11
Kunstlitteratur.
12
Verzeichnisse der Miniaturen ab, um so mehr, als
Lamprecht diesetben in seiner „Jnitialornamentik vom
8. bis zum 13. Jahrhundert" (Leipzig 1882, S. 28,
Nr. 49) schvn anfgezählt hat.
Ein alter zum Teil etwa gleichzeitiger Einband
zeigt reichcn Figurenschmuck auf dem Deckel der Vorder-
seite. Es sei nebenbei bemerkt, daß die Verteilung der
Einbände an den Aachener Cvdices im Laufe unseres
Jahrhunderts mehrmals gewechselt hat. Erst seit 1870
ist sie so, daß von den beiden schönsten Deckeln
einer den karvlingischen und einer den Ottonen-
kodex ziert. Daraus erklären sich die meisten Wider-
sprüche, die betreffs der Einbände in der Littcratur
vorkvmmen.
Gegenwärtig befinden sich außer den beiden eben
erwähnten keine weiteren Bilderhandschriftcn im Aachc-
ner Dome. Jn diesen beiden aber ist von Kaiser
Lothar oder von einem Mönche Otto keine Spur zu
sinden. Vor 1798 besaß der Aachener Dom bekannt-
lich noch ein drittes Evangeliar, jenen karolingischen
Kodex, den jetzt die Wiener Schatzkammer bewahrt.
Wir erinnern daran, daß auch diese Handschrift keine
Beziehungen zu Kaiser Lothar oder zu einem Mvnche
Ottv enthätt.
Wie kommt es aber nun, daß Woltmann eine
svlchc für Kaiser Lothar gefertigte Handschrift im
Aachener Domschatze erwähnt? Hat etwa auch er aus
einer älteren unkritischen Quellc geschöpft? Dies nach-
zuwciscn ist mir nicht gelungen. Was mir nur irgend
an Litteratur über die Aachener Codices zugänglich ist,
enthält nichts, was sich auf einen Lvtharkvdex in Aachen
beziehen kvnnte. Hefner-Altcneck in den „Trachten des
christlichen Mittelalters" (1840—1854) bildet aus
Taf. 47 uud 48 die zwei erwähnten ersten Bilder
des Ottvnenkodex ab. Den dargestelltcn Kaiser hält
er für Otto III. Diesclben Tafeln kehreu als Nr. 35
und 36 mit verändertem Text in der neuen Auflage
des genannten Werkes wieder. Von einem Lotharkodex
keine Rede.
Bock beschrcibt 1860 im Religuienschatz des Lieb-
srauenmünsters zu Aachen (S. 70) dreierlei Einbände,
ohne aus den Jnhalt der Codices näher einzugehen.
Jn demselben Jahre beschränkt sich auch E. aus'm
Weerth in seinen „Kunstdenkmälern des christlichen
Mittelalters in den Rheinlanden (1. Abteilung, II. Bd.,
S. 49) auf die Einbände, die er beschreibt und abbildet.
Fast ebenso Lotz (1862) in seiner Kunsttopographie
Deutschlands, wo der Ottonenkodex kurz erwähnt wird.
(I, S. 35 und in den Nachträgen). Jm Jahre 1865
liefert Bvck in „Karls d. Gr. Pfalzkapelle" eine Be-
schreibung der beiden noch heute in Aachen befindlichen
Codices und ihrer Einbände. Erst der erste Band von
Wvltmanns Geschichte der Malerei, dessen erstes Heft 1879
erschienen ist, führt den Mönch Otto mit den eingangs
gegebenen Wvrten in die Kunstgeschichte ein, offenbar
infolge eines Mißverständnisses bei Benutzung älterer
Originalnotizen, an die sich keine Gedächtnisbilder mehr
knüpften. Wie ein solches Mißverständnis entstehen
konnte, das ist sonderbar, aber nicht ganz unbegrciflich.
Ein Kodex, in dem der Name Liutharius und Otto
vorkamen, ist wirklich vorhanden; Woltmann dürfte
von ihm flllchtige Notiz genommen haben. Bei Zu-
sammenstellung seiner Geschichte der Malerei nun
wurde aus dem Mönch Inutlmiiris der Kaiser Lothar,
und aus dem arigusts Otto ein Mönch Otto. Daß
der Stilcharakter des ganzen Kodex auf die Zeit der
Ottonen weise, blieb unbeachtet, ebenso die ältereLittera-
tur, die wohl bald den Jrrtum klar gemacht hätte.
Eine Erwähnung des wirklich vorhandenen Ottonen-
kvdex habe ich bei Woltmann nicht gefunden. Die
Annahme einer Verwechselung der Namen wird also
um so wahrscheinlicher. Dagegen bringt Wernicke nicht
nur den einen imaginären sondern auch den wirklichen
Kodex (V. Auslage, II. Bd., S. 551).
