V. Jahrgang.
Nr. 18
Lriträge
sind an Vr. C.v. Lützow
(Wicn, Theresianumg.
25)od.andieBcrlagöh.
(Leipzig, Königsstr. 3)
zu richten.
I. 2uli.
Mserate
L 2 Sgr. fÄ die drei
Mal gespaltene Petit-
zeile werden vonjeder
Buch- und Knnsthand-
lung angenommen.
1870.
Beiblatt znr Zeitschrist sür bildende Knnst.
Vcrlsg van L. A. Lecinann in Teipzig.
Am 1. und 3. Frcitage jedes Monats erschcint eine Nummer von in der Regel einem Quartbogen. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende Kunst" er-
halten dies Blatt xratr«. Apart bezogen kostet dasselbe ll ZTHlr.ganzjährlich. Alle Buch-und Kunsthandlungen wie allePostämternehmenBestellungen an.
3uhalt: Der „Salon" von 1870. — Korrespondenz (Florenz Scdluh).
— Kunstliteratnr nnd.Nnnnhandel. — Kunftuniefrichr. — Kunstvcrelne,
Sammlnngen und Ausstellungen. — Bermischie jvunstnachrichlen. —
Zeitschriftcn. — Inserate.
Dcr „Zalon" von 1870.
i.
Paris, im Inni.
Die französischen Blätter gestehen wohl, wenigstens
zwischen den Zeilen ihrer Kunstberichte, daß der diesjäh-
rige „Salon" hinter so manchem seiner Vorgängcr zurück-
geblieben ist; allein daß die Werke der ansländischen
Künstler sich mehr als se bemerkbar niachen, Aufsehen er-
regen, Beifall verdienen, dieses Geständniß würde ihnen
zn viel kosten und so ersparen sie es sich. Wir verübeln
ihnen diese Ungerechtigkeit und hofsen unseren Vorwurf
zu rechtfertigen, daß nnter den fremden Ausstellern unsere
Landsleute, Deutsche und Oestcrreickier, nicht nur weitans
am zahlreichsten, sondern auch am würdigsten vertreten
sind. Sollte uns diescr glückliche Umstand etwa nöthigen,
klein beizngeben? Wir sind der entgegcngesetzten Ansicht;
„GleicheS Recht für Alle" sollte endlich aufhören, ein aus-
schließlich politischer Grundsatz zu sein.
Franz Adam ist der Hackländer unserer Schlackten-
maler. Seine „Episode ausdem italienischenFclrzuge 1848"
ist von spannendem Jntercssc und liest sich so leicht und
fcsselnd, als irgend ein Kapitel der trefslichen „Bilder aus
dem Soldatenleben im Frieden". Verwundete und ver-
schmachtende österreichischeSoldaten drängen sich um einen
Karrcn, auf dem cin Faß ruht, das leider schon zn Neige
geht, während der nahe Kampf noch fortwüthet. Und
diese italicnische Hitze ist so gransam! Andere Krieger,
nicht vom Durst, wohl aber vom Hunger gemartert, führt
lins der Schweizer Anker vor. „Die Suppe von Coppel"
ist eine Scene aus den Reformationskriegen. Einige
Wafsenknechtc ans den fünf Kantonen rücken ein Schafs
voll Milch an die Grenze des feindlichen Lagers nnd riefen
den Zürchern zu, daß sie kein Brod hätten. Die ließen
sich nicht lange bitten, denn ihnen gelüstete es nur nach
Milch. Und siehe, da lagern die feindlichen Brüder in
Frieden um die hölzerne Schüssel, in der gewaltige Brocken
schwiinmen. Aber Ordnung muß sein: wenn einer der
vierschrötigen Gesellen mit seinem Löfsel in's jenseitige
Gebiet einfällt, schlagen ihn die Gegner lachend zurück:
Du! überschreite nicht die Grenze! Anker hat diese ge-
müthliche Scene schlicht und derb gemalt: eine kerngesunde
Natur! Mit ihm verglichen ist der Münchner Adamo
ein Schüler Piloty's, ein schwächlicher, wohl auch zu ängst-
licher Kolorist. Sein „Neunter Thermidor" zieht die
Menge nichtsdestoweniger an. Eineportraitreiche Sitzung
ans der Zeit der sogenannten großen Nevolution, die
noch überdies den Sturz des Berges vorstellt, das packt
auch heute noch jeden Franzosen. Das Gesammtbild dieser
jtürmischen Sitzung, die Anordnung der Gruppen, ihr
dramatisches Leben verrathen keine gewöhnliche Begabung
und ein tüchtiges Stndium, das dem Künstler Ehre macht.
Adamo geht ofsenbar aus einer guten Schule hervor.
Daß sich Warschau in dieser Beziehung mit München nicht
vergleichen läßt, beweisen überzeugend zwei gestaltenreiche
Genrebilder des flnnkernden Bakalovicz. Blendend
gemalte Gewänder und ein paar sprechende Köpfe niachen
noch kein Bild; die Zeichnung bleibt inimer die Hauptsache,
^ möchten wir sowohl ihm als auch dem jungen Ungarn
Frankel zurufen. Sei die Ersindung noch so geistreich,
dieAusführung noch so geschickt, was bestehen soll, mnß
vor allem auch wirklich stehen können. Jedoch zum
Kunstwerk wird ein Bild erst durch jenen dichterischen
Zauber, den wir als dessen Seele bezeichnen möchten; Lie
unbedeutendsteScene, dieein Meissonier odereinSte-
vens schildert, hat ihr Gcmüthsleben, ist gleichsam von
innen herausgearbeitet.
