s
Eine Fahrt in die Eisregionen des Nordpols.
ab, und nicht allein keine Kunde traf von Woolly ein, sondern
mehrere Anzeigen ergaben sogar, daß ihm und seiner Mann-
schaft irgend ein Unglück zugestoßen sei, oder sie doch wenig-
stens ihr Schiff in jener enffetzlichen Zone verloren hätten.
Wenigstens sage ich, denn der Fall ist ja schon mehrfach
vorgekommen, daß ganze Schiffsmannschaften ans dem Eise
überwintern mußten.
Was aber zum Glauben an die Zerstörung des North Star
veranlaßte, war das Folgende: Man fand nämlich im Schlunde
eines in Crookersbai gefangenen Wallfisches einen mit Wäsche
gefüllten Schiffseimer des North Star, der, wie das gewöhn-
lich der Brauch ist, den vollen Namen seines Fahrzeuges Eng.
Die Wäsche war J. P. und 8. K. gezeichnet. Ferner waren
unter dem 265. Grad der Länge und 72. Gr. nördl. Breite an
der Südspitze der Insel Melville, mehrere Schiffstrümmer ge-
funden worden, die den Verlust eines, in der Nähe gescheiterten
Fahrzeugs unbezweifelt ließen; ja man wollte sogar an Banks-
land, der bis jetzt westlichst entdeckten Passage, wo ein sehr
wilder Stamm der Eskimos haust, einen Krieger derselben, zwar
in seiner Nationaltracht, aber mit dem dreieckigen Hut des Capi-
tains auf dem Kopfe, gesehen haben. Doch blieb das nur
Gerücht und ist auch später nicht bestätigt worden.
Wie dem auch sei, von Capi- !
tain Woollys Expeditton wurde
Nichts weiter gehört, und die
amerikanische Regierung rüstete
bekanntlich im Frühjahr 1846
die Brig Pelican, zu der zu ge-
hören ich die Ehre hatte, aus,
den Verlorenen nachzuforschcn.
So viel möge als Einlei-
tung genügen, und um Sie
nicht mit weniger interessanten
Notizen hinzuhalten, will ich
unsere Fahrt bis zu deni Augen-
blick, wo wir die ersten Spuren
der Vermißten fanden, nur
ganz flüchtig berühren.
Unsere Schiffe waren na-
türlich mit alle dem auf das
vollständigste ausgerüstet, was
zu einer mehrjährigen Seefahrt
in jenen Meeren, wie zu einem
Eise gehörte; außerdem auch
j zu einer Fahrt zwischen den stets Gefahr drohenden schwimmen-
j den Gletschermassen, ganz besonders stark und kräftig gebaut,
' und so eingerichtet, daß wir ziemlich sorglos dem Erfolg
unserer Sendung entgegen sehen konnten. Ohne den gering-
sten Unfall erreichten wir denn auch am 16. Juni, in der
zweiten Woche, die Insel Melville, zogen hier alle nur mög- !
lichen Erkundigungen ein, tauschten bei den Eingeborenen
einen Theil unserer zu diesem Zweck mitgebrachten Putz- und
Schmuckgegenstände gegen frisches Eisbärenfleisch und zahme
Schneegänse um, und setzten von da an, zwischen riesigen
Schollen losgebröckelten Eises unsere Fahrt weiter westlich,
und zwar mehrere Tage mit so günstigem Erfolg fort, daß
unser Capitain, Jonathan Daring, ein kecker Iankee aus
den Neu-England-Staaten — schon fast die Hoffnung zu
hegen anfing, wir seien wirklich in der endlich gefundenen
Nordwestpassage, und segelten nun ganz gemüthlich dem Meere
von Kamtschatka und dem asiatischen Festlande entgegen.
War das aber wirklich der Fall, so fanden wir doch nur
zu bald ein Hinderniß, das dem bisher verfolgten Cours
unüberwindlich schien. Dieses bestand nämlich aus einer so-
liden Eismasse, die sich uns, von Norden nach Süden laufend,
breit in den Weg legte und nach Westen zu ins Unendliche
zu gehen schien, denn zwei in Eisstiefeln ausgesandte Leute
kehrten nach vierundzwanzig Stunden zurück, und versicherten
wir hätten nicht allein, wenn wir die Riesenarbeit auch be-
ginnen wollten, uns durchzuhauen —- durch das Eis — die
Gewißheit vor uns, uns gar nicht durchhauen zu können, sondern
es wäre auch noch die an Wahrscheinlichkeit grenzende Mög-
lichkeit vorhanden, daß wir inmitten des Eises einfrören und
nachher vielleicht nicht einmal den Rückweg erzwingen könnten.
Ein Versuch, gegen Süden hin die Passage zu finden, miß-
lang ebenfalls, und die Nordpaffage blieb das einzige. Der
wandten wir uns aber auch jetzt mit um so größerem Eifer
zu, da wir von einem
Eskimofischer, der
uns unterwegs' in
seinem nußschaalen-
artigen Fahrzeug be-
gegnete, erfuhren, es
sei vor mehreren
Sommern schon ein
ähnliches Schiff wie
der Pelican, auf den
er deutete, ebenfalls
nach Norden hinauf-
gefahren und müsse
dort wahrscheinlich
einen Ausweg ge-
funden haben, da es
nie zurückgekehrt.
