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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 54.1943

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Schumacher, Fritz: Gebundenheit und Gestaltungswille
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https://doi.org/10.11588/diglit.10969#0079

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INNEN-DEKORATI ON 67

»SCHLAFZIMMER DER KINDERGÄRTNERIN« HOLZ: RQSTER MASSIV, ENTW. ARCH. A. HABERER, AUSF. WÖSSNER-SULZ

GEBUNDENHEIT UND GESTALTUNGSWILLE

Wenn der Mensch Materie zu architektonischer Ruhe, das Ziel im zweiten Fall ist Spannung. Diese
Gestaltung formt, legt er ihr neben dem beson- entgegengesetzte Tendenz tritt nicht als etwas Will-
deren Gesetz der Konstruktion das allgemeine Gesetz kürliches auf: es klingt in ihr etwas an von der Stim-
des menschlichen Geistes auf. Dies Gesetz ist gegrün- mung einer Zeitepoche. In eigentümlicher Weise
det auf mathematischen Begriffen. Ünser Geist ist spiegelt sich deren seelischer Zustand in diesen Ten-
gebunden an Maß und an Zahl. Aus dem Widerspiel denzen, derart, daß bald das Streben nach Harmonie,
der Verhältnisse von Maßen und Zahlen bildet sich bald das Streben nach Spannung das Tun in verschie-
das Gerüst der abstrakten Sprache der Kunst; das gilt den abgestuften Graden beherrscht. Wie ein unbewußt
von Tönen und von Farben, von Bewegungen und von wirkendes Fluidum gehen solche Strömungen durch
Formen. Am deutlichsten aber tritt es hervor bei der eine Zeit. Sie offenbaren sich im schaffenden Men-
Kunst, der;n Zhl raumbildande Formung ist: der sehen. Wenn er künstlerisch tätig ist, geben sie ihm
Architektur. Verhältnisse von Linien, von Flächen die Richtung seines Tuns und erzeugen den eigen-
und von Körpern sind das, wodurch sie spricht. tümlichen Rhythmus, in dem er sich unbewußt be-
Diese Sprache der Architektur führt zum mannig- wegt. Ihn beherrscht eine Kraft, die wohl beeinflußt
fachsten Spiel des Ausdrucks, sie kann benutzt wer- ist durch die Forderung des Zwecks und die Forde-
den, um die einzelnen Teile einer Schöpfung zu Har- rungen der Konstruktion, die aber diese Forderungen
monie zusammenzustimmen, aber ebensogut kann nur als Material für das benutzt, was er ausdrücken
man sie dazu benutzen, um verschiedene Verhält- möchte - als Material für seinen Gestaltungs-
nisse innerhalb des gleichen Werkes in Gegensatz willen. Dieser Gestaltungswille, der im Dienste
zueinander zu setzen. Das Ziel im ersten Fall ist rhythmischer Absichten steht, bleibt auch beim bau-

1943. III.
 
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