zugänglich sind. Wenn ein ungenütztes Haus, wie hier das Pa-
trizierhaus Am Ochsenmarkt 1, zur Verfügung steht, dann ist es
der Bauforschung leicht zugänglich. Aber eine Kathedrale in
Funktion ist auch der Bauforschung aus den verschiedensten
Gründen nicht so leicht zugänglich. Auch in diesem Fall wird
der Inventarisator den Finger heben und relativierend in das
Gespräch eintreten.
Das Fazit meines Diskussionsbeitrages ist ein sehr einfaches.
Der Umgang mit dem Denkmal ist ein Gefüge von Zirkeln. Das
meine ich in jedem Sinne, den Kaffeezirkel, in dem sich Baufor-
scher und Inventarisatoren unterhalten, ebenso wie den Zirkel
als logische Figur. Jede neue Entdeckung, jeder praktische
Anspruch setzt einen solchen Gedankenzirkel in Bewegung.
Daraus ergibt sich, daß es unmöglich ist, irgendeine Methode
des Umganges mit dem Denkmal absolut zu sehen. Daraus er-
gibt sich ferner, daß es nirgendwo in der Denkmalpflege, in der
wir es mit Erzeugnissen des Menschen zu tun haben, Dinge
gibt, die mit überindividuellen Regeln erfaßt werden können.
All dies lehrt uns im gegenseitigen Gespräch ebenso wie im
Umgang mit den Originalen selbst Bescheidenheit und Pietät.
Inventarisation und Öffentlichkeit
Walter Wulf
Seit Riegl und Dvorak ihre vom erkenntnistheoretischen Den-
ken beeinflußten Gedanken formulierten und damit die Mög-
lichkeit und Notwendigkeit zu einer Objektivierung des Denk-
malbegriffes aufzeigten, seit die Geschichtswissenschaft mit
einem neuen Selbstverständnis sich von der Ereignis- und Per-
sonengeschichte stärker dem historischen Alltag und seinen
Zeugnissen und Dokumenten zugewandte und damit ganz
neue Bereiche für die historischen Wissenschaften erschlos-
sen hat, war die Denkmalpflege aufgefordert, sich dieser Ent-
wicklung zu stellen und ihrerseits neue gültige und nachvoll-
ziehbare Ziele für ihre theoretische und praktische Arbeit zu for-
mulieren. Dabei kam der Inventarisation vor allem die Aufgabe
zu, neue Denkmalwerte zu definieren und daraus neue Denk-
malerkenntnis zu gewinnen und zu vermitteln.
Betrachtet man die Entwicklung aus der Gegenwart, so kann
gesagt werden, daß das Fach im Selbstverständnis mit seiner
Aufgabe dieses Problem zwar intern bewältigt hat, daß es aber
noch nicht gelungen ist, einer breiten Öffentlichkeit Ziele und
Notwendigkeiten von Denkmalpflege darzustellen, dem Bür-
ger Inhalt und Bedeutung eines Kulturdenkmals so überzeu-
gend darzulegen, daß er unsere Sache zu der seihen gemacht
hat.
Zwar zeugen die Denkmalschutzgesetze der 70er Jahre von
der Aufgeschlossenheit der Gesellschaft und ihrer politischen
Repräsentanten, zu diesem Zeitpunkt Denkmalschutz und
-pflege als gesellschaftliches Anliegen ernstzunehmen und
entsprechend zu legitimieren. Doch ist die Umsetzung gesetz-
licher Vorgaben in der Öffentlichkeit wirklich gelungen? Ist
Denkmalpflege im Sinne des Wortes - nicht im Sinne des ge-
setzlichen Begriffs - ein „öffentliches Interesse“, ein Anliegen
aller - der Denkmaleigentümer, der zuständigen Verwaltun-
gen, der entscheidenden Juristen und nicht zuletzt der Polikti-
ker?
