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hier nur kurz an drei hervorragende kunstgeschichtliche
Werke der jüngsten Zeit, welcke der uneigennützigen Bei-
hülfe Mündler's einen hauptsächlichen Theil ihres Wer-
thes verdanken: Die vierte, von Lübke bearbeitete Auf-
lage vou Kugler's Kunstgeschichte, das Meyer'sche Künstler-
lexikon und die Zahn'sche Ausgabe von Burckhardt's
Cicerone. Das letzte größere Werk, welches Mündler
selbständig unternahm, war der Text zu den vierzig
Nadirungen Unger's nach Bildern der Kasseler Galerie,
von dem die Leser im vorigen Hefte der Zeitschrift die
erste Probe erhalten haben. Außerdem enthielt jenes
Heft von des Verewigten Hand den Bericht über die Ver-
steigerung der Sammlungen von San Donato, deren
früherer Eigenthümer in diesen Tagen auch zu den Todten
hinabgestiegen ist, und endlich die Notiz über den ueu
auftauchenden spanischen Genremaler Fortuny.
Dieser Willkommgruß, dem Mvrgen eines jungen
Talentes dargebracht, war zngleich Mündler's Abschieds-
wort an uns. An demselben Tage, an welchem dieses an
die Oefsentlichkeit gelangte, creilte ihn das Verhängniß,
und zwar seltsamerweise in der Wohnung des Künstlers,
zu dessen Ruhme Mündler das letzte Mal die Feder an-
gesetzt. Schon voriges Jahr hatte sich in Gestalt einer
zeitweiligen Lähmung des Armes, die ihm das Schreiben
längere Zeit gauz versagte uud bis au sein Ende sehr er-
schwerte, der Todesbvte bei ihm eingestellt. Jetzt traf
er dcn sonst völlig Gesunden mitten im heiteren Gespräch
über Bilder und Zeichnungen mit so surchtbarer Gewalt,
daß nach dem Eintreten dcr Apoplexie kein Wort mehr
über dic Lippcn zu dringcn und die Kunst von vier her-
bcigerufenen Aerzten kcine Rettung zu bringen vermochte.
Man konnte den völlig Bewußtlosen uicht einmal mehr
»ach Hause bringcn. Nach einer Agvnie von vierund-
zwanzig Stundcn war cr eiue Leiche.
Müudlcr hinterläßt ciuen wcrthvcllen Kunstbesitz an
Oelgcmälden, Aquarellen, Bronzen und Büchern, welche
theils in Paris, theils in Ludwigshafcn bei seinen Ver-
wandten aufbewahrt siud und, wie wir hören, imLaufediescs
Jahres verstcigcrt werdcn sollen. Seine sterblichen Ueber-
^este haben die Brüder in heimatlicher Erde bestattet. So
ck er, deu dcr Zammer der deutschen Kunstzustände zu
kciner seinem Werthe angemcsscnen Stellung im Bater-
lande kommen ließ, wenigstens im Tode wieder das ge-
worden, was er stcts im Geiste war: der Unsere!
Wie», 30. Aprit 1870. C. v. Lützow.
Die Lupftrstichsnmiiilung üreiltliiio-üircktliliock.
Am 16. Mai beginnt die Auktion der viclgerühmten
aber bisher wenig bckanntenBirckcnstock'schen Sammlung.
^or hundert und fünf Jahren durch den kaiserlichen Hof-
"th Joh. Melchior Birckcnstcck in Wien begründet, nach
^fsen Tod (180-1) von der Erbtochter Frau Schöff
^rentano nach Frankfurt gcbracht, wird sie jetzt in alle
Weltgegenden zerstreut werden. Wer aber den einen
oder den andern Schatz bei der Versteigerung erobert,
wird, wie Or. Ruland in seinem trefflichen Vorworte
zum Auktionskataloge bemerkt, mit demselben Stolze und
der gleichen Befriedigung auf die Marke U L weisen,
welche die Signatur Mariette's, die Marken Arundel's
oder des Prinzen de Ligne dem Kupferstichkenner gewäh-
ren. Die Herkunft verbürgt die Trefflichkeit der Blätter.
Es dürfte gegenwärtig nnr noch wcnige Privatsammlun-
gen geben, welche einen so stark ausgeprägteu persönlichen
Charakter besitzen, wie die Birckenstock'sche. Wenu man
das Werk durchblättert, gewinnt das Bild des achtzehnten
Jahrhunderts, vor Allem der aufgeklärtcn Wiener Gesell-
schaftaus derJosephinischenZeitmitihren liebenswürdigen
Seiten, mit ihrer eifrigen Kunstliebe, ihrem auserlesenen
Geschmacke, ihrem feinen Genußsinn neues Lebeu. Bir-
ckenstock, der Schwager von Sonnenfels, der Günstling
Joseph's II., der Vertraute des Fürsten Kaunitz tritt deut-
lich vor unseren Blick; wir sehen ihn in freundlichem
Vcrkehre mit Adam Bartsch und dem Grafen Fries, mit
dem Herzogc von Sachsen-Teschen und dem Prinzen de
Ligne, die alle in Sammeleifer erglühten, alle in der
ersten Reihe vornehmer Kunstkenner standen. Es hatte
sich damals eine geistige Aristokratie in Wien vereinigt,
welcke in gauzDeutschland ihres Gleichen suchtc und seitdem
nicht wieder, am wenigsten in Wieu, angetrofseu wird.
