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in welcher unter großem Zudrange des Publikums das
obenerwähnte königl. Dekret in Berathung gezogen wurde.
Jn dem Dekrete waren zumZwecke des Neubaues 500,000
Thaler postulirt. Nur bezüglich der Frage: ob und in-
wieweit eine rechtliche und verfassungsmäßige Verpflich-
tung zu dieser Bewilligung vorliege, platzten die Geister '
in langer und heftiger Debatte aufeinander. Jm Uebrigen j
waren die Meinungen nicht zn weit verschiedeu. Einig ^
war man darin, daß das alte Theater ein ausgezeichnetes !
Werk der Baukunst gewesen, sowohl seiner äußeren Er-
scheinung als seiner inneren Anlage nach, nnd namentlich
auch in Bezug auf Akustik als mustergiltig hinzustellen !
sei; und daß man daher dieses Werk, unter Beseitigung
einiger anerkanuterMängel, nachdemPlane seines Grün-
ders, des Meisters Semper, der Nachwelt zu erhalten
habe. Unter den Mängeln, deren Abstellung, zur nöthigen
Sicherheit und Bequemlichkeit des Publikums und der
Spielenden, als unerläßlich erscheine, versteht der Depu-
tationsbericht zu enge Ein- und Ausgänge, besonders zu
engeKorridore und Treppen. Was den Bauplatz betrifft,
so glaubte man von dem alten Platz aus verschiedeneu
technischen Gründen absehen zu sollen, vorzüglich weil es
sehr zweifelhaft geschienen, ob die alten Gründungen noch !
zu brauchen seien und überdies eine große Ersparniß bei ^
Benutzung des alteu Platzes nicht iu Aussicht stehe. Aber
auch mit dem von der königl. Kommission vorgeschlagenen j
Projekt in den Zwingeranlagen konnte mau sich nicht
einverstandeu erklären. Dagegen wurde von der Majo-
rität der Deputation, welche das Referat über die An-
gelegenheit hatte, in Vorschlag gebracht: das neue
Rundbantheater hinter das Weberdenkmal, in die Pro-
menaden, uach der Stallstraße zu, ungefähr bis wo gegen-
wärtig das Jnterimstheater errichtet ist, zurück zu rücken,
so daß das Museum zur vortheilhaftesten Anschauung ge-
lange, der Theaterplatz selbst hierdurch in der angemessen-
sten Weise geschloffen und außerdem das Theater von dem
Baue der katholischen Hofkirche soweit abgerückt werde, daß
seine architektonischen Schönheiten vollständig zur Gel-
tung gelangen könnten. Schließlich einigte sich die Kammer,
gegen wenige Stimmen, zu folgenden Beschlüffen: l. Zur
Erbauung eines königl. Hoftheaters nach demSemper'schen
Plane auf dem von der Deputationsmajorität bezeichneten
Platze ein für alle Mal die Summe von 400,000 Thlr.
zu bewilligen; 2. diese Snmme mit 300,000 Thlr. für
die nächste Finanzperiode 1870 bis 71 und mit 100,000
Thlr., für die folgende Finanzperiode in's außerordentliche
Budget einzustellen; 3. hieran die Bedingung zn knüpfen,
daß wegen der im Plane zu tresfenden Abänderungen der
Erbaner des zerstörten Theaters, Scmper, zu Rathe ge-
zogen werde.
Alle, welche den Semper'schen Theaterbau kannten
nnd fchätzten, werden von den vorsteheuden Beschlüffen
mit Befriedigung Kenntniß nehmen. Etwas zu niedrig be-
niessen ist vielleicht bei diesen Beschlüssen nur der Kosten-
punkt, wenn auch zu der bewilligten Summe noch 120,000
Thlr. kommen dürften, die von der Brandversichernngs-
gesellschaft zu verlangen sind. Wenigstens wurde die Ab-
minderung der postulirten 500,000 Thlr. auf 400,000
Thlr. von Seiten der Regiernng sehr widerrathen, wenn
letztere schließlich auch damit sich begnügen zu müssen er-
klärte.
Die Stellung der Regierung zu der Frage über die
Berufung Semper's ist vielfach falsch aufgefaßt worden,
nnd es werden daher einige darauf bezügliche Bemerkungen
aus der Debatte nicht ohne Jntereffe sein. Die Negierung
hat, wie Staatsminister Frhr. v. Friesen sagte, vom
ersten Anfange an, wo sie sich mit diesem Gegenstande
beschäftigte, es im höchsten Grade als wünschenswerth, ja
als durch das Sachverhältniß geboten angesehen, den
Erbauer des abgebrannten Theaters, Semper, ganz vor-
zugsweise auch bei dem Neubau des Theaters mit zu Nathe
zu ziehen und ihn um ein Gutachten in der Sache zu er-
suchen. Die Regierung sei noch jetzt der Ansicht. Und
sie habe es lebhaft beklagt, daß dnrch ganz ungerechtfer-
tigte Nachrichten in den öffentlichen Blättern in dieser
Beziehung Mißtrauen erregt worden und Mißverständ-
nisse entstanden seien.*)
Lharles Verlat.