Nach aller Erfahrung, nach allen Schwierigkeiten, denen wir
uns gegenüber sehen - und dabei meine ich ebenso die alltäg-
lichen Konflikte um Veränderung und Erhaltung wie den
Grundkonsens um die Frage, was denn nun eigentlich ein Kul-
turdenkmal sei und welcher Stellenwert seiner Existenz zu-
kommt, muß man diese Frage verneinen. Es scheint, daß eben
die Gesellschaft, die die Denkmalpfleger als Mentoren für jene
Objekte eingesetzt hat, die sie als Bedeutungsträger ihrer ge-
schichtlichen Identität und ihrer kulturellen Tradition bewahrt
sehen will, von diesen Denkmalpflegern über den Sinn und vor
allem über die Inhalte dieses Anliegens und dieser Aufgabe
nicht hinreichend überzeugt werden konnte.
Dem schnellen Verwaltungsvollzug, aber auch dem besseren
Zugriff der Denkmalpflege sollten die in allen Denkmalschutz-
gesetzen geforderten Verzeichnisse dienen. Also war seit den
frühen 70er Jahren die Arbeit der Inventarisation auf das Ziel
gerichtet, so schnell wie möglich die Grundlagen für diese Ver-
zeichnisse Zusammentragen, mit unterschiedlichen Metho-
den und Ergebnissen; es seien hier nur drei genannt:
1. Bayern mit einer ganz auf knappste Information hin ausge-
richteten Methode mit dem Ziel schnellen Abschlusses -
ein Verfahren, das abgeschlossen und im Ergebnis als Liste
dokumentiert vorliegt, dem nachrichtlichen Charakter der
bayerischen Verzeichnisse Rechnung trägt und offenbar in
der Öffentlichkeit akzeptiert ist.
2. Hessen mit einem zunächst auf Begründungen abgesicher-
ten konstitutiven System, das der Notwendigkeit der Eintra-
gung ins Denkmalbuch Rechnung tragen sollte, mit der
Konsequenz einer Änderung eben gerade dieser Form zur
Nachrichtlichkeit und der damit offenen Möglichkeit durch
Schnellinventarisation zu einer beschleunigten Aufstellung
der Liste zu kommen.
3. Schließlich Niedersachsen mit einer Methode, deren offe-
nes Karteisystem der Grunderkenntnis einer kontinuierli-
chen, immerwährenden Inventarisation Rechnung tragen
sollte und die zunächst alle Voraussetzungen zur Aufstel-
lung des geforderten nachrichtlichen Verzeichnisses er-
füllte, qualitativ jedoch zwischenzeitlich wiederum aus Zeit-
gründen zurückgenommen werden mußte.
Gemeinsam ist allen Beispielen der Zeitfaktor, dessen Einhal-
tung immer als außerordentlich bedeutsam angesehen wurde
- aus bekannten Gründen, die wir hier nicht weiter erörtern
wollen. Die Inventarisation war also in jüngster Zeit immer ge-
halten, ihre Aufgabe so zügig wie irgend möglich abzuwickeln
unter Preisgabe auch inhaltlicher Ansprüche. Die Ergebnisse-
in knappster Form listenartig gefaßt - gaben jedoch nur ein
rasterhaftes Abbild der Denkmale, Denkmalerkenntnis im
eigentlichen Sinne vermittelten sie nürgrob.
Die Öffentlichkeit war enttäuscht - mit Recht. Sensibilisiert
durch eine demokratische Verwaltungspraxis und gewohnt, in
allen Verfahren der Regionalplanung mitbeteiligt zu werden,
reagierte sie verständnislos und ablehnend. Sie mußte so rea-
gieren, weil ihr die Begründung über die Denkmalbedeutun-
gen vorenthalten wurden. Erklären und deuten erzeugen Ver-
ständnis und Bereitschaft zur Selbstverantwortung. Und ge-
rade auf dem erlebenden Nachvollzug unserer Begriffe und Er-
kenntnisse, auf das sich Erschließen des Denkmals für den
einzelnen sind wir angewiesen, wenn wir Partner suchen.