Von dieser aristokratischeu Kunstbildung legt die Birckeu-
stock'sche Sammlung das glänzendste Zeugniß ab; die
Vorliebe für bestimmte Meister, die Gleichgültigkeit gegen
einzelne Nichtnngen — die Malerradirungcn des 17.
Jahrhuuderts z. B. siud nur spärlich vertreten, — die
Wahl der Blätter, die aus ächter Gourmandise hervor-
gegangene Sorgfalt für den Erwerb prächtiger Drucke,
intakter Exemplare, dies Alles ist für die damalige Zeit
überaus charakteristisch. Ohne Mühe könnte man aus
der Natur der Sammlung die vollständigcn Züge ent-
lehnen zur Zeichnung des Porträts ihres Begründers,
wie er dachte und empfand, welche künstlerischen Grnnd-
sätze er hegte, was er liebte nnd was er haßte. Auf der
anderenSeite abcr drückte das persönliche Wesen Bircken-
stock's der Sammlnng nicht nur ciu klar ausgesprochenes
Gepräge auf, sondern verlieh ihr auch eine sachliche Be-
deutung, welche von keiner neueren Sammlung wieder
erreicht wurde.
Unter den 3498 Nummern der Sammlung gibt cs
zahlreiche Prachtblätter, deren Betrachtung den höchsten
Genuß gewährt, um deren Besitz voraussichtlich ein heißer
Kampf entbrennen wird. Wir heben u. A. hervor: den
Triumph Kaiser Maximiliay's, ein vollständiges Exemplar
von 137 Blättern, von welchen 97 nach dem Wasser-
zeichen noch einem Drucke des 16. Jahrhunderts, die
übrigcn 40 dem Jnnsbrucker Drncke von 1777 entstam-
men. Bekanntlich hat vr. Thausing die Autorschaft des
hier nur kurz an drei hervorragende kunstgeschichtliche
Werke der jüngsten Zeit, welcke der uneigennützigen Bei-
hülfe Mündler's einen hauptsächlichen Theil ihres Wer-
thes verdanken: Die vierte, von Lübke bearbeitete Auf-
lage vou Kugler's Kunstgeschichte, das Meyer'sche Künstler-
lexikon und die Zahn'sche Ausgabe von Burckhardt's
Cicerone. Das letzte größere Werk, welches Mündler
selbständig unternahm, war der Text zu den vierzig
Nadirungen Unger's nach Bildern der Kasseler Galerie,
von dem die Leser im vorigen Hefte der Zeitschrift die
erste Probe erhalten haben. Außerdem enthielt jenes
Heft von des Verewigten Hand den Bericht über die Ver-
steigerung der Sammlungen von San Donato, deren
früherer Eigenthümer in diesen Tagen auch zu den Todten
hinabgestiegen ist, und endlich die Notiz über den ueu
auftauchenden spanischen Genremaler Fortuny.
Dieser Willkommgruß, dem Mvrgen eines jungen
Talentes dargebracht, war zngleich Mündler's Abschieds-
wort an uns. An demselben Tage, an welchem dieses an
die Oefsentlichkeit gelangte, creilte ihn das Verhängniß,
und zwar seltsamerweise in der Wohnung des Künstlers,
zu dessen Ruhme Mündler das letzte Mal die Feder an-
gesetzt. Schon voriges Jahr hatte sich in Gestalt einer
zeitweiligen Lähmung des Armes, die ihm das Schreiben
längere Zeit gauz versagte uud bis au sein Ende sehr er-
schwerte, der Todesbvte bei ihm eingestellt. Jetzt traf
er dcn sonst völlig Gesunden mitten im heiteren Gespräch
über Bilder und Zeichnungen mit so surchtbarer Gewalt,
daß nach dem Eintreten dcr Apoplexie kein Wort mehr
über dic Lippcn zu dringcn und die Kunst von vier her-
bcigerufenen Aerzten kcine Rettung zu bringen vermochte.
Man konnte den völlig Bewußtlosen uicht einmal mehr
»ach Hause bringcn. Nach einer Agvnie von vierund-
zwanzig Stundcn war cr eiue Leiche.
