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Wozu die Biernoth helfen kann.

„Wie, lieber Onkel, Sie warten mir mit Wein auf?"
rief Flcißner überrascht als der alte Herr drei Römergläser
füllte, um mit seinem Neffen auf ein frohes Willkommen
anzustoßen. „Sind Sie denn nicht von jeher ein größerer
Verehrer des Bieres gewesen?"

„Das war ich allerdings und ich wär's noch," erwiderte
der biedere Münchener mit Melancholie, „aber wir sind jetzt
mit unserem Bier so schlecht daran, daß cs ein wahrer
Jammer ist. Wo Du hinkommst, kriegst keinen geschcidten
Tropfen mehr. Da bleibt also wohl oder übel nichts anderes
übrig, als daß Du Wein trinkst, wenn Du nicht ver-
dursten willst."

„Jst'S möglich?" entgegnete der Neffe mit aufrichtiger
Theilnahmc. „In München ... in der Residenz ... in
der Hauptstadt, die wegen ihres Bieres immer berühmt war?"

„Es ist nichts mehr, sag' ich Dir," seufzte der alte
Herr. „Seit die Biertar frcigegcben ist, sieden's Dir ein
Bier ein, mit dem man die Ratten vergiften könnt'. Selber
in unserm Hofbräuhaus heißt's nimmer viel."

Fleißner ging mit so aufrichtigem Bedauern auf dieses
Thema ein, daß es dem Herzen des armen Onkels ordent-
lich wohl that, in seinem Neffen eine so theilnehmende Seele
zu finden. Nun konnte er doch endlich einmal seinem Unmuthe
Luft machen, denn bei seiner Tochter, der das Bier kein
großes Bcdürfniß war, fand er mit diesem Capitcl so nie
viel Anklang. Aber auch jetzt wußte Miuchen für den alten
betrübten Herrn viel zu bald, dem Gespräche eine andere
Wendung zu geben, indem sie sich mit lebhaftem Interesse
nach den Verhältnissen des Vetters erkundigte und sich gerne
von ihm erzählen ließ, wie man in Dort lebte, was man
dort treibe, ob cs viele und hübsche Tänzerinnen gebe und

dergleichen Fragen mehr, die für ein junges Mädchenherz so
wichtig sind.

„Apropos," fügte sie hinzu, „weil gerade vom Tanzen
die Rede ist, da muß der Herr Vetter am nächsten Dienstag
auch seine sieben Sprünge machen. In Neuhofen ist großer
Ball zu Ehren der Turner. Ich werde natürlich doch die
Ehre haben, vom Herrn Vetter auch engagirt zu werden?"

„Tanzen? bei dieser Hitz'?" brummte Herr Schmerler;
„und keinen Schluck Bier, um sich zu erfrischen? . . . Wo
denkst denn hin, Mädel? War' nicht aus, dem Carl eine
solche Tortur anzuthun." !

Fleißner war aber zu galant, als daß er sich wegen
der kleinen Bedenklichkeit allenfallsigen VerschmachtenS hätte
abhalten lassen, seinem hübschen Väschen alle Walzer,
Schottischen und Polkas zu verspreche», die sie nur haben
wollte. Ueberhaupt verstanden sich die zwei jungen Leute
vortrefflich. War Fleißner von der Liebenswürdigkeit Min- !
chens förmlich bezaubert und konnte er sich nicht satt sehen !
an ihrer zierlichen Figur, an ihren graziösen, leichten, schwe- ;
benden Bewegungen und an ihrer munteren Rührigkeit, um
den lieben Gast zum ersten Imbisse mit selbsteingesalzenem
Schinken, selbstgebackenem Brode und selbstgepflanztem Kopf-
salate zu bedienen, überlicf cs ihn siedheiß mit einem unbe- ;
schreiblichen Entzücken beim Anblicke ihrer freundlichen, blauen
Augen, ihres allerliebsten Stumpfnäschens, ihrer schelmischen
Grübchen in den Wangen und ihres zuckersüßen Mündchens
mit den kleinen, unvergleichlichen Perlzähnen, so hatte ihrer-
seits Minchen ein besonderes Wohlgefallen an dem hübschen
Vetter, an seinem markigen, von Gesundheit strotzenden Aus-
sehen, an dem gemüthlichen Klange seiner Stimme und den
verständigen Worten, die er auch im heiteren Gespräche hie
und da anzubringen wußte, ohne dabei in einen schulmeister-
lichen Ton zu verfallen.

Kurz und gut, Carl Fleißner und Minchen Schmerler
gefielen sich und würden ohne Zweifel rasch mit einander
einig geworden sein, wären nicht zwei Umstände im Wege
gewesen, nämlich erstens: Fleißner's Bescheidenheit, in der er
sich nicht einmal im Traume einfallen ließ, je des reichen
Schmerler's Schwiegersohn werden zu können und zweitens
seine Rechtlichkeit, womit er — eben weil er sich keinen
solchen Hoffnungen hinzngeben wagte — seine Gefühle gewalt-
sam zu unterdrücken suchte, statt dem jungen Mädchen durch
eine etwaige Liebeserklärung Dinge in den Kopf zu setzen,
die er für eine abscheuliche Verrätherei an der Gastfreund-
schaft seines Onkels gehalten hätte.

Allein hatte Fleißner nöthig, sich erst gegen sein hübsches
Büschen auszusprechen, um von ihr errathen zu werden? Be-
darf es bei zwei Herzen, die in gegenseitiger Sympathie für
einander schlagen, erst der Sprache, zur Verdolmetschung ihrer
Empfindungen? „Minchen ist mir gut!" mit dieser Ueber-
zeugung legte sich Fleißner schon am ersten Abende unter
dem gastlichen Dache seines OnkelS nieder, und „der Vetter
Carl liebt mich!" so dachte Minchen, als sie im stillen
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"Wozu die Biernoth helfen kann"
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G 5442-2 Folio RES

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München

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Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

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Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Geschmack
Unzufriedenheit
Bierausschank
Biertrinkgefäß
Alkoholkonsum
Karikatur
Kritik
Gaststätte
Satirische Zeitschrift
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Fliegende Blätter, 45.1866, Nr. 1116, S. 171

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