Nr. 18
Lriträge
sind an Vr. C.v. Lützow
(Wicn, Theresianumg.
25)od.andieBcrlagöh.
(Leipzig, Königsstr. 3)
zu richten.
I. 2uli.
Mserate
L 2 Sgr. fÄ die drei
Mal gespaltene Petit-
zeile werden vonjeder
Buch- und Knnsthand-
lung angenommen.
1870.
Beiblatt znr Zeitschrist sür bildende Knnst.
Vcrlsg van L. A. Lecinann in Teipzig.
Am 1. und 3. Frcitage jedes Monats erschcint eine Nummer von in der Regel einem Quartbogen. Die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende Kunst" er-
halten dies Blatt xratr«. Apart bezogen kostet dasselbe ll ZTHlr.ganzjährlich. Alle Buch-und Kunsthandlungen wie allePostämternehmenBestellungen an.
3uhalt: Der „Salon" von 1870. — Korrespondenz (Florenz Scdluh).
— Kunstliteratnr nnd.Nnnnhandel. — Kunftuniefrichr. — Kunstvcrelne,
Sammlnngen und Ausstellungen. — Bermischie jvunstnachrichlen. —
Zeitschriftcn. — Inserate.
Dcr „Zalon" von 1870.
i.
Paris, im Inni.
Die französischen Blätter gestehen wohl, wenigstens
zwischen den Zeilen ihrer Kunstberichte, daß der diesjäh-
rige „Salon" hinter so manchem seiner Vorgängcr zurück-
geblieben ist; allein daß die Werke der ansländischen
Künstler sich mehr als se bemerkbar niachen, Aufsehen er-
regen, Beifall verdienen, dieses Geständniß würde ihnen
zn viel kosten und so ersparen sie es sich. Wir verübeln
ihnen diese Ungerechtigkeit und hofsen unseren Vorwurf
zu rechtfertigen, daß nnter den fremden Ausstellern unsere
Landsleute, Deutsche und Oestcrreickier, nicht nur weitans
am zahlreichsten, sondern auch am würdigsten vertreten
sind. Sollte uns diescr glückliche Umstand etwa nöthigen,
klein beizngeben? Wir sind der entgegcngesetzten Ansicht;
„GleicheS Recht für Alle" sollte endlich aufhören, ein aus-
schließlich politischer Grundsatz zu sein.
Franz Adam ist der Hackländer unserer Schlackten-
maler. Seine „Episode ausdem italienischenFclrzuge 1848"
ist von spannendem Jntercssc und liest sich so leicht und
fcsselnd, als irgend ein Kapitel der trefslichen „Bilder aus
dem Soldatenleben im Frieden". Verwundete und ver-
schmachtende österreichischeSoldaten drängen sich um einen
Karrcn, auf dem cin Faß ruht, das leider schon zn Neige
geht, während der nahe Kampf noch fortwüthet. Und
diese italicnische Hitze ist so gransam! Andere Krieger,
nicht vom Durst, wohl aber vom Hunger gemartert, führt
lins der Schweizer Anker vor. „Die Suppe von Coppel"
ist eine Scene aus den Reformationskriegen. Einige
Wafsenknechtc ans den fünf Kantonen rücken ein Schafs
voll Milch an die Grenze des feindlichen Lagers nnd riefen
den Zürchern zu, daß sie kein Brod hätten. Die ließen
sich nicht lange bitten, denn ihnen gelüstete es nur nach
Milch. Und siehe, da lagern die feindlichen Brüder in
Frieden um die hölzerne Schüssel, in der gewaltige Brocken
schwiinmen. Aber Ordnung muß sein: wenn einer der
vierschrötigen Gesellen mit seinem Löfsel in's jenseitige
Gebiet einfällt, schlagen ihn die Gegner lachend zurück:
Du! überschreite nicht die Grenze! Anker hat diese ge-
müthliche Scene schlicht und derb gemalt: eine kerngesunde
Natur! Mit ihm verglichen ist der Münchner Adamo
ein Schüler Piloty's, ein schwächlicher, wohl auch zu ängst-
licher Kolorist. Sein „Neunter Thermidor" zieht die
Menge nichtsdestoweniger an. Eineportraitreiche Sitzung
ans der Zeit der sogenannten großen Nevolution, die
noch überdies den Sturz des Berges vorstellt, das packt
auch heute noch jeden Franzosen. Das Gesammtbild dieser
jtürmischen Sitzung, die Anordnung der Gruppen, ihr
dramatisches Leben verrathen keine gewöhnliche Begabung
und ein tüchtiges Stndium, das dem Künstler Ehre macht.
Adamo geht ofsenbar aus einer guten Schule hervor.
Daß sich Warschau in dieser Beziehung mit München nicht
vergleichen läßt, beweisen überzeugend zwei gestaltenreiche
Genrebilder des flnnkernden Bakalovicz. Blendend
gemalte Gewänder und ein paar sprechende Köpfe niachen
noch kein Bild; die Zeichnung bleibt inimer die Hauptsache,
^ möchten wir sowohl ihm als auch dem jungen Ungarn
Frankel zurufen. Sei die Ersindung noch so geistreich,
dieAusführung noch so geschickt, was bestehen soll, mnß
vor allem auch wirklich stehen können. Jedoch zum
Kunstwerk wird ein Bild erst durch jenen dichterischen
Zauber, den wir als dessen Seele bezeichnen möchten; Lie
unbedeutendsteScene, dieein Meissonier odereinSte-
vens schildert, hat ihr Gcmüthsleben, ist gleichsam von
innen herausgearbeitet.