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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 6.1911

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Conrad, Waldemar: Bühnenkunst und Drama, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3675#0361
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IX.

Bühnenkunst und Drama.

Von

Waldemar Conrad.

4. Das mimische Element neben dem wortsprachlichen.

Bei der theoretischen Betrachtung der Bühnenkunst ist man, wie wir
zeigten, zuerst aufmerksam geworden auf die Bedeutung des Anteils,
den die Dichtkunst an ihr hat14), tatsächlich dagegen soll historisch
das mimische Element die erste Wurzel dieser Kunstgattung gewesen
sein. Jedenfalls kommen die bildenden Künste also erst in zweiter
Linie in Betracht, und wir wollen daher von ihnen zunächst absehen.
— Trotzdem aber könnte man in Frage ziehen, ob man in der Tat,
wie im vorigen Abschnitt geschehen, diese Kunst für eine wesentlich
zeitliche ansehen darf. Denn der mimische Darsteller, der Schau-
spieler, stellt doch in erster Linie, wie Otto Ludwig wohl nicht mit
Unrecht betont, Menschen dar und nur durch sie bis zu einem
gewissen Grade und gleichsam indirekt ihre »Handlungen«.

Indessen muß man hierin Dinger (a. a. O. II, 208 f.) unbedingt recht
geben, der betont, daß in der Darstellung der Menschen im Sinne
der bildenden Künste nicht die Stärke, sondern die Schwäche der
Schauspielkunst liegt, da sie im weitesten Maße an die zufällige Ge-
stalt des betreffenden Schauspielers gebunden ist, dessen »Maske«
daher nie in Konkurrenz treten kann mit einem malerischen oder
plastischen, hochstehenden Kunstwerk. Das Ideal«, das wir bilden
wollen, werden wir uns also nicht als eine besondere Art von bilden-
der Kunst15) denken dürfen, wenn wir nicht den Boden der Wirk-
lichkeit unter den Füßen verlieren wollen, sondern wir müssen im
Auge behalten, daß die Eigenart und Stärke dieser Kunst in der zeit-
lichen Veränderungsfähigkeit — wie wir uns zunächst einmal nähe-
rungsweise ausdrücken wollen — liegt.

Anderseits ist nun aber dennoch zuzugeben, daß die Darstellung
des Menschen durch den Menschen die Grundlage aller Schauspiel-
kunst bleiben muß. Denn durch die ganz andere primäre Bedeutsam-
keit, die der Person des Schauspielers zukommt, unterscheidet sich
 
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