Zudem liegt die Inventarisation bei der Darlegung ihrer Sache
im Wettbewerb mit anderen Belangen öffentlichen Interesses,
die sich sehr viel geschickter- nicht zuletzt mit den Mitteln zeit-
113
trizierhaus Am Ochsenmarkt 1, zur Verfügung steht, dann ist es
der Bauforschung leicht zugänglich. Aber eine Kathedrale in
Funktion ist auch der Bauforschung aus den verschiedensten
Gründen nicht so leicht zugänglich. Auch in diesem Fall wird
der Inventarisator den Finger heben und relativierend in das
Gespräch eintreten.
Das Fazit meines Diskussionsbeitrages ist ein sehr einfaches.
Der Umgang mit dem Denkmal ist ein Gefüge von Zirkeln. Das
meine ich in jedem Sinne, den Kaffeezirkel, in dem sich Baufor-
scher und Inventarisatoren unterhalten, ebenso wie den Zirkel
als logische Figur. Jede neue Entdeckung, jeder praktische
Anspruch setzt einen solchen Gedankenzirkel in Bewegung.
Daraus ergibt sich, daß es unmöglich ist, irgendeine Methode
des Umganges mit dem Denkmal absolut zu sehen. Daraus er-
gibt sich ferner, daß es nirgendwo in der Denkmalpflege, in der
wir es mit Erzeugnissen des Menschen zu tun haben, Dinge
gibt, die mit überindividuellen Regeln erfaßt werden können.
All dies lehrt uns im gegenseitigen Gespräch ebenso wie im
Umgang mit den Originalen selbst Bescheidenheit und Pietät.
Inventarisation und Öffentlichkeit
Walter Wulf
Seit Riegl und Dvorak ihre vom erkenntnistheoretischen Den-
ken beeinflußten Gedanken formulierten und damit die Mög-
lichkeit und Notwendigkeit zu einer Objektivierung des Denk-
malbegriffes aufzeigten, seit die Geschichtswissenschaft mit
einem neuen Selbstverständnis sich von der Ereignis- und Per-
sonengeschichte stärker dem historischen Alltag und seinen
Zeugnissen und Dokumenten zugewandte und damit ganz
neue Bereiche für die historischen Wissenschaften erschlos-
sen hat, war die Denkmalpflege aufgefordert, sich dieser Ent-
wicklung zu stellen und ihrerseits neue gültige und nachvoll-
ziehbare Ziele für ihre theoretische und praktische Arbeit zu for-
mulieren. Dabei kam der Inventarisation vor allem die Aufgabe
zu, neue Denkmalwerte zu definieren und daraus neue Denk-
malerkenntnis zu gewinnen und zu vermitteln.
Betrachtet man die Entwicklung aus der Gegenwart, so kann
gesagt werden, daß das Fach im Selbstverständnis mit seiner
Aufgabe dieses Problem zwar intern bewältigt hat, daß es aber
noch nicht gelungen ist, einer breiten Öffentlichkeit Ziele und
Notwendigkeiten von Denkmalpflege darzustellen, dem Bür-
ger Inhalt und Bedeutung eines Kulturdenkmals so überzeu-
gend darzulegen, daß er unsere Sache zu der seihen gemacht
hat.
Zwar zeugen die Denkmalschutzgesetze der 70er Jahre von
der Aufgeschlossenheit der Gesellschaft und ihrer politischen
Repräsentanten, zu diesem Zeitpunkt Denkmalschutz und
-pflege als gesellschaftliches Anliegen ernstzunehmen und
entsprechend zu legitimieren. Doch ist die Umsetzung gesetz-
licher Vorgaben in der Öffentlichkeit wirklich gelungen? Ist
Denkmalpflege im Sinne des Wortes - nicht im Sinne des ge-
setzlichen Begriffs - ein „öffentliches Interesse“, ein Anliegen
aller - der Denkmaleigentümer, der zuständigen Verwaltun-
gen, der entscheidenden Juristen und nicht zuletzt der Polikti-
ker?
