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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0455
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Bemerkungen.

Vereinigung für ästhetische Forschung (1911).

In den Verhandlungen des vorigen Jahres nahm die Erörterung allgemeiner
ästhetischer Probleme und Methoden neben Beiträgen zur Ästhetik der einzelnen
Künste einen breiteren Raum in Anspruch. — Am 17. Januar 1911 berichtete Herr
rofessor H. Münsterberg von der Harvard-University in Boston über »Ästhe-
Ische Laboratoriumsexperimente auf dem Gebiet der Malerei
Poesie.« Der Vortragende will die Bearbeitung der einschlägigen Fragen mit
xperimentellen Methoden nicht als eigentliche Ästhetik angesehen wissen. Diese
geht vielmehr vom Erlebnis selbst aus, in dem die Dinge für uns noch nicht in
nysisches und Psychisches differenziert und keineswegs Gegenstände einer bloßen
rachtung smc*> sondern als Objekte unseres Willens eine teleologische Einheit
"den, der wir gerade so wie der Wirklichkeit der Dinge einen fundamentalen
wert zuschreiben. Die psychologisierende Untersuchung betrachtet sie hingegen
unter dem Gesichtspunkt einer beschreibenden und erklärenden Wissenschaft, in-
em sie das Erlebnis gleichsam rekonstruiert. Sie wird daher immer nur ein Teil
"er exakten Psychologie bleiben. Ihre Bedeutung ist jedoch unbestreitbar. Sie
llegt darin, daß wir jene Einheit zu verstehen suchen, indem wir erklären, wie,
"• h. unter welchen Bedingungen, wir im wirklichen Erlebnis etwas in die Dinge
nineinfühlen. Die bisherigen Ergebnisse solcher Untersuchungen sind bescheiden
und doch schon bedeutsam genug. Die Ästhetik ist dasjenige Gebiet der Gefühls-
psychologie, in das die experimentelle Methode am tiefsten eindringen kann, weil
"n Gegensatz zu anderen Gefühlserlebnissen das ästhetische Erlebnis auch im
Laboratoriumsexperiment beinahe seine volle Intensität behält. Anderseits ist diese
Betrachtungsweise schon ein Kapitel der angewandten Psychologie geworden.
Allerdings erfordert die Übertragung psychologischer Tatsachen in die ästhetische
Praxis die größte Vorsicht. Die ästhetische Berechtigung des künstlerischen Zieles
wird sich nie daraus ableiten lassen. Wenn wir psychologische Tatsachen be-
nutzen wollen, um dem Künstler zu sagen, mit welchen Mitteln er sein Ziel er-
reichen kann, setzen wir bereits die Kenntnis dieses Zieles voraus. Daraus folgt,
daß immer die gesamten ästhetischen Bedingungen berücksichtigt werden müssen,
d- h. daß die experimentelle Beobachtung immer die Fühlung mit der wirklichen
Kunst zu behalten suchen muß. Und das erscheint sehr wohl möglich.

Unter diesem Gesichtspunkt wurden z. B. im Laboratorium des Vortragenden
die Fragen der Symmetrie, betreffend das Gleichgewicht zweier ungleichen Hälften,
bearbeitet. Dazu diente eine metergroße schwarze Tafel, auf der sich vertikale
weiße Linien von verschiedener Länge frei bewegen ließen. Das Gleichgewichts-
gefühl pflegt bei diesen Versuchen dann einzutreten, wenn entsprechend dem Hebel-
gesetz die kleine Linie sich weit vom Mittelpunkt, die größere nahe an demselben
befindet. Das trifft jedoch bei Bildern keineswegs zu. Mit Hilfe einer großen
Zahl von Versuchspersonen wurde nun festgestellt, daß jenes Verhältnis sich bei der
 
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