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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 10.1899

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Schmidt, Karl Eugen: Ein französischer Kunsthandwerker: François Rupert Carabin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4879#0077
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Zierleiste, gezeichnet von A. Wimmer, Leipzig.

EIN FRANZÖSISCHER KUNSTHANDWERKER
FRANCOIS RUPERT CARABIN

EINEM deutschen Künstler, den jedermann er-
kennen wird, wenn ich sage, dass er als Maler
begonnen hat, als Kupferstecher zu Ehren und
Würden gelangt ist und- seit einigen Jahren als Kunst-
handwerker d. h. als Verfertiger von farbigen Gläsern
in ätherisch zierlicher Blumenform von sich reden
macht, ist vor drei oder vier Jahren in Paris das
Folgende passiert: Vor der offiziellen Eröffnung der
Ausstellung der Societe nationale de Beaux-arts —
besser bekannt als Salon du Champ de Mars —,
deren Mitglied unser Landsmann ist, besuchte er die
Ausstellungsräume und fand hier an der Aufhängung
seiner Stiche oder vielmehr seiner Ätzungen allerlei
auszusetzen. Er hängte die Sachen also nach seinem
Gutünken um, und da er zu diesem Geschäfte Hammer,
Zange und Nägel brauchte, rief er einen gerade vor-
übergehenden Mann in Arbeitskleidung an und ver-
langte von diesem das nötige Handwerkszeug. Der
Angesprochene ging auch wirklich und brachte dem
deutschen Professor — denn es handelt sich um
einen Professor — die gewünschten Dinge. Das war
soweit nichts Besonderes, aber fünfzehn Minuten später
sah unser Landsmann den Arbeiter, der in Gesellschaft
Rodin's, Roll's und Puvis de Chavannes'die Säle durch-
schritt, mit diesen Hauptleuchten des Champ de Mars
die ausgestellten Gemälde, woran die Gesellschaft
vorüberkam, kritisierte oder belobte und offenbar von
seinen Begleitern als par inter pares behandelt wurde.
Darob erschrak der Deutsche, und sobald er einen

Bekannten erblickte, bat er ihn um Aufschluss über
die Persönlichkeit des rätselhaften Arbeiters. Und
dann ging er hin und bat den Mann in der Arbeiter-
jacke um Entschuldigung für sein Versehen, worüber
der vermeintliche Arbeiter geradezu in Erstaunen ge-
riet und entgegnete, dass da überhaupt nichts zu ent-
schuldigen sei.

Denn Frangois Rupert Carabin, um den es sich
hier handelt, ist der einfachste, bescheidenste und
natürlichste Mensch von der Welt, und wenn auf
der Strasse ein Mann den schweren Handkarren nicht
vom Fleck brächte, so würde Carabin sofort zugreifen
und mit kräftigem Schieben das Fahrzeug flottmachen,
geradeso wie er dem Kutscher behilflich ist, dessen
Pferd ausgeglitten und gestürzt oder dessen Deichsel
oder Rad gebrochen ist. Ein anderer Mensch stellt
sich in einem solchen Falle hin und sieht zu, denn
wenn er auch helfen wollte, so würde er wahrschein-
lich die Verwirrung nur grösser machen. Bei Carabin
aber ist so etwas nicht zu befürchten, denn er ist
mit allen Handleistungen vertraut, kann eine Uhr
oder eine Lokomotive auseinandernehmen oder zusam-
mensetzen, eine Dampfmaschine oder ein Segelschiff
regieren, ein Pferd beschlagen oder einen in Unord-
nung geratenen photographischen Apparat wieder zu-
rechtmachen, eine Mauer bauen oder einen Leichnam
secieren. Eines Tages traf ich ihn in seiner Werk-
statt, wo er ein selbstgezimmertes Sofa polsterte; und
als meine Kuckucksuhr nicht mehr weiter wollte,
 
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