Eine Fahrt in die Eisregionen des Nordpols.
ab, und nicht allein keine Kunde traf von Woolly ein, sondern
mehrere Anzeigen ergaben sogar, daß ihm und seiner Mann-
schaft irgend ein Unglück zugestoßen sei, oder sie doch wenig-
stens ihr Schiff in jener enffetzlichen Zone verloren hätten.
Wenigstens sage ich, denn der Fall ist ja schon mehrfach
vorgekommen, daß ganze Schiffsmannschaften ans dem Eise
überwintern mußten.
Was aber zum Glauben an die Zerstörung des North Star
veranlaßte, war das Folgende: Man fand nämlich im Schlunde
eines in Crookersbai gefangenen Wallfisches einen mit Wäsche
gefüllten Schiffseimer des North Star, der, wie das gewöhn-
lich der Brauch ist, den vollen Namen seines Fahrzeuges Eng.
Die Wäsche war J. P. und 8. K. gezeichnet. Ferner waren
unter dem 265. Grad der Länge und 72. Gr. nördl. Breite an
der Südspitze der Insel Melville, mehrere Schiffstrümmer ge-
funden worden, die den Verlust eines, in der Nähe gescheiterten
Fahrzeugs unbezweifelt ließen; ja man wollte sogar an Banks-
land, der bis jetzt westlichst entdeckten Passage, wo ein sehr
wilder Stamm der Eskimos haust, einen Krieger derselben, zwar
in seiner Nationaltracht, aber mit dem dreieckigen Hut des Capi-
tains auf dem Kopfe, gesehen haben. Doch blieb das nur
Gerücht und ist auch später nicht bestätigt worden.
Wie dem auch sei, von Capi- !
tain Woollys Expeditton wurde
Nichts weiter gehört, und die
amerikanische Regierung rüstete
bekanntlich im Frühjahr 1846
die Brig Pelican, zu der zu ge-
hören ich die Ehre hatte, aus,
den Verlorenen nachzuforschcn.
So viel möge als Einlei-
tung genügen, und um Sie
nicht mit weniger interessanten
Notizen hinzuhalten, will ich
unsere Fahrt bis zu deni Augen-
blick, wo wir die ersten Spuren
der Vermißten fanden, nur
ganz flüchtig berühren.
Unsere Schiffe waren na-
türlich mit alle dem auf das
vollständigste ausgerüstet, was
zu einer mehrjährigen Seefahrt
in jenen Meeren, wie zu einem
Eise gehörte; außerdem auch
j zu einer Fahrt zwischen den stets Gefahr drohenden schwimmen-
j den Gletschermassen, ganz besonders stark und kräftig gebaut,
' und so eingerichtet, daß wir ziemlich sorglos dem Erfolg
unserer Sendung entgegen sehen konnten. Ohne den gering-
sten Unfall erreichten wir denn auch am 16. Juni, in der
zweiten Woche, die Insel Melville, zogen hier alle nur mög- !
lichen Erkundigungen ein, tauschten bei den Eingeborenen
einen Theil unserer zu diesem Zweck mitgebrachten Putz- und
Schmuckgegenstände gegen frisches Eisbärenfleisch und zahme
Schneegänse um, und setzten von da an, zwischen riesigen
Schollen losgebröckelten Eises unsere Fahrt weiter westlich,
und zwar mehrere Tage mit so günstigem Erfolg fort, daß
unser Capitain, Jonathan Daring, ein kecker Iankee aus
den Neu-England-Staaten — schon fast die Hoffnung zu
hegen anfing, wir seien wirklich in der endlich gefundenen
Nordwestpassage, und segelten nun ganz gemüthlich dem Meere
von Kamtschatka und dem asiatischen Festlande entgegen.
War das aber wirklich der Fall, so fanden wir doch nur
zu bald ein Hinderniß, das dem bisher verfolgten Cours
unüberwindlich schien. Dieses bestand nämlich aus einer so-
liden Eismasse, die sich uns, von Norden nach Süden laufend,
breit in den Weg legte und nach Westen zu ins Unendliche
zu gehen schien, denn zwei in Eisstiefeln ausgesandte Leute
kehrten nach vierundzwanzig Stunden zurück, und versicherten
wir hätten nicht allein, wenn wir die Riesenarbeit auch be-
ginnen wollten, uns durchzuhauen —- durch das Eis — die
Gewißheit vor uns, uns gar nicht durchhauen zu können, sondern
es wäre auch noch die an Wahrscheinlichkeit grenzende Mög-
lichkeit vorhanden, daß wir inmitten des Eises einfrören und
nachher vielleicht nicht einmal den Rückweg erzwingen könnten.
Ein Versuch, gegen Süden hin die Passage zu finden, miß-
lang ebenfalls, und die Nordpaffage blieb das einzige. Der
wandten wir uns aber auch jetzt mit um so größerem Eifer
zu, da wir von einem
Eskimofischer, der
uns unterwegs' in
seinem nußschaalen-
artigen Fahrzeug be-
gegnete, erfuhren, es
sei vor mehreren
Sommern schon ein
ähnliches Schiff wie
der Pelican, auf den
er deutete, ebenfalls
nach Norden hinauf-
gefahren und müsse
dort wahrscheinlich
einen Ausweg ge-
funden haben, da es
nie zurückgekehrt.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Eine Fahrt in die Eisregionen des Nordpols"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 8.1848, Nr. 169, S. 2
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg