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Winghart, Stefan; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg bei Hameln: Diskussion über eine zentrale Stätte nationalsozialistischer Selbstinszenierung — Hameln: Niemeyer, Heft 36.2010

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Marszolek, Inge: Der Bückeberg - ein heterotoper Erinnerungsort
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https://doi.org/10.11588/diglit.51156#0071
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Inge Marszolek

Der Bückeberg - ein heterotoper Erinnerungsort

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1 Nürnberg. Tribüne des Zeppelinfeldes auf dem Reichsparteitagsgelände Nürnberg 2009.


welsburg als Kultstätte der SS - die Spuren dieser
Hinterlassenschaft verwischt.
Der Bückeberg ist kein Ort, an dem Verbrechen un-
mittelbar geschahen. Es handelt sich hier weder um
einen Ort der Täter, soweit wir hierunter einen Ort des
Verbrechens der Nationalsozialisten verstehen, noch
um einen Ort der Verfolgung beziehungsweise der
Opfer. Das Reichserntedankfest war implementiert in
den nationalsozialistischen Festtagskalender, und es
diente der Inszenierung und wohl auch Stabilisierung
der NS-Volksgemeinschaft. Dieses Massenspektakel
des Reichserntedankfestes richtete sich an die Land-
bevölkerung - es sollte ihr signalisieren, dass das Re-
gime die Leistung der Bauern und der Landarbeiter
anerkannte. Insofern reihte es sich ein in eine Reihe
anderer, auch eher regional geprägter ländlicher
Inszenierungen, wie etwa auf dem Bookholzberg im
Oldenburgischen, wo die Erinnerung an die ,Stedings-
ehre', also an den Aufstand der Bauern aus dem Jahre
1234 gegen Unterdrückung und Willkürherrschaft, im
nationalsozialistischen Sinne umgedeutet wurde und
eine nationalsozialistische Kultstätte entstand.7 Zu
nennen sind hier auch weitere kleinere Stätten wie
der Sachsenhain bei Verden, die Externsteine bei Bü-
ren in Ostwestfalen oder der so genannte Land-
tagsplatz (Thingplatz) bei Hösseringen bei Lüneburg.
Während diesen Stätten gemeinsam war, dass sie ger-
manische beziehungsweise mittelalterliche Ereignisse
im Sinne eines germanisierenden Blut- und Boden-
Mythos umdeuteten oder überhöhten, galt die Be-
mächtigung des 1. Mai 1933 der Befriedung der Ar-
beiter beziehungsweise ihrer Integration in die .Volks-
gemeinschaft'.8 Prominentester Ort der NS-Massen-
inszenierung ist zweifellos das Reichsparteitagsge-

lände in Nürnberg, das sich durch den Film von Leni
Riefenstahl „Triumph des Willens" tief ins Bilderge-
dächtnis der Deutschen eingebrannt hat. All diese
Orte gerieten erst in jüngster Zeit in den Fokus der
Denkmalpflege beziehungsweise wurden an ihnen
Dokumentationsstätten eingerichtet.9 So fanden im
Zeitraum 2001 bis 2006 drei Tagungen, unter ande-
rem finanziert von der Stiftung niedersächsischen Ge-
denkstätten beziehungsweise der Landeszentralen für
politische Bildung Bremen und Niedersachsen, mit
dem Titel „Kult - Mythos - Terror" zu NS-Orten in
Bremen und Niedersachsen statt. Im Jahr 2002 stand
das Reichserntedankfest selber im Zentrum. Gemein-
sam ist diesen Orten der NS-lnszenierung, dass sie alle
in den Alltag der Dörfer und Städte eingebunden
waren. Gerade die Kultstätten im ländlichen Bereich
gaben den Dorfgemeinschaften das Gefühl, zumin-
dest einmal im Jahr zum „mythischen Kraftort" zu
werden, der Menschen aus dem gesamten Reich an-
zog.
Die Inszenierung, die Bilder und der Ort
Auf dem Bückeberg wurde, wie das Eingangszitat
deutlich zeigt, die Verschmelzung des Führers mit sei-
nen Volksgenossen zelebriert. Das heißt, das Massen-
spektakel des Reichserntedankfests stiftete - wie an-
dere Massenfeste - ein emotionales Vergemeinschaf-
tungserlebnis. Damit verbunden war die Stiftung ei-
nes Nationalbewusstseins, dass die Stärke und (militä-
rische) Überlegenheit des nationalsozialistischen
Deutschlands zelebrierte. Zugleich wurde durch die
Feier des bäuerlichen Erntedankfestes die Vorstellung
von Heimat mit den völkischen Wurzeln des National-
sozialismus aufgeladen. Albert Speers gewaltförmige
 
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