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3)ns fngmerL
Tritt heran die Morgendämm'rung,
Heb' ich mich vom Lager munter,
Schaue vom Mansardenfenster
Auf die gute Stadt hinunter.
Schweren Schrittes kommen einzeln
Leute durch die stillen Gassen,
So, als wollte die Maschine
Nicht in Gang sich bringen lassen!
Aber immer mehr der Menschen
Kommen, eilen, singen, schnattern,
Und so hör' ich bald das Ganze
Räderwerk des Tages knattern.
Einen Tag so wie den andern
Seh' ich sich die Hebel heben,
Weiß am Abend: Morgen wird sich
Alles wieder so begeben!
Doch die Menschen glauben, jeder
Morgen thät was Neues bringen, —
Und ich sehe sie nur täglich
Nach demselben Quarke ringen!
t's Liederbuch.
Märzroth.
Gestörter Kesnist.
Manchmal schreitet gravitätisch
Die Frau Weisheit in mein Zimmer.
Meiner Lampe Licht erbleichet
Vor der klugen Augen Schimmer.
„Bitte gütigst Platz zu nehmen,
Schöne Dame, hochverehrte!
Lange schon mein Herz nach Ihnen,
Und nach Ihrem Wort begehrte!" —
Und wir plaudern über hundert
Höchst bedeutungsvolle Sachen,
Ueber Tod und die Verwesung,
Draus ein Neues muß erwachen.
Ueber „Dauer in dem Wechsel",
Ueber „heheres Erfassen
Unsres Daseins," über Alles,
Was wir haben, cs zu — lassen! —
Von den Lippen der Frau Weisheit
Wickeln ab sich gold'ne Fäden,
Und cs spinnt sich philosophisch
Ein System ans diesen Reden.
Wirklich schade, daß kein flinker
Stenograph die weisen Lehren
Aufnimmt, denn fürwahr, zum Drucke
Sie sogleich geeignet wären! —
Aber leider, wenn wir eben
Sind im allerbesten Zuge,
Stürzt herein zur Nebenthüre
Mit bacchantisch kühnem Fluge
Die Gefährtin unsrer Irrfahrt,
Frau Stnltitia, die flotte.
Und sie küßt mich, nach Frau Weisheit
Schielend wohl.mit leisem Spotte! —
Ach, wie ist so amüsant doch
Die Begleit'rin unsres Lebens!
Und wie kämpfl' ich bei Frau Weisheit
Mit dem — Gähnen schon vergebens!
„Bin, Frau Weisheit, wie Sie sehen.
Sehr in Anspruch just genommen, —
Wollten Sie vielleicht ein andres
Mal zu bessrcr Stunde kommen?"
Wie schon oftmals muß die Weisheit
Aus die Strümpfe daun sich machen.
Auf dem Schooß sitzt mir die Thorheit, —
Was bleibt übrig als — zu lachen?
(Fortsetzung folgt.)
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3)ns fngmerL
Tritt heran die Morgendämm'rung,
Heb' ich mich vom Lager munter,
Schaue vom Mansardenfenster
Auf die gute Stadt hinunter.
Schweren Schrittes kommen einzeln
Leute durch die stillen Gassen,
So, als wollte die Maschine
Nicht in Gang sich bringen lassen!
Aber immer mehr der Menschen
Kommen, eilen, singen, schnattern,
Und so hör' ich bald das Ganze
Räderwerk des Tages knattern.
Einen Tag so wie den andern
Seh' ich sich die Hebel heben,
Weiß am Abend: Morgen wird sich
Alles wieder so begeben!
Doch die Menschen glauben, jeder
Morgen thät was Neues bringen, —
Und ich sehe sie nur täglich
Nach demselben Quarke ringen!
t's Liederbuch.
Märzroth.
Gestörter Kesnist.
Manchmal schreitet gravitätisch
Die Frau Weisheit in mein Zimmer.
Meiner Lampe Licht erbleichet
Vor der klugen Augen Schimmer.
„Bitte gütigst Platz zu nehmen,
Schöne Dame, hochverehrte!
Lange schon mein Herz nach Ihnen,
Und nach Ihrem Wort begehrte!" —
Und wir plaudern über hundert
Höchst bedeutungsvolle Sachen,
Ueber Tod und die Verwesung,
Draus ein Neues muß erwachen.
Ueber „Dauer in dem Wechsel",
Ueber „heheres Erfassen
Unsres Daseins," über Alles,
Was wir haben, cs zu — lassen! —
Von den Lippen der Frau Weisheit
Wickeln ab sich gold'ne Fäden,
Und cs spinnt sich philosophisch
Ein System ans diesen Reden.
Wirklich schade, daß kein flinker
Stenograph die weisen Lehren
Aufnimmt, denn fürwahr, zum Drucke
Sie sogleich geeignet wären! —
Aber leider, wenn wir eben
Sind im allerbesten Zuge,
Stürzt herein zur Nebenthüre
Mit bacchantisch kühnem Fluge
Die Gefährtin unsrer Irrfahrt,
Frau Stnltitia, die flotte.
Und sie küßt mich, nach Frau Weisheit
Schielend wohl.mit leisem Spotte! —
Ach, wie ist so amüsant doch
Die Begleit'rin unsres Lebens!
Und wie kämpfl' ich bei Frau Weisheit
Mit dem — Gähnen schon vergebens!
„Bin, Frau Weisheit, wie Sie sehen.
Sehr in Anspruch just genommen, —
Wollten Sie vielleicht ein andres
Mal zu bessrcr Stunde kommen?"
Wie schon oftmals muß die Weisheit
Aus die Strümpfe daun sich machen.
Auf dem Schooß sitzt mir die Thorheit, —
Was bleibt übrig als — zu lachen?
(Fortsetzung folgt.)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Aus Demokrit's Liederbuch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 61.1874, Nr. 1535, S. 195
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Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg