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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Von der Administration des Städelschen Institutes
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Vom Leipziger Kunstverein
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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0217

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421

Vnm Leipziffer Kunstverem.

422

„Wenn wir die Anstrcngnngen dcr thätigsten Menschen-
sreundlichkeit, der ciusgedehntesten uud uneigennützigsten
Güte betrachten, so werden wir finden, daß sie ver-
hältnismäßig von lürzer Daucr sind, daß sie nur eine
geringe Zahl Menschen berühren nnd ihnen zn gnte
kommen, daß sie seltcn die Generation überleben, die
sie entstehen sah; und wenn sie die dauerhaftere Form
wählen, grvße öffentliche Wohlthätigkcitsanstalten zn
gründen, so werden diese Anstalten gewvhnlich Miß-
bräuchen untertvvrfen, dann geraten sie in Verfalk nud
nach einiger Zeit gehen sie entweder ganz zu Grunde vder
werden von ihrer ursprünglichcn Bestimmung abgelenkt
und spotten der Anstrengnng, das Andenken auch der
rcinsten und entschicdensten Wohlthätigkeit zu verewigen."

Nun, wenn dieser allgemeine Satz irgendwo an-
wendbar ist, so ist es mit Beziehung anf die Ent-
wickelungsgeschichte des Städelschen Jnstitnts in Frank-
furt a. M. Was mag der hochherzsge Gründer von
dieser Anstalt erhofft haben! Und wie wenig mag
die Anstalt dem Jdeal entsprechen, als welches Städeln
sein Schoßkind im Geiste erschien! Gleich nach seiner
Geburt hatte es eine elfjährige schwereKrankheit durch-
zumachcn, während welcher jede Lebensregung in ihm
gchemmt war; seine weitcre Entü'ickelung ist von
mannigfachen Leiden behindert tvvrden, und nvch jetzt
brütet eine Stille wie die des Krankenzimmers über
dem Jnstitute. Nun bekommt es statt des nvtwendigen
kundigen Arztes auch noch einen Quacksalber! Das
kann man nnr mit lebhastem Bedauern sehen.

Vom Leipziger Aunstr>crein.

Leipzig, 20. März t886.

U. Durch den Umbau des hiesigen Musenms, der
seiner Vollendung jetzt mit raschen Schritten entgegen-
geht, ist der Leipzigcr Kunstverein in einen ziemlich
beschwerlichen Jnterimsznstand versetzt wvrden. Bei
dem Beginn des Baues genötigt, seine Heimstätte im
Museum zu verlassen, kvnnte er in den anderwärts ge-
mieteten Räumen seine Thätigkeit, namentlich was die
Ausstellnngen betrifft, während eines Zeitranmes von
mehr als zwei Jahren nur in sehr beschränktem Maße
sortsetzen. Erst zu Anfang dieses Jahrcs erhielt er cin
bequemeres Asyl in dem Hause des Herrn I)r. Keil,
einem stattlichen Gebäude aus dem Ende des vvrigen
Jahrhunderts, in welchem gleichzeitig der größere Teil
der in den letzten zehn Jahren für das Museum er-
worbenen Gemälde zur Aussteklung gelangte. Die fllr
den Verein bestimmten, bedentend erweiterten Museums-
räume werden jedenfalls noch während des bevorstehen-
den Sommers von ihm benutzt werden können.

Unter den gegenwärtig in dem interimistischen
Vereinslokal ausgestellten Kunstgegenständen befindet

sich cine Reihe vvn Wcrken Werner Schnchs, die
schon deshalb ein besvnderes Jntcresse beanspruchen,
weil sic das Talent dcs Künstlers auf cinem Dar-
stellungsgebiete zeigen, auf bem wir ihm bisher nvch
nicht begegueten. Es sind Farbenskizzen vvn beträcht-
lichem Umfang, unter denen namentlich die eine durch
Kühnheit und Originalität der Erfindung hervorragt,
cine Darstellnng der „Apokalyptischen Rciter". Vv»
srüheren Schildcrungen desselbcn Gegenstandes ist sie
im ganzen wie im einzclnen gleich sehr verschieden, bc-
sonders durch den scharf ausgesprochcnen malerischen
Charakter der Kvnzeption. Aus den wvgendcn Massen
finsteren Gewölkes, welches vvrn einem fahlen Licht-
glanz Raum läßt und nach unten wie in Rauch zcr-
dampft, kvmmen die vier Rciter in wildem Sturme
herab. Unten, in tiefer Ferne, aus dem unheimlich
erhclltcn Gefilde der Erde drängt sich am Abhang
einer gähnenden Schlucht, halb schattenhaft, ein ver-
worrenes Gewühl nackter Menschengestalten, unter denen
man dic Gruppen Wehklagender nud einander Bc-
kämpsender unterscheidet. Von den Reitern ist der
Krieg am weitesten voran; auf dunkelbraunem, seuer-
schnaubcndem Rvß hoch aufgerichtet, schwingt er in der
Rechten das Schwert, in dcr Linken die Brandfackel,
zum Kamps aufrcizend und die Leidenschaften entfesselnd;
ihm zur Scite aus cinei» gespensterhaft bleichen Pserd
jagt dic Pest, das tödlichc Geschoß auf dem gcspanntcn
Bogen nach untcn gerichtet; über beidcn bäumt sich,
gcgen den Hintergrnnd scharf abstcchcnd, das hagerc
schwarze Roß des dritten Reiters, nnd ganz hintcn,
aus den tiessten Schatten der Nacht, kommt der Tod
mit gierig ausgestreckten Armen. Die Kraft der kolo-
ristischen Erfindung, aus der die packende Wirknng
dieses über das Skizzenhafte schon weit hinausgeführ-
ten Entwurfes zum nicht geringsten Tcile beruht, zeigt
sich besonders in der Lichtbehandluug, durch welche der
Eindruck des Visionären hauptsächlich in so schlageudcr
Weise erreicht wird. Man kann uur lcbhaft wünschcn,
daß der Künstler bald Gelcgenheit und Anlaß finde,
diesen kllhnen Entwurf zur vollen Anosiihrung zu bringeu.

Kaum mindcr wirkungsvoll sind die beiden an-
deren Farbenskizzen, „Der wilde Jäger" und dic
Schlußscene aus Bürgers „Lenvre"; in der letzteren
ist die Grundstimmung der berühmten Ballade meister-
lich ins Malerische übersetzt. Zu der wild bewegtcn
Kompositivn der ersteren gehört cine Reihe vvn
Studienblättcrn, welche dic Hauptfigureu schon sämt-
lich mit scharser Charakteristik durcbgeführt zeigen.
Außcr denselben finden sich in der Ausstellung noch
mehrere Kartons des Künstlers, teils landschastliche,
teils historische Darstcllungen, reich an Vvrzügen, die wir
an seinen Arbeiten schon längst zu schätzen gelernt haben.
 
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