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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0672
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668 BESPRECHUNGEN.

Wilhelm Waetzoldt, Einführung in die bildenden Künste. Verlag
von Ferdinand Hirt u. Sohn in Leipzig, 1912; 8°. I. Bd.: XII u. 351 S., II. Bd.:
194 Abbildungen.
Die mächtigen Kämpfe, die das Entstehen und Erstarken unserer modernen
Kunstbewegung begleiteten, zeitigten ein vertieftes Nachsinnen über die Ursachen
der Stilwandlungen, über die ästhetischen und technischen Grundlagen der bilden-
den Künste und vor allem auch das Bestreben, weitere Kreise zu einer einsichts-
vollen und angemessenen Stellungnahme heranzuziehen. So entstand ein ganzer
Stab von Kunstpädagogen, die das Publikum über die Absichten und Ziele wahr-
haft künstlerischer Gestaltung unterrichten; es erwuchs ein neuer Typ von Museums-
leitern, »der sich von der mehr kunsthistorischen Spielart des 19. Jahrhunderts da-
durch unterscheidet, daß ihn das Sammlungsmaterial vor allem da interessiert, wo
es durch lebendige Fäden mit der Gegenwart verknüpft ist. Weniger als der stille
Hüter einer abgeschlossenen Sammlung kunst- und kulturhistorischer Dokumente
fühlt er sich als der Vermittler ästhetischer Werte, für die unsere Zeit empfänglich
geworden. Nicht isolieren will er, sondern verbinden. Galerien von ältestem Adel
können unter seiner Hand eine aufregende Aktualität gewinnen« (von Tschudi im
Vorwort zum Katalog der Sammlung von Nemes). Die Kunstgeschichte ward aus
einer rein historischen Disziplin zu einer ästhetisch orientierten Kunstwissenschaft,
die durch eingehende Bildanalysen das Wesen der künstlerischen Leistung und die
Eigenart des Einzelwerkes ebensosehr zu erforschen trachtet wie die großen Zu-
sammenhänge ganzer Epochen. Und nicht zuletzt erfrischte sich auch die Ästhetik
an dem warmen, neuen Kunstleben, manch alten Ballast mußte sie über Bord
werfen, um den neuen Erscheinungen gerecht zu werden; und da ist es nicht zu
verwundern, wenn manche Ästhetiker allzu einseitig auf bestimmte Kunstrichtungen
sich festlegten und auf die Theorien, die manchen Künstlerateliers entsprangen.
Besonders wirksam und verlockend haben sich da die Lehren des Kreises um Hans
von Marees erwiesen, die sicherlich aber nur auf streng begrenztem Gebiete Gel-
tung besitzen und wichtigste Kunstprobleme vernachlässigen. (Am bequemsten
sind diese Anschauungen jetzt nachzulesen bei Hermann Konnerth »Die Kunst-
theorie Konrad Fiedlers«, München 1909.) Auch Waetzoldt zeigt sich vielfach be-
einflußt von diesen Ansichten und nicht immer im günstigen Sinne. Wenn also
auch heute noch über viele und sehr wichtige Fragen keineswegs Einhelligkeit
herrscht, so sind doch durch die erstaunlich reiche Arbeit der letzten Zeit gewisse
gemeinsame Grundlagen gewonnen worden, auf denen ein jeder fußt, der in einem
innigeren Verhältnis zu unserer Kunst steht. Diesem gesicherten Boden entkeimt
nun die Saat all der Bücher, die »einführen« wollen. Was vor einem Jahrzehnt
noch als achtunggebietende Tat hätte anerkannt werden müssen, ist heute unschwer
zu leisten, wenn eine gewisse Belesenheit, Materialkenntnis und Kunstempfänglich-
keit vorhanden sind. So wie wir heute nicht mehr staunen, wenn ein junger Archi-
tekt ein anständiges Einfamilienhaus errichtet, so erscheint es uns fast selbstver-
ständlich, daß ein gebildeter Mann Kunstfragen vernünftig erörtert, wenn er beruf-
lich jahrelang sich mit ihnen beschäftigt hat. Und mehr als eine besonnene
Aussprache über gewisse bedeutsame Kunstfragen wollen auch die meisten der
»einführenden« Bücher nicht bieten. Waetzoldts Buch bietet meiner Meinung nach
nicht viel mehr. Der Anfänger wird ihm zweifellos für eine Fülle nützlicher Kennt-
nisse und anregender Betrachtungen Dank schulden, um so mehr weil dieses Buch
eine zusammenfassende Darstellung all der Fragen bringt, welche die bildenden
Künste betreffen, so daß der Laie der Mühe enthoben wird, sein Wissen aus der
Überfülle der vorhandenen Literatur allmählich zusammenzutragen. Waetzoldt gibt
 
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