Wie man sieht, beginnt der Jrrtum Woltmanns
böse Früchte zu tragen, indem er nunmehr schon in
ein sonst vortreffliches, fast unentbehrliches Nach-
schlagebuch eingedrungen ist. Jch brauche mich alsv
gewiß nicht zu entschuldigen, wenn ich meine Notizen über
die Aachener Codices zur Berichtigung jenes Jrrtums
verwende.
Wien, im Januar 1885.
Aunstlitteratur.
Stntike Fragmente, in drei Bildern zusaminengestellt, von Leo
von Klenze. München 1885, Verlagsanstalt sür Kunst
und Wissenschaft (vormals Bruckmann).
Jn der voriges Jahr aus Anlaß des hundsrtjährigen
Geburtstages Leo v. Klenze's von dem Architekten Hugo
Marggraff in München arrangirten Ausstellung des dortigen
Architekten- und Jngenieurvereins sah man unter anderem
auch drei Studienblätter von der Hand L. v. Klenze's, deren
eines griechische Architekturformen darstellt, während die
beiden anderen römische Motive bshandeln. Dieselben sind
mit der äußersten Sorgfalt gezeichnet und in Wirkung gesetzt
und es dürfte das erste während Klenze's Aufenthalt in
Paris (1803) entstanden, dis beiden anderen Früchte seines
ersten Aufenthaltes in der ewigen Stadt (1805) sein. Der
junge Künstler hat auf diesen Blättern zahlreiche charakte-
ristische antike Stilformen ebenso geschmackvoll wie originell
zu anmutigen Bildsrn zusammengestellt, nachdem er die ein-
zelnsn Architekturstücke grötztenteils selber an Ort und Stelle
aufgenommen und bei der Auswahl jene bevorzugt hatts,
welche den grischischen Werken an einfacher Schönheit am
nächsten kommen. Auf dem Blatte „Griechische Baukunst"
sisht man die Südseite des Erechtheions, ein Stück dsr inne-
ren dorischen Säulenreihe des Parthenon, den Triglyphen-
fries desselben, ein ionisches Kapitäl vom Tempsl von
Priene, ein korinthisches aus dem Grabmal in Mylasa, die
sitzende Frauengestalt vom Thrasyllosdenkmal in Athen und
die kauernde Venus aus dem Nationalmuseum in Neapel in
geistvoller Anordnung als Rahmen einer Ansicht der Akro-
polis in Athen verwendet. Auf dsm Blatte „Römische Bau-
kunst" gewähren ein von Klenze unter Bsnutzung antiker
Motive komponirtes Gebäude, der Fries vom Tsmpel des
Antoyinus und Ler Faustina am römischen Forum, das Ge-
Kunstlitteratur.
12
Verzeichnisse der Miniaturen ab, um so mehr, als
Lamprecht diesetben in seiner „Jnitialornamentik vom
8. bis zum 13. Jahrhundert" (Leipzig 1882, S. 28,
Nr. 49) schvn anfgezählt hat.
Ein alter zum Teil etwa gleichzeitiger Einband
zeigt reichcn Figurenschmuck auf dem Deckel der Vorder-
seite. Es sei nebenbei bemerkt, daß die Verteilung der
Einbände an den Aachener Cvdices im Laufe unseres
Jahrhunderts mehrmals gewechselt hat. Erst seit 1870
ist sie so, daß von den beiden schönsten Deckeln
einer den karvlingischen und einer den Ottonen-
kodex ziert. Daraus erklären sich die meisten Wider-
sprüche, die betreffs der Einbände in der Littcratur
vorkvmmen.
Gegenwärtig befinden sich außer den beiden eben
erwähnten keine weiteren Bilderhandschriftcn im Aachc-
ner Dome. Jn diesen beiden aber ist von Kaiser
Lothar oder von einem Mönche Otto keine Spur zu
sinden. Vor 1798 besaß der Aachener Dom bekannt-
lich noch ein drittes Evangeliar, jenen karolingischen
Kodex, den jetzt die Wiener Schatzkammer bewahrt.
Wir erinnern daran, daß auch diese Handschrift keine
Beziehungen zu Kaiser Lothar oder zu einem Mvnche
Ottv enthätt.
Wie kommt es aber nun, daß Woltmann eine
svlchc für Kaiser Lothar gefertigte Handschrift im
Aachener Domschatze erwähnt? Hat etwa auch er aus
einer älteren unkritischen Quellc geschöpft? Dies nach-
zuwciscn ist mir nicht gelungen. Was mir nur irgend
an Litteratur über die Aachener Codices zugänglich ist,
enthält nichts, was sich auf einen Lvtharkvdex in Aachen
beziehen kvnnte. Hefner-Altcneck in den „Trachten des
christlichen Mittelalters" (1840—1854) bildet aus
Taf. 47 uud 48 die zwei erwähnten ersten Bilder
des Ottvnenkodex ab. Den dargestelltcn Kaiser hält
er für Otto III. Diesclben Tafeln kehreu als Nr. 35
und 36 mit verändertem Text in der neuen Auflage
des genannten Werkes wieder. Von einem Lotharkodex
keine Rede.
