das eben Erfahrene
vor. „Gerechter Gott! das ist ja fürchterlich! Eilen Sie,
lieber Graf, denn Reliew muß den Verstand verloren haben,
dieser Unsinnige! Eilen Sie, ehe es zu spät ist, befreien Sie
den armen Suderland von diesem fürchterlichen Schrecken und
erstatten Sie mir sofort Rapport." — Der Graf eilt hin,
richtet seinen Befehl aus, und als er zur Kaiserin zurück-
kehrt, lacht diese laut und spricht: „Nun kenne ich die Ver-
anlassung zu diesem schrecklichen, aber eben so lächerlichen
und unbegreiflichen Auftritte. Ich hatte seit Jahren einen
schönen Hund, den ich sehr lieb hatte, und weil er ein Ge-
schenk von Suderland war, dem Hunde auch dessen Namen
beigelegt. Dieser Hund ist mir gestern gestorben, und ich
befahl Reliew, denselben ansstopfen zu lassen; als er An-
stand nahni, diese» Befehl auszuführen, so ward ich zornig
auf ihn, indem ich glaubte, er halte aus thörichter Eitel-
keit einen solchen Auftrag unter seiner Würde. So wird
dieses lächerliche Räthsel erklärbar, und hätte dieses Miß-
verständniß meinem armen Banquier beinahe die Haut gekostet. “
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Befehl der Kaiserin"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Soldat <Motiv>
Schrecken <Motiv>
Namengebung
Verwechslung
Bankier <Motiv>
Missverständnis
Stopfpräparat
Hund
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Katharina II., Russland, Zarin
Engländer <Motiv>
Russen <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 25.1856, Nr. 585, S. 70

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen