Ueberall die Nämlichen.
müdung, marterndes Sinnen, wie er dem Verderben entgehen
könnte, gaben ihn bald wieder dem unruhigen Schlummer der Er-
schöpfung anheim.
Der nächste Tag verging wie der erste; nur war der Prinz
ruhig und gefaßt geworden, als wäre Ergebung in's unvermeidliche
Schicksal oder hoffende Zuversicht der Rettung in seine Brust gezogen.
Am Morgen des dritten Tages erhob er sich heiter und voll-
kräftig vom Lager; er eilte an den Strand, wo sich die Insel am
weitesten in's Meer erstreckte, wusch sich beim Sonnenaufgang in
klarer Quellfluth und breitete dann die Arme nach der Richtung, wo
die ferne Heimath lag. Dabei sprach er leise vor sich hin: „Dank Dir,
mein weiser Vater, daß Du mir im Traum den Weg der Rettung
geosfenbart; wenn sie wirklich überall die Nämlichen, dann sollst
Du Deinen Sohn noch umarmen. Gesegnet sei der Wunsch, dessen
Gewährung Miaiphone mir verhieß!"
Munter und gesprächig genoß hierauf der Jüngling die Gast-
freundschaft des letzten Tages auf der Tvdesinsel, so daß die blonde
Jungfrau, die wie gestern und ehegestern seiner wartete, darob
erstaunt war.
In Permanenz erklärt.
„. . . Aber wann kann ich denn endlich auf Bezahlung meiner
Rechnung rechnen? Ich kann nicht jeden Tag zu Ihnen laufen!"
„Welcher Tag würde Ihnen denn am Besten passen?"
„Sonnabend; da Hab' ich gerade nichts Besonderes vor!"
„Gut, kommen Sie jeden Sonnabend!"
Bestes Mittel, um Walisische zu sangen.
Man reist mit einem Engländer an eine Meeresküste, wo es
viele Wallfische gibt und beauftragt den Engländer, mit einem
Wallfisch sich in eine Unterhaltung einzulassen. Engländer sind
bekanntermaßen keine Freunde davon, und der Wallfisch schläst daher
sofort ein. Man nimmt nun sein Fernrohr, nimmt es aber ver-
kehrt und sieht so den Wallfisch ganz klein, dreht sodann
das Fernrohr herum, sieht seine Jagdtasche ganz groß, steckt
den kleinen Wallfisch in die große Jagdtasche und entfernt sich
stillvergnügt. _
201
So ward es Abend. Als die Sonne Himmel und Wasser in
ein Feuermeer wandelte, als wieder des Erzbeckens rauher Klang
durch die Insel schütterte, da reihte sich der waffenblinkende Kreis
der schönen Silberschildnerinnen vor dem säulengeschmückten Palaste.
Die Königinnen standen in des Kreises Mitte, augethan mit
Gold und Purpur, und zwischen ihnen und dem Prinzen trug ein
weißgedeckter Tisch auf gold'ner Platte den Becher, aus dem der
Jüngling den betäubenden Trunk thuu sollte.
Miaiphone reichte ihm den Becher. „Die Stunde ist gekommen!"
sprach sie ernst. „Leere diesen Kelch und schlummere dem Loos
entgegen, das unser Stahl besiegeln muß. Doch Deinen Wunsch?"
„Erhabene Königinnen", erwiderte sanften Tones der Prinz,
„ich füge mich mit männlichem Muthc in das Schicksal, welches
Eure Satzung mir bereitet. Doch nicht in des Schlummers Armen
will ich Eurem Recht den Zoll bezahlen, nein, offenen Auges, wie
es einem ritterlichen Manne ziemt, empfängt der Königssohn den
Todesstoß. Und da Ihr mir denn einen Wunsch gewährt, so hört
meine Bitte, mag sie gleich Euch seltsam scheinen: von königlicher
Hand will ich'sterben. Ich stehe vor drei Königinnen, einander
gleich an edlem Sinn und göttlicher Schön-
heit. Wenn etwas einer von ihnen Vorzug zu
gewähren vermag, so ist es höchstens der
Unterschied in der Zahl der Sonnen, die mit
der Pracht Eurer Schönheit wetteiferten. Hier
biet' ich meine Brust; die Aclteste von
Euch mag sie durchbohren!"
Hier, wo die Erzählung interessant zu
werden ansängt, fehlen mehrere Blätter meiner
vergilbten Handschrift; ich muthmaße cs wenig-
stens, denn das ist doch kein Ende der Ge-
schichte, wenn ich am oberen Rand des letzten
Blattes von der Hand des unbekannten Ver-
fassers die abgedroschene Märcheuphrase finde:
„Der König Philgyn von Lusitania aber,
wenn er inzwischen nicht gestorben ist, so lebt
er noch heute. . . ?"
Or. E. v. MüUrrn.
Vorsichtig.
. . . Wir waren Schulkameraden, Herr Doktor ... ich weiß
zwar nicht, ob Sie mich noch kennen .. .?"
„Ja, mein Lieber, da müssen Sie mir erst sagen, was Sie
wollen!"
Durch die Blume.
Ein Vater besucht seinen auf der Universität befindlichen Sohn.
„Nun", sagt er, „jetzt zeig' mir doch auch Deine Bibliothek, die
so viel Geld kostet!" — „Weißt Du", sagt der Sohn, verlegen den
fast leeren Schrank öffnend — „sie hat sehr durch Feuchtigkeit
gelitten!"
S t rc i t m o t i v c.
Im Club zur „Eintracht" ist ein Plakat augeheftet, welches
also lautet: „Jede Unterhaltung über Religion, Politik und Richard
Wagner ist streng verboten! Der Vorstand."
müdung, marterndes Sinnen, wie er dem Verderben entgehen
könnte, gaben ihn bald wieder dem unruhigen Schlummer der Er-
schöpfung anheim.
