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Zacharias Hasenineier' s Abenteuer.
daß er dem Seeungethüm nicht zu nahe käme, denn es muth-
willig aufzustören und böse zu machen, daran dachte seine
Seele nicht. — Aber auch hierin sollte er sich getäuscht
sehen, da sich der Wirth selber als zweiter Freiwilliger
meldete, und jetzt, dem Hutmachcr auf die Schultern
klopfend rief:
„Und nun komm, Kamerad — es ist Zeit! Donner-
wetter , Du hast Dich doch jetzt genug ausgeruht und die
Seeschlange geht Dir sonst meiner Seel' durch!"
„Das war' ein Unglück," dachte Hascnmcier, aber was
half's, vorwärts mußte er, und sich den Hut verzweifelnd
in die Stirn rückend, sagte er:
„Na denn man zu, aber wenn das eine Behandlung
ist, für eine Civil- und Militärbehörde, so will ich Schulze
heißen" — und mit den Worten sprang er so rasch in das
Dickicht hinein, daß ihm der Wirth kaum folgen konnte. —
Am meisten störte ihn aber dabei der lange Schlcppsäbel,
der bald in den Algen hängen blieb, bald zwischen seine
Füße hincinkam, daß er darüber Hinstürzen mußte. Aber er
achtete das Alles nicht — vorwärts — weiter hatte er in
diesem Augenblick gar keinen Gedanken, und ehe er nur recht
wußte, wie er dahin gekommen, stak er mitten im Dickicht
drin und in einem wahren Gewirr von Corallen und ekel-
haften Seegewächsen.
Da raschelte etwas vor ihm, deutlich konnte er sehen
wie sich die langen grünen schleimigen Blätter bewegten, und
in den Corallcnästeu krachte und brach es, daß die bröck-
lichen Zweige herumstobcn. Der Wirth, der dicht hinter ihm
war, faßte ihn jetzt an der Schulter und schrie ihm in's
Ohr:
„Auf! auf! Hutmacher. Zieh den Degen! sie kommt!"
Hasenmeier wollte seinen Degen aus der Scheide reißen,
aber es ging nicht — die verwünschte Klinge war in dem
Seewasser fest eingerostet.
„Herr, du meine Güte!" schrie er, „das hat noch
gefehlt."
Vor ihm hob sich ein furchtbares Ungethüm aus dem
Gebüsch und sperrte gierig den weiten, mjt ganz entsetzlichen
Zähnen bewehrten Rachen gegen ihn auf — heißer Dampf
schoß daraus hervor, die kleinen grünen Augen blitzten ihn
mit funkelnder Wuth an, und schienen das auserschene Opfer
! schon voraus zu durchbohren.
Nur den Säbel jetzt heraus, daß er sich gegen das
i Scheusal wehren konnte — mit der Linken hatte er die
! Scheide gefaßt, mit der Rechten riß er an dem Griff, daß
es ihm die Stirnabern zu sprengen drohte — der Säbel
saß fest — noch einmal — jetzt brach der Griff ab, als
ob er von Glas gewesen wäre, und mit einem gähcn Sprung
i warf sich das Ungeheuer auf ihn und faßte ihn mit den
I Zähnen.
„Hülfe! Hülfe!" brüllteHasenmeicr und hörte nur noch
wie der Wirth ganz ruhig sagte:
„Aber was schreist Du denn so, Hutmacher — Donner-
wetter, Mensch, Du alarmirst mir ja das ganze Haus."
„Ja— ja — wo ist — wo ist denn die Sccschlange?"
rief Hascnmcier und richtete sich erschreckt empor.
„Die Seeschlangc," lachte der Wirth, „die soll wohl
auf Dich warten, die ist mit der Ebbe ausgescgclt und
schon aus Sicht."
„Die Sccschlange? — aber Du meine Güte — wo
bin ich denn?" rief der arme Teufel sich erschreckt die Augen
reibend, „wo — wo ist denn der Bürgermeister und —
ich war doch? —"
„Der Bürgermeister?" sagte der Wirth schmunzelnd,
„von Civil- und Militärbehörden hast Du genug gcfaselt,
aber jetzt wach' einmal ordentlich auf — es ist bald Mit-
tag und das Mädchen will die Stube rein machen."
Hascnmcier saß in seinem Bett, aber im Kopf ging's
ihm wie ein Mühlrad herum — da stand der Wirth auS
dem goldenen Haifisch, und hier lag er in einer fremden
Stube im Bett, und von Secschlangen, Algen und Corallen
keine Spur — nicht einmal den Säbel hatte er umge-
schnallt.
„Aber wo bin ich denn, Herr Wirth," rief er mit
kläglicher Stimme, „was ist denn nur mit mir vorgcgangen?"
„Was mit Dir vorgcgangen ist, mein Bursche?" meinte
der Blatternarbige, „nichts Besonderes — einen höllischen
Rausch hast Du Dir gestern Abend angetrunken und ge-
schlafen wie ein Ratz und das tollste Zeug dabei geschwatzt.
— Jetzt mach aber, daß Du heraus kommst, denn das Zimmer
soll gelüftet werden."
Zacharias Hascnmcier war wie vor den Kopf geschlagen.