Weimar, Ende Znmmr.
Das interessanteste Ereigniß im hiesigen Kunstleben
seit der Eröffnung des neuen Mnseums bildet die kürzlich
eröffnete Ansstellnng von Werken des seit November v. I.
an die Großh. Kunstschule berufenen Professors Charles
Verlat aus Antwerpen. Der geringe Verkehr zwischen
der lebenden Kunst in Deutschland und Belgien hatte
früher nur spärliche Kunde über das Schaffen dieses
Künstlers zu uns gelangen lassen; — sein Bild: „A.u
Uonx!", eine lebendige Kampfscene zwischen Landlenten
und einem Wolf in lebensgroßen Figuren, das wir von
der Antwerpener Ausstellung 1861 her kannten und im
') Jndem wir, und mit uns wohl alle Kunstfreunde Deutsch-
lands, von den erfreulichen Mittheilungen unseres Hrn. Kor-
respondenten mit großer Befriedigung Akt nehmen, können wir
andererseits nicht umhin, an den Schlußsatz seines Briefes die
Frage zu kniipfen, weShalb denn die „Mißverständnisse" und
das „Mißtrauen" des PublikumS nicht längst durch offiziclle
Erklärungen der Regicrung bescitigt wordcn sind? Man mußtc
doch in jcnen Krcisen am besicn wissen, daß von gcwisser Seite
aus möglichste Bcseitigung Scmper's nnter Protektion vcrschic-
dener Mittelmäßigkeiten hingearbeitet wurdc. Ein Anlaß znin
Rcden war um so inehr vorhanden. IlcbrigenS werdcn wir
ja sehen, was der weitere Berlauf der Dinge bringt, namcnllich
ob man dcm Urheber dcs Planes anch bei dcr AnSsiihriiiig
des Neubaucs die ihm gebiihrende Stellnng iibcrträgt. Aiit
dem bloßcn Einholen von Gutachten ist es da nicht gethan-
Anm. d. Red.
in welcher unter großem Zudrange des Publikums das
obenerwähnte königl. Dekret in Berathung gezogen wurde.
Jn dem Dekrete waren zumZwecke des Neubaues 500,000
Thaler postulirt. Nur bezüglich der Frage: ob und in-
wieweit eine rechtliche und verfassungsmäßige Verpflich-
tung zu dieser Bewilligung vorliege, platzten die Geister '
in langer und heftiger Debatte aufeinander. Jm Uebrigen j
waren die Meinungen nicht zn weit verschiedeu. Einig ^
war man darin, daß das alte Theater ein ausgezeichnetes !
Werk der Baukunst gewesen, sowohl seiner äußeren Er-
scheinung als seiner inneren Anlage nach, nnd namentlich
auch in Bezug auf Akustik als mustergiltig hinzustellen !
sei; und daß man daher dieses Werk, unter Beseitigung
einiger anerkanuterMängel, nachdemPlane seines Grün-
ders, des Meisters Semper, der Nachwelt zu erhalten
habe. Unter den Mängeln, deren Abstellung, zur nöthigen
Sicherheit und Bequemlichkeit des Publikums und der
Spielenden, als unerläßlich erscheine, versteht der Depu-
tationsbericht zu enge Ein- und Ausgänge, besonders zu
engeKorridore und Treppen. Was den Bauplatz betrifft,
so glaubte man von dem alten Platz aus verschiedeneu
technischen Gründen absehen zu sollen, vorzüglich weil es
sehr zweifelhaft geschienen, ob die alten Gründungen noch !
zu brauchen seien und überdies eine große Ersparniß bei ^
Benutzung des alteu Platzes nicht iu Aussicht stehe. Aber
auch mit dem von der königl. Kommission vorgeschlagenen j
Projekt in den Zwingeranlagen konnte mau sich nicht
einverstandeu erklären. Dagegen wurde von der Majo-
rität der Deputation, welche das Referat über die An-
gelegenheit hatte, in Vorschlag gebracht: das neue
Rundbantheater hinter das Weberdenkmal, in die Pro-
menaden, uach der Stallstraße zu, ungefähr bis wo gegen-
wärtig das Jnterimstheater errichtet ist, zurück zu rücken,
so daß das Museum zur vortheilhaftesten Anschauung ge-
lange, der Theaterplatz selbst hierdurch in der angemessen-
sten Weise geschloffen und außerdem das Theater von dem
Baue der katholischen Hofkirche soweit abgerückt werde, daß
seine architektonischen Schönheiten vollständig zur Gel-
tung gelangen könnten. Schließlich einigte sich die Kammer,
gegen wenige Stimmen, zu folgenden Beschlüffen: l. Zur
Erbauung eines königl. Hoftheaters nach demSemper'schen
Plane auf dem von der Deputationsmajorität bezeichneten
Platze ein für alle Mal die Summe von 400,000 Thlr.
