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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 6.1911

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Bab, Julius: Von den sprachkünstlerischen Wurzeln des Dramas
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https://doi.org/10.11588/diglit.3675#0047
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II.

Von den sprachkünstlerischen Wurzeln des

Dramas.

Von
Julius Bab.

Die nachstehende Betrachtung will keine kunstphilosophische, son-
dern eine kunstwissenschaftliche sein. Das heißt, es soll nicht ver-
sucht werden, in spekulativen Metaphern den geheimnisvollen Punkt
zu umschreiben, an dem die Kräfte der Kunst entspringen. Keine
Einordnung des künstlerischen Prozesses an sich in ein System der
Begriffe oder Werte soll versucht werden. Vielmehr soll die geheim-
nisvolle Natur künstlerischer Wirkung als ein Gegebenes hingenommen
werden und unsere Betrachtung soll sich nur darauf richten, wie diese
Wirkung innerhalb eines besonderen Materials in die Erscheinung
tritt, das heißt wie eine spezielle Kunstform entsteht.

Kunstwissenschaftliche Betrachtung pflegen heißt, wie mir scheint,
die besonderen Bedingungen betrachten, die der allgemeinen künstle-
rischen Grundkraft gesetzt sind, wenn sie in einem bestimmten Material
wirksam werden will.

Diese Art wissenschaftlicher Betrachtung ist in ihrer Anwendung
auf die Poesie weder so alt noch so allgemein verbreitet noch so
rücksichtslos durchgeführt, wie sie es für andere Künste ist. Während
etwa in Bezug auf die Malerei auch der gebildete Laie heute schon weiß,
daß die Gesetze dieser Kunst lediglich aus den Elementen unseres
Sehens abzuleiten und als Gesetze der Linien und Farben auszu-
sprechen sind, wird gegenüber der Poesie, der Wortkunst, heute selbst
der Kritiker von Beruf immer wieder dabei betroffen, wie er, statt
einen ästhetischen Maßstab aus der Substanz dieser Kunst zu ge-
winnen, sein Urteil realpsychologisch begründet — als ob die Vor-
gänge eines Romans oder eines Dramas Ausschnitte der Wirklichkeits-
welt wären. Die Schwierigkeit auf diesem Gebiet kommt wohl daher,
daß die Sprache ein so allgemeines, jedermann zugängliches Material
ist, daß man es (im Gegensatz zu Farben und Linien etwa) gar nicht
mehr als besonderes Material empfindet; deshalb hält man leicht die in
ihm gestalteten Stoffe für unmittelbar wirksam. — Immerhin existiert für
 
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