Bock beschrcibt 1860 im Religuienschatz des Lieb-
srauenmünsters zu Aachen (S. 70) dreierlei Einbände,
ohne aus den Jnhalt der Codices näher einzugehen.
Jn demselben Jahre beschränkt sich auch E. aus'm
Weerth in seinen „Kunstdenkmälern des christlichen
Mittelalters in den Rheinlanden (1. Abteilung, II. Bd.,
S. 49) auf die Einbände, die er beschreibt und abbildet.
Fast ebenso Lotz (1862) in seiner Kunsttopographie
Deutschlands, wo der Ottonenkodex kurz erwähnt wird.
(I, S. 35 und in den Nachträgen). Jm Jahre 1865
liefert Bvck in „Karls d. Gr. Pfalzkapelle" eine Be-
schreibung der beiden noch heute in Aachen befindlichen
Codices und ihrer Einbände. Erst der erste Band von
Wvltmanns Geschichte der Malerei, dessen erstes Heft 1879
erschienen ist, führt den Mönch Otto mit den eingangs
gegebenen Wvrten in die Kunstgeschichte ein, offenbar
infolge eines Mißverständnisses bei Benutzung älterer
Originalnotizen, an die sich keine Gedächtnisbilder mehr
knüpften. Wie ein solches Mißverständnis entstehen
konnte, das ist sonderbar, aber nicht ganz unbegrciflich.
Ein Kodex, in dem der Name Liutharius und Otto
vorkamen, ist wirklich vorhanden; Woltmann dürfte
von ihm flllchtige Notiz genommen haben. Bei Zu-
sammenstellung seiner Geschichte der Malerei nun
wurde aus dem Mönch Inutlmiiris der Kaiser Lothar,
und aus dem arigusts Otto ein Mönch Otto. Daß
der Stilcharakter des ganzen Kodex auf die Zeit der
Ottonen weise, blieb unbeachtet, ebenso die ältereLittera-
tur, die wohl bald den Jrrtum klar gemacht hätte.
Eine Erwähnung des wirklich vorhandenen Ottonen-
kvdex habe ich bei Woltmann nicht gefunden. Die
Annahme einer Verwechselung der Namen wird also
um so wahrscheinlicher. Dagegen bringt Wernicke nicht
nur den einen imaginären sondern auch den wirklichen
Kodex (V. Auslage, II. Bd., S. 551).
Wie man sieht, beginnt der Jrrtum Woltmanns
böse Früchte zu tragen, indem er nunmehr schon in
ein sonst vortreffliches, fast unentbehrliches Nach-
schlagebuch eingedrungen ist. Jch brauche mich alsv
gewiß nicht zu entschuldigen, wenn ich meine Notizen über
die Aachener Codices zur Berichtigung jenes Jrrtums
verwende.
Wien, im Januar 1885.
Aunstlitteratur.
Stntike Fragmente, in drei Bildern zusaminengestellt, von Leo
von Klenze. München 1885, Verlagsanstalt sür Kunst
und Wissenschaft (vormals Bruckmann).
Jn der voriges Jahr aus Anlaß des hundsrtjährigen
Geburtstages Leo v. Klenze's von dem Architekten Hugo
Marggraff in München arrangirten Ausstellung des dortigen
Architekten- und Jngenieurvereins sah man unter anderem
auch drei Studienblätter von der Hand L. v. Klenze's, deren
eines griechische Architekturformen darstellt, während die
beiden anderen römische Motive bshandeln. Dieselben sind
mit der äußersten Sorgfalt gezeichnet und in Wirkung gesetzt
und es dürfte das erste während Klenze's Aufenthalt in
Paris (1803) entstanden, dis beiden anderen Früchte seines
ersten Aufenthaltes in der ewigen Stadt (1805) sein. Der
junge Künstler hat auf diesen Blättern zahlreiche charakte-
ristische antike Stilformen ebenso geschmackvoll wie originell
zu anmutigen Bildsrn zusammengestellt, nachdem er die ein-
zelnsn Architekturstücke grötztenteils selber an Ort und Stelle
aufgenommen und bei der Auswahl jene bevorzugt hatts,
welche den grischischen Werken an einfacher Schönheit am
nächsten kommen. Auf dem Blatte „Griechische Baukunst"
sisht man die Südseite des Erechtheions, ein Stück dsr inne-
ren dorischen Säulenreihe des Parthenon, den Triglyphen-
fries desselben, ein ionisches Kapitäl vom Tempsl von
Priene, ein korinthisches aus dem Grabmal in Mylasa, die
sitzende Frauengestalt vom Thrasyllosdenkmal in Athen und
die kauernde Venus aus dem Nationalmuseum in Neapel in
geistvoller Anordnung als Rahmen einer Ansicht der Akro-
polis in Athen verwendet. Auf dsm Blatte „Römische Bau-
kunst" gewähren ein von Klenze unter Bsnutzung antiker
Motive komponirtes Gebäude, der Fries vom Tsmpel des
Antoyinus und Ler Faustina am römischen Forum, das Ge-