Müudlcr hinterläßt ciuen wcrthvcllen Kunstbesitz an
Oelgcmälden, Aquarellen, Bronzen und Büchern, welche
theils in Paris, theils in Ludwigshafcn bei seinen Ver-
wandten aufbewahrt siud und, wie wir hören, imLaufediescs
Jahres verstcigcrt werdcn sollen. Seine sterblichen Ueber-
^este haben die Brüder in heimatlicher Erde bestattet. So
ck er, deu dcr Zammer der deutschen Kunstzustände zu
kciner seinem Werthe angemcsscnen Stellung im Bater-
lande kommen ließ, wenigstens im Tode wieder das ge-
worden, was er stcts im Geiste war: der Unsere!
Wie», 30. Aprit 1870. C. v. Lützow.
Die Lupftrstichsnmiiilung üreiltliiio-üircktliliock.
Am 16. Mai beginnt die Auktion der viclgerühmten
aber bisher wenig bckanntenBirckcnstock'schen Sammlung.
^or hundert und fünf Jahren durch den kaiserlichen Hof-
"th Joh. Melchior Birckcnstcck in Wien begründet, nach
^fsen Tod (180-1) von der Erbtochter Frau Schöff
^rentano nach Frankfurt gcbracht, wird sie jetzt in alle
Weltgegenden zerstreut werden. Wer aber den einen
oder den andern Schatz bei der Versteigerung erobert,
wird, wie Or. Ruland in seinem trefflichen Vorworte
zum Auktionskataloge bemerkt, mit demselben Stolze und
der gleichen Befriedigung auf die Marke U L weisen,
welche die Signatur Mariette's, die Marken Arundel's
oder des Prinzen de Ligne dem Kupferstichkenner gewäh-
ren. Die Herkunft verbürgt die Trefflichkeit der Blätter.
Es dürfte gegenwärtig nnr noch wcnige Privatsammlun-
gen geben, welche einen so stark ausgeprägteu persönlichen
Charakter besitzen, wie die Birckenstock'sche. Wenu man
das Werk durchblättert, gewinnt das Bild des achtzehnten
Jahrhunderts, vor Allem der aufgeklärtcn Wiener Gesell-
schaftaus derJosephinischenZeitmitihren liebenswürdigen
Seiten, mit ihrer eifrigen Kunstliebe, ihrem auserlesenen
Geschmacke, ihrem feinen Genußsinn neues Lebeu. Bir-
ckenstock, der Schwager von Sonnenfels, der Günstling
Joseph's II., der Vertraute des Fürsten Kaunitz tritt deut-
lich vor unseren Blick; wir sehen ihn in freundlichem
Vcrkehre mit Adam Bartsch und dem Grafen Fries, mit
dem Herzogc von Sachsen-Teschen und dem Prinzen de
Ligne, die alle in Sammeleifer erglühten, alle in der
ersten Reihe vornehmer Kunstkenner standen. Es hatte
sich damals eine geistige Aristokratie in Wien vereinigt,
welcke in gauzDeutschland ihres Gleichen suchtc und seitdem
nicht wieder, am wenigsten in Wieu, angetrofseu wird.
Von dieser aristokratischeu Kunstbildung legt die Birckeu-
stock'sche Sammlung das glänzendste Zeugniß ab; die
Vorliebe für bestimmte Meister, die Gleichgültigkeit gegen
einzelne Nichtnngen — die Malerradirungcn des 17.
Jahrhuuderts z. B. siud nur spärlich vertreten, — die
Wahl der Blätter, die aus ächter Gourmandise hervor-
gegangene Sorgfalt für den Erwerb prächtiger Drucke,
intakter Exemplare, dies Alles ist für die damalige Zeit
überaus charakteristisch. Ohne Mühe könnte man aus
der Natur der Sammlung die vollständigcn Züge ent-
lehnen zur Zeichnung des Porträts ihres Begründers,
wie er dachte und empfand, welche künstlerischen Grnnd-
sätze er hegte, was er liebte nnd was er haßte. Auf der
anderenSeite abcr drückte das persönliche Wesen Bircken-
stock's der Sammlnng nicht nur ciu klar ausgesprochenes
Gepräge auf, sondern verlieh ihr auch eine sachliche Be-
deutung, welche von keiner neueren Sammlung wieder
erreicht wurde.
Unter den 3498 Nummern der Sammlung gibt cs
zahlreiche Prachtblätter, deren Betrachtung den höchsten
Genuß gewährt, um deren Besitz voraussichtlich ein heißer
Kampf entbrennen wird. Wir heben u. A. hervor: den
Triumph Kaiser Maximiliay's, ein vollständiges Exemplar
von 137 Blättern, von welchen 97 nach dem Wasser-
zeichen noch einem Drucke des 16. Jahrhunderts, die
übrigcn 40 dem Jnnsbrucker Drncke von 1777 entstam-
men. Bekanntlich hat vr. Thausing die Autorschaft des