Die Erinnerung an den gestrigen Abend stieg wohl dämmernd
in ihm auf, aber Scegrcisc, Nixen, Schildkröten und Sce-
schlangen schwammen dazwischen herum, und seine Reise selbst
— war denn das Alles nur ein Traum gewesen? — An-
gezogen wie er gestern in das Wirthdhaus gekommen, lag
er übcrdieß im Bett — nur die Stiefeln hatten sie ihm
ausgezogcn — nicht etwa seiner Bequemlichkeit, sondern
Zacharias Hasenineier' s Abenteuer.
daß er dem Seeungethüm nicht zu nahe käme, denn es muth-
willig aufzustören und böse zu machen, daran dachte seine
Seele nicht. — Aber auch hierin sollte er sich getäuscht
sehen, da sich der Wirth selber als zweiter Freiwilliger
meldete, und jetzt, dem Hutmachcr auf die Schultern
klopfend rief:
„Und nun komm, Kamerad — es ist Zeit! Donner-
wetter , Du hast Dich doch jetzt genug ausgeruht und die
Seeschlange geht Dir sonst meiner Seel' durch!"
„Das war' ein Unglück," dachte Hascnmcier, aber was
half's, vorwärts mußte er, und sich den Hut verzweifelnd
in die Stirn rückend, sagte er:
„Na denn man zu, aber wenn das eine Behandlung
ist, für eine Civil- und Militärbehörde, so will ich Schulze
heißen" — und mit den Worten sprang er so rasch in das
Dickicht hinein, daß ihm der Wirth kaum folgen konnte. —
Am meisten störte ihn aber dabei der lange Schlcppsäbel,
der bald in den Algen hängen blieb, bald zwischen seine
Füße hincinkam, daß er darüber Hinstürzen mußte. Aber er
achtete das Alles nicht — vorwärts — weiter hatte er in
diesem Augenblick gar keinen Gedanken, und ehe er nur recht
wußte, wie er dahin gekommen, stak er mitten im Dickicht
drin und in einem wahren Gewirr von Corallen und ekel-
haften Seegewächsen.
Da raschelte etwas vor ihm, deutlich konnte er sehen
wie sich die langen grünen schleimigen Blätter bewegten, und
in den Corallcnästeu krachte und brach es, daß die bröck-
lichen Zweige herumstobcn. Der Wirth, der dicht hinter ihm
war, faßte ihn jetzt an der Schulter und schrie ihm in's
Ohr:
„Auf! auf! Hutmacher. Zieh den Degen! sie kommt!"
Hasenmeier wollte seinen Degen aus der Scheide reißen,
aber es ging nicht — die verwünschte Klinge war in dem
Seewasser fest eingerostet.
„Herr, du meine Güte!" schrie er, „das hat noch
gefehlt."
Vor ihm hob sich ein furchtbares Ungethüm aus dem
Gebüsch und sperrte gierig den weiten, mjt ganz entsetzlichen
Zähnen bewehrten Rachen gegen ihn auf — heißer Dampf
schoß daraus hervor, die kleinen grünen Augen blitzten ihn
mit funkelnder Wuth an, und schienen das auserschene Opfer
! schon voraus zu durchbohren.
Nur den Säbel jetzt heraus, daß er sich gegen das
i Scheusal wehren konnte — mit der Linken hatte er die
! Scheide gefaßt, mit der Rechten riß er an dem Griff, daß
es ihm die Stirnabern zu sprengen drohte — der Säbel
saß fest — noch einmal — jetzt brach der Griff ab, als
ob er von Glas gewesen wäre, und mit einem gähcn Sprung
i warf sich das Ungeheuer auf ihn und faßte ihn mit den
I Zähnen.
„Hülfe! Hülfe!" brüllteHasenmeicr und hörte nur noch
wie der Wirth ganz ruhig sagte:
„Aber was schreist Du denn so, Hutmacher — Donner-
wetter, Mensch, Du alarmirst mir ja das ganze Haus."
„Ja— ja — wo ist — wo ist denn die Sccschlange?"
rief Hascnmcier und richtete sich erschreckt empor.
„Die Seeschlangc," lachte der Wirth, „die soll wohl
auf Dich warten, die ist mit der Ebbe ausgescgclt und
schon aus Sicht."
„Die Sccschlange? — aber Du meine Güte — wo
bin ich denn?" rief der arme Teufel sich erschreckt die Augen
reibend, „wo — wo ist denn der Bürgermeister und —
ich war doch? —"
„Der Bürgermeister?" sagte der Wirth schmunzelnd,
„von Civil- und Militärbehörden hast Du genug gcfaselt,
aber jetzt wach' einmal ordentlich auf — es ist bald Mit-
tag und das Mädchen will die Stube rein machen."
Hascnmcier saß in seinem Bett, aber im Kopf ging's
ihm wie ein Mühlrad herum — da stand der Wirth auS
dem goldenen Haifisch, und hier lag er in einer fremden
Stube im Bett, und von Secschlangen, Algen und Corallen
keine Spur — nicht einmal den Säbel hatte er umge-
schnallt.
„Aber wo bin ich denn, Herr Wirth," rief er mit
kläglicher Stimme, „was ist denn nur mit mir vorgcgangen?"
„Was mit Dir vorgcgangen ist, mein Bursche?" meinte
der Blatternarbige, „nichts Besonderes — einen höllischen
Rausch hast Du Dir gestern Abend angetrunken und ge-
schlafen wie ein Ratz und das tollste Zeug dabei geschwatzt.
— Jetzt mach aber, daß Du heraus kommst, denn das Zimmer
soll gelüftet werden."
Zacharias Hascnmcier war wie vor den Kopf geschlagen.
Die Erinnerung an den gestrigen Abend stieg wohl dämmernd
in ihm auf, aber Scegrcisc, Nixen, Schildkröten und Sce-
schlangen schwammen dazwischen herum, und seine Reise selbst
— war denn das Alles nur ein Traum gewesen? — An-
gezogen wie er gestern in das Wirthdhaus gekommen, lag
er übcrdieß im Bett — nur die Stiefeln hatten sie ihm
ausgezogcn — nicht etwa seiner Bequemlichkeit, sondern
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Zacharias Hasenmeier's Abenteuer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 45.1866, Nr. 1099, S. 34
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg