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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 5.1870

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Die Ausstellung des Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen in Berlin
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4918#0071

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Gedanken meist in ähnliche Richtnng geführt, wie sie
die unsrigen eben einschlagen. Möge eine solche Wir-
kung recht allgemein, nachhaltig und erfolgreich sein!
Dann werden auch die Bestrebungen des in ehrenhaftester
Weise sich bemühenden Vereins so fruchtbar werden, wie
wir es ihm von ganzem Herzen wünschen, und fruchtbarer,
als wir es bis jetzt zu hofsen wagen.

L. N.

Korrespondenz.

Berlin, Ende Janunr.

L.. Trotz der Eröffnung einer permanenten Aus-
stellung von Seiten des Vereins Berliner Künstler
ist seit Weihnachteu in unsren älteren Lokalen an sehens-
werthen Bildern kein Mangel gewesen. Da über jene
Ausstellung die letzte Nummer der Chronik einen Bericht
Jhres L. N.-Korrespondenten in Aussicht gestellt hat, so
beschränke ich mich für heute auf eine Uebersicht der besse-
ren Bilder, welche im Laufe des Monats bei Sachse zur
Ausstellung kamen. Das Hauptkontiugent stellte, wie ge- !
wöhnlich, Düffeldorf und München. Von dort kam ein !
anziehendes, trefflich gemaltes kleines Genrestück Wilh.
Sohn's: „Jn der Andacht", ein schwarz gekleidetes
Mädchen mit blondem Haar, in's Prostl gestellt und dem
Altar zugekehrt, dessen größere Hälfte der Bilvrand durch-
schneidet. Brillanter im Kolorit und von vorwiegender
Betonung der stofflichen Ausstattung ist die „Kirch-
gängeriu" von Gussow (Weimar). Glasfenster,
Teppiche und andre Details sind hier die Hauptsachen. —
Dem Jnhalt nach bedeutender und wirklich fesselnd durch
tief poetischen Ausdruck sind zwei Bilder A. v. Wille's
(Düsseldorf). Das eineifteinWaldstückvonherrlicherStim-
mung, stafsirt mit einem glänzenden Ritterschwarm, der von
der Jagd.zur Heimfahrt sich rüstet. Das Bild knüpft an
die bekannten Düsseldorfer Traditionen von ehemals an,
ohne im Technischen die Errungenschaften einer vierzig-
jährigen Entwicklung von damals bis jetzt zu verläugnen.
Mehr noch zeigt das andere Bild — Straße in Mar-
burg bei Mondscheiu — den Künstler als tüchtigen
Maler. Plastisch tritt jeder Giebel, jeder Erker der berg-
aufwärts führenden Straße heraus; Schnitzwerk in
Holz und Stein, Feusterzierrath und Straßenpflastcr sind
von so überzeugender Wahrheit und dazu das Spiel des
Mondlickts über Dächer und Straßen, gebrochen von
demwarmenScheine einzelner Lichter hinter den Fenstern,
von so glücklicher Wirkung, daß man wohl die täuschenden
Mittel der Kunst einen Augenblick für Wahrheit halten ^
kann. Die Straße entlang und dem Beschauer entgegen
zieht eine Schaar lnstiger Gesellen in der Tracht des 16.
Jahrhnnderts, waffenklirrend und serenadend ; hie und da >
hat sich ein Fenster aufgethan, aus dem ein aufgeweckter
Sckläfer oder ein gestörter Spätarbeiter verdrießlich oder
neugierig herausschaut. Es ist, als hörte man das Lärmen !

und Klirren, so lebendig und überzeugend steht die ganze
Scene vor unsernAugen. — Eine moderne Prozession
im heutigen München schildert Hennings mit schönen,
warmen Farben und guter Zeichnung, aber ohne den
tieferen, geistigen Antheil, mit welckem die Auffassung die
malende Hand begleiten soll. Der Künstler gibt nur ein
hübschesKostümstück, welches uns kein eigentliches Jnteresse
abzugewinnen vermag. Das Letzte gilt — für mich we-
nigstens — auch von dem großen Bilde, auf welchem uns
Claudius Schraudolph seine „Münchener im Hof-
bräu" vorführt. Wir haben eine Anzahl ckarakteristisch
wiedergegebener Volkstypen vor uns, auch eine gewisse Art
von Humor, der in einzelnen Situationen sich kund giebt.
Doch das Ganze ist ohne eigentlichen Reiz. Was man allc
Tage sehen kann, das will man im Bilde wenigstens nicht
so wiederfinden, wie man es hundertmal gesehen hat.
Außerdem hat die Farbe einen grauen, stumpfen Ton und
das ganze Bild zu weuig Luft. — George Saal (Paris)
entrollt auf großer Fläche eine norwegische Landschafts-
scenerie, den Hardanger Fjord mit seinen mächtigen Felsen,
die im röthlichen Abendsonnenglanze stehen. Jn die See
hinein vom Lande abwärts rudert ein Kahn, der einen
Sarg trägt. Vorn stehen die wenigen Angehörigen des
Todten, der gleich in den Fjord versenkt wird, ihnen zur
Seite das Pferd, welches dcn Sarg bis an das Ufer führte.
Die ganze Darstelluug ist von rührendem Ausdrucke. —
Die größte Anziehungskraft übte ein frisch und originell
behandeltes Motiv von Graf Harrach, ein Zugstück,
welches schon durch dieEinfassung in einen breiten dunkeln
Holzrahmen als etwas Besonderes sich vorführte. Eine
Gartenthür, deren Pfosten mit üppigem Rankengewächsbe-
deckt siud, öfsnet sich auf ein Wasser, zu welchcm eine
Treppe niederführt; die Thür hat sich aufgethan und eine
scklanke, junge Jtalienerin, der Kleidung nach den unteren
Volksklassen angehörig, tritt heraus und dem Beschauer
entgegen. Der Gegenstand ihres freudigen Erwartens
läßt sich nur errathen, sie sieht eben den Beschauer an, und
in dieser lebendig ausgedrückten Beziehung liegt der Neiz
des flott und breit gemaltcn Bildes. Das allerfrischeste
Grün, welches sich nur denken läßt, von der warmen Mit-
tagssonne durchspielt, giebt den vorherrschenden Farben-
ton; die Details von den Falten des leichten Kleidcs bis
zu dem Felle des Pudels, welcher seinc Herrin springend
begleitet hat und, wie sie, am Wasser plötzlich Halt macht,
sind treu deni Stoff entsprechend dargestellt. Die Auf-
fassung ist von so großer Natürlichkeit, daß wir dnrch dcn
Rahmen hindnrch wie dnrch einc Thüröffnung in ein
Stück wirklichen Lebens hinein zu seheu meinen. Dic
Vorliebe, mit welcher das besuchcnde Publikum oieseni
Bilde sich zuzuweuden scheint, zeigt auf's Neue, was un-
mittelbares Naturstudium aus dem cinfachsten Motivc
machen kann.
 
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