zu bewilligen; 2. diese Snmme mit 300,000 Thlr. für
die nächste Finanzperiode 1870 bis 71 und mit 100,000
Thlr., für die folgende Finanzperiode in's außerordentliche
Budget einzustellen; 3. hieran die Bedingung zn knüpfen,
daß wegen der im Plane zu tresfenden Abänderungen der
Erbaner des zerstörten Theaters, Scmper, zu Rathe ge-
zogen werde.
Alle, welche den Semper'schen Theaterbau kannten
nnd fchätzten, werden von den vorsteheuden Beschlüffen
mit Befriedigung Kenntniß nehmen. Etwas zu niedrig be-
niessen ist vielleicht bei diesen Beschlüssen nur der Kosten-
punkt, wenn auch zu der bewilligten Summe noch 120,000
Thlr. kommen dürften, die von der Brandversichernngs-
gesellschaft zu verlangen sind. Wenigstens wurde die Ab-
minderung der postulirten 500,000 Thlr. auf 400,000
Thlr. von Seiten der Regiernng sehr widerrathen, wenn
letztere schließlich auch damit sich begnügen zu müssen er-
klärte.
Die Stellung der Regierung zu der Frage über die
Berufung Semper's ist vielfach falsch aufgefaßt worden,
nnd es werden daher einige darauf bezügliche Bemerkungen
aus der Debatte nicht ohne Jntereffe sein. Die Negierung
hat, wie Staatsminister Frhr. v. Friesen sagte, vom
ersten Anfange an, wo sie sich mit diesem Gegenstande
beschäftigte, es im höchsten Grade als wünschenswerth, ja
als durch das Sachverhältniß geboten angesehen, den
Erbauer des abgebrannten Theaters, Semper, ganz vor-
zugsweise auch bei dem Neubau des Theaters mit zu Nathe
zu ziehen und ihn um ein Gutachten in der Sache zu er-
suchen. Die Regierung sei noch jetzt der Ansicht. Und
sie habe es lebhaft beklagt, daß dnrch ganz ungerechtfer-
tigte Nachrichten in den öffentlichen Blättern in dieser
Beziehung Mißtrauen erregt worden und Mißverständ-
nisse entstanden seien.*)
Lharles Verlat.
Weimar, Ende Znmmr.
Das interessanteste Ereigniß im hiesigen Kunstleben
seit der Eröffnung des neuen Mnseums bildet die kürzlich
eröffnete Ansstellnng von Werken des seit November v. I.
an die Großh. Kunstschule berufenen Professors Charles
Verlat aus Antwerpen. Der geringe Verkehr zwischen
der lebenden Kunst in Deutschland und Belgien hatte
früher nur spärliche Kunde über das Schaffen dieses
Künstlers zu uns gelangen lassen; — sein Bild: „A.u
Uonx!", eine lebendige Kampfscene zwischen Landlenten
und einem Wolf in lebensgroßen Figuren, das wir von
der Antwerpener Ausstellung 1861 her kannten und im
') Jndem wir, und mit uns wohl alle Kunstfreunde Deutsch-
lands, von den erfreulichen Mittheilungen unseres Hrn. Kor-
respondenten mit großer Befriedigung Akt nehmen, können wir
andererseits nicht umhin, an den Schlußsatz seines Briefes die
Frage zu kniipfen, weShalb denn die „Mißverständnisse" und
das „Mißtrauen" des PublikumS nicht längst durch offiziclle
Erklärungen der Regicrung bescitigt wordcn sind? Man mußtc
doch in jcnen Krcisen am besicn wissen, daß von gcwisser Seite
aus möglichste Bcseitigung Scmper's nnter Protektion vcrschic-
dener Mittelmäßigkeiten hingearbeitet wurdc. Ein Anlaß znin
Rcden war um so inehr vorhanden. IlcbrigenS werdcn wir
ja sehen, was der weitere Berlauf der Dinge bringt, namcnllich
ob man dcm Urheber dcs Planes anch bei dcr AnSsiihriiiig
des Neubaucs die ihm gebiihrende Stellnng iibcrträgt. Aiit
dem bloßcn Einholen von Gutachten ist es da nicht gethan-
Anm. d. Red.