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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Umgang mit dem Original — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 7.1988

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Kloß, Klaus-Peter; Schneider, Ursula; Roseneck, Reinhard: Arbeitsgespräch: Industriebau
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https://doi.org/10.11588/diglit.51140#0101
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3 Tiefer Julius-Fortunatus-Stollen. Von 1486-1585 geschlagener
Wasserlösungsstollen.

hat, aus Röders Zeit erhalten. Dieses Kehrrad gehört zu den
bedeutendsten Denkmalen des deutschen Bergbaues. Von
der Kehrrad-Stube floß das Aufschlagwasser zum oberen
Kunstrad, das Röder unmittelbar unter dem Kehrrad angeord-
net hatte. Das Kunstrad ist ebenfalls erhalten geblieben
(Abb. 4).
Die letzte Anlaufstelle des Aufschlagwassers, bevor es über
den Rathstiefsten Stollen abfloß, war das untere Kunstrad, das
nicht mehr an Ort und Stelle erhalten ist. Die Radstube, in
deren Nähe das Feuergezäher Gewölbe liegt, ist jedoch erhal-
ten, wie auch die Strecke zum Rathstiefsten Stollen. Um das
Jahr 1900 wurden der gesamte Bergbaubetrieb auf elektri-
sche Energie umgestellt und am Fuße des Rammeisberges
neue Tagesanlagen erstellt. So wurde in den Jahren 1901 und
1902 ein neues Verwaltungsgebäude errichtet, das erhalten
ist.
Im Jahre 1906 wurde die in den Hang hineingebaute elektri-
sche Zentrale fertiggestellt. Das in neoromanischen Formen
errichtete Gebäude besitzt durch seine für einen Industriebau
sehr qualitätvolle und aufwendige Gestaltung einen repräsen-
tativen Charakter, welcher der Bedeutung des Gebäudes als
Kraftquelle des gesamten Bergwerkes Ausdruck verleihen
sollte.
Die bedeutendste Maßnahme zur Effektivierung des Bergbau-
betriebes war die Schaffung eines neuen Schachtes, auf den
die gesamte Förderung verlegt werden sollte. Im Jahr 1905 be-
gannen weit im Berg, 550 m vom Mundloch der Tagesförder-
strecke entfernt, die Abteufarbeiten für einen neuen „Richt-
schacht“, der als Blindschacht zunächst auf 300 m Tiefe nie-
dergebracht wurde. Der Richtschacht ist heute noch erhalten
und dient nach wie vor der Seilfahrt und dem Materialtransport
im Bergwerk.

Im Gegensatz zu den Oberharzer Erzen war eine Aufbereitung
der Rammeisberger Erze aufgrund ihrer äußerst feinen Ver-
wachsung bis zum Jahre 1935 nicht möglich. Bis dahin wurde
das geförderte Erz lediglich nach Körnungen sortiert, anson-
sten jedoch unaufbereitet zu den Hütten transportiert. Als kurz
nach 1900 im Ausland das Verfahren der Flotation, also der
Trennung unterschiedlicher Erzqualitäten, eingeführt worden
war, wurden auch für das Rammeisberger Erz umfangreiche
Versuche durchgeführt, die in den Jahren 1934/35 erfolgreich
waren. Um jedoch das neue Verfahren der Allflotation auch am
Rammeisberg einsetzen zu können, war der Bau einer neuen
Erzaufbereitungsanlage erforderlich. Einhergehend mit der
Errichtung dieser Aufbereitungsanlage mußten völlig neue Ta-
gesanlagen geschaffen werden.
Die Tagesanlagen des Rammeisberges wurden von Prof. Dr.
Fritz Schupp gemeinsam mit seinem Partner Martin Kremmer
entworfen und seit dem Jahre 1935 baulich realisiert (Abb. 5).
Die Architekten standen vor der schwierigen Aufgabe, ihre
Architektur sowohl den technischen Vorgängen des Betriebs-
ablaufes als auch den reizvollen landschaftlichen Gegebenhei-
ten entsprechend zu gestalten. Als besonderes Problem
erwies sich dabei die Hanglage des gesamten Neubaukom-
plexes. Die architektonische Lösung muß ohne Einschrän-
kung als herausragend eingeschätzt werden.
Das oberste Niveau der neuen Tagesanlagen war den Archi-
tekten durch die Hängebank des im Jahre 1936 abgeteuften
Rammeisbergschachtes vorgegeben. Dieser neue Schacht
schaffte die Voraussetzung für die Konzeption der neuen Auf-
bereitungsanlage, da er als neuer Hauptförderschacht das ge-
samte, in der Grube gewonnene Erz auf das Niveau hob, von
dem aus es dem natürlichen Gefälle folgend, bergab lief.


4 Röderstollensystem. Kunstrad in der Oberen Kunstrad-Stube, um
1800.

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