Der nächste Tag verging wie der erste; nur war der Prinz
ruhig und gefaßt geworden, als wäre Ergebung in's unvermeidliche
Schicksal oder hoffende Zuversicht der Rettung in seine Brust gezogen.
Am Morgen des dritten Tages erhob er sich heiter und voll-
kräftig vom Lager; er eilte an den Strand, wo sich die Insel am
weitesten in's Meer erstreckte, wusch sich beim Sonnenaufgang in
klarer Quellfluth und breitete dann die Arme nach der Richtung, wo
die ferne Heimath lag. Dabei sprach er leise vor sich hin: „Dank Dir,
mein weiser Vater, daß Du mir im Traum den Weg der Rettung
geosfenbart; wenn sie wirklich überall die Nämlichen, dann sollst
Du Deinen Sohn noch umarmen. Gesegnet sei der Wunsch, dessen
Gewährung Miaiphone mir verhieß!"
Munter und gesprächig genoß hierauf der Jüngling die Gast-
freundschaft des letzten Tages auf der Tvdesinsel, so daß die blonde
Jungfrau, die wie gestern und ehegestern seiner wartete, darob
erstaunt war.
In Permanenz erklärt.
„. . . Aber wann kann ich denn endlich auf Bezahlung meiner
Rechnung rechnen? Ich kann nicht jeden Tag zu Ihnen laufen!"
„Welcher Tag würde Ihnen denn am Besten passen?"
„Sonnabend; da Hab' ich gerade nichts Besonderes vor!"
„Gut, kommen Sie jeden Sonnabend!"
Bestes Mittel, um Walisische zu sangen.
Man reist mit einem Engländer an eine Meeresküste, wo es
viele Wallfische gibt und beauftragt den Engländer, mit einem
Wallfisch sich in eine Unterhaltung einzulassen. Engländer sind
bekanntermaßen keine Freunde davon, und der Wallfisch schläst daher
sofort ein. Man nimmt nun sein Fernrohr, nimmt es aber ver-
kehrt und sieht so den Wallfisch ganz klein, dreht sodann
das Fernrohr herum, sieht seine Jagdtasche ganz groß, steckt
den kleinen Wallfisch in die große Jagdtasche und entfernt sich
stillvergnügt. _
201
So ward es Abend. Als die Sonne Himmel und Wasser in
ein Feuermeer wandelte, als wieder des Erzbeckens rauher Klang
durch die Insel schütterte, da reihte sich der waffenblinkende Kreis
der schönen Silberschildnerinnen vor dem säulengeschmückten Palaste.
Die Königinnen standen in des Kreises Mitte, augethan mit
Gold und Purpur, und zwischen ihnen und dem Prinzen trug ein
weißgedeckter Tisch auf gold'ner Platte den Becher, aus dem der
Jüngling den betäubenden Trunk thuu sollte.
Miaiphone reichte ihm den Becher. „Die Stunde ist gekommen!"
sprach sie ernst. „Leere diesen Kelch und schlummere dem Loos
entgegen, das unser Stahl besiegeln muß. Doch Deinen Wunsch?"
„Erhabene Königinnen", erwiderte sanften Tones der Prinz,
„ich füge mich mit männlichem Muthc in das Schicksal, welches
Eure Satzung mir bereitet. Doch nicht in des Schlummers Armen
will ich Eurem Recht den Zoll bezahlen, nein, offenen Auges, wie
es einem ritterlichen Manne ziemt, empfängt der Königssohn den
Todesstoß. Und da Ihr mir denn einen Wunsch gewährt, so hört
meine Bitte, mag sie gleich Euch seltsam scheinen: von königlicher
Hand will ich'sterben. Ich stehe vor drei Königinnen, einander
gleich an edlem Sinn und göttlicher Schön-
heit. Wenn etwas einer von ihnen Vorzug zu
gewähren vermag, so ist es höchstens der
Unterschied in der Zahl der Sonnen, die mit
der Pracht Eurer Schönheit wetteiferten. Hier
biet' ich meine Brust; die Aclteste von
Euch mag sie durchbohren!"
Hier, wo die Erzählung interessant zu
werden ansängt, fehlen mehrere Blätter meiner
vergilbten Handschrift; ich muthmaße cs wenig-
stens, denn das ist doch kein Ende der Ge-
schichte, wenn ich am oberen Rand des letzten
Blattes von der Hand des unbekannten Ver-
fassers die abgedroschene Märcheuphrase finde:
„Der König Philgyn von Lusitania aber,
wenn er inzwischen nicht gestorben ist, so lebt
er noch heute. . . ?"
Or. E. v. MüUrrn.
Vorsichtig.
. . . Wir waren Schulkameraden, Herr Doktor ... ich weiß
zwar nicht, ob Sie mich noch kennen .. .?"
„Ja, mein Lieber, da müssen Sie mir erst sagen, was Sie
wollen!"
Durch die Blume.
Ein Vater besucht seinen auf der Universität befindlichen Sohn.
„Nun", sagt er, „jetzt zeig' mir doch auch Deine Bibliothek, die
so viel Geld kostet!" — „Weißt Du", sagt der Sohn, verlegen den
fast leeren Schrank öffnend — „sie hat sehr durch Feuchtigkeit
gelitten!"
S t rc i t m o t i v c.
Im Club zur „Eintracht" ist ein Plakat augeheftet, welches
also lautet: „Jede Unterhaltung über Religion, Politik und Richard
Wagner ist streng verboten! Der Vorstand."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ueberall die Nämlichen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1888 - 1888
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 88.1888, Nr. 2236, S. 201
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg