Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 26.1932

DOI Artikel:
Groethuysen, Bernhard: Die "naturalistische" Ästhetik und die zeitgenössische Literatur in Frankreich
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14167#0267
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die „naturalistische" Ästhetik und die zeitgenössische
Literatur in Frankreich.

Von

Bernhard Groethuysen.

In einer eingehenden und aufschlußreichen Darstellung hat Rene
König1) die naturalistische Ästhetik in Frankreich behandelt. Er hat
damit einen Umkreis von Problemen beleuchtet, die nicht nur für die
Kunstphilosophie, sondern auch für die Entwicklung der modernen fran-
zösischen Literatur, im besonderen des Romans und seiner Stellung inner-
halb der zeitgenössischen Kunst von entscheidender Bedeutung sind.
Über diese Probleme sei hier in Anschluß an die Schrift Königs zur
Klärung der ästhetischen Lage der französischen Literatur einiges aus-
geführt. Wenn dabei im folgenden der Ausdruck „naturalistische Ästhe-
tik" beibehalten wird, so muß man sich dabei stets gegenwärtig halten,
daß damit der Umkreis der in Betracht kommenden Phänomene nur un-
vollkommen bezeichnet ist. Vielleicht wäre es überhaupt besser, hier von
„realistisch-naturalistischen" Tendenzen zu sprechen, und, wie wir noch
sehen werden, den Naturalismus im engeren Sinne als eine besondere
Bewegung innerhalb des Gesamtumkreises dieser Tendenzen zu erfassen.
Wie dem auch sei, jedenfalls handelt es sich hier um eine Entwicklung,
der zwar gewisse typische Grundzüge eigen sind, die sich aber nicht auf
eine einfache Formel bringen läßt, wie sie etwa einer eindeutig zu be-
stimmenden philosophischen Weltanschauung entsprechen würde. Dilthey
spricht einmal von dem Wirklichkeitsbedürfnis seiner Zeit. Dieses Wirk-
lichkeitsbedürfnis kann auch als Grundmotiv dieser ganzen Entwicklung
angesehen werden. Dabei ist es aber nun charakteristisch, daß dieses
Streben nach Wirklichkeit dahin tendiert, die Kunst gewissermaßen
über sich selbst hinauszuführen. Was der Künstler sucht, meint der
„naturalistische" Ästhetiker, kann er nicht in dem der Kunst eigenen
Wertbereich finden, sondern er muß dazu sich heterogene Werte zu eigen
machen. Wie man von einer Säkularisierung religiöser Werte in der Neu-

x) Rene König: Die naturalistische Ästhetik in Frankreich und ihre Auf-
lösung. 1931.
 
Annotationen