Nach aller Erfahrung, nach allen Schwierigkeiten, denen wir
uns gegenüber sehen - und dabei meine ich ebenso die alltäg-
lichen Konflikte um Veränderung und Erhaltung wie den
Grundkonsens um die Frage, was denn nun eigentlich ein Kul-
turdenkmal sei und welcher Stellenwert seiner Existenz zu-
kommt, muß man diese Frage verneinen. Es scheint, daß eben
die Gesellschaft, die die Denkmalpfleger als Mentoren für jene
Objekte eingesetzt hat, die sie als Bedeutungsträger ihrer ge-
schichtlichen Identität und ihrer kulturellen Tradition bewahrt
sehen will, von diesen Denkmalpflegern über den Sinn und vor
allem über die Inhalte dieses Anliegens und dieser Aufgabe
nicht hinreichend überzeugt werden konnte.
Dem schnellen Verwaltungsvollzug, aber auch dem besseren
Zugriff der Denkmalpflege sollten die in allen Denkmalschutz-
gesetzen geforderten Verzeichnisse dienen. Also war seit den
frühen 70er Jahren die Arbeit der Inventarisation auf das Ziel
gerichtet, so schnell wie möglich die Grundlagen für diese Ver-
zeichnisse Zusammentragen, mit unterschiedlichen Metho-
den und Ergebnissen; es seien hier nur drei genannt:
1. Bayern mit einer ganz auf knappste Information hin ausge-
richteten Methode mit dem Ziel schnellen Abschlusses -
ein Verfahren, das abgeschlossen und im Ergebnis als Liste
dokumentiert vorliegt, dem nachrichtlichen Charakter der
bayerischen Verzeichnisse Rechnung trägt und offenbar in
der Öffentlichkeit akzeptiert ist.
2. Hessen mit einem zunächst auf Begründungen abgesicher-
ten konstitutiven System, das der Notwendigkeit der Eintra-
gung ins Denkmalbuch Rechnung tragen sollte, mit der
Konsequenz einer Änderung eben gerade dieser Form zur
Nachrichtlichkeit und der damit offenen Möglichkeit durch
Schnellinventarisation zu einer beschleunigten Aufstellung
der Liste zu kommen.
3. Schließlich Niedersachsen mit einer Methode, deren offe-
nes Karteisystem der Grunderkenntnis einer kontinuierli-
chen, immerwährenden Inventarisation Rechnung tragen
sollte und die zunächst alle Voraussetzungen zur Aufstel-
lung des geforderten nachrichtlichen Verzeichnisses er-
füllte, qualitativ jedoch zwischenzeitlich wiederum aus Zeit-
gründen zurückgenommen werden mußte.
Gemeinsam ist allen Beispielen der Zeitfaktor, dessen Einhal-
tung immer als außerordentlich bedeutsam angesehen wurde
- aus bekannten Gründen, die wir hier nicht weiter erörtern
wollen. Die Inventarisation war also in jüngster Zeit immer ge-
halten, ihre Aufgabe so zügig wie irgend möglich abzuwickeln
unter Preisgabe auch inhaltlicher Ansprüche. Die Ergebnisse-
in knappster Form listenartig gefaßt - gaben jedoch nur ein
rasterhaftes Abbild der Denkmale, Denkmalerkenntnis im
eigentlichen Sinne vermittelten sie nürgrob.
Die Öffentlichkeit war enttäuscht - mit Recht. Sensibilisiert
durch eine demokratische Verwaltungspraxis und gewohnt, in
allen Verfahren der Regionalplanung mitbeteiligt zu werden,
reagierte sie verständnislos und ablehnend. Sie mußte so rea-
gieren, weil ihr die Begründung über die Denkmalbedeutun-
gen vorenthalten wurden. Erklären und deuten erzeugen Ver-
ständnis und Bereitschaft zur Selbstverantwortung. Und ge-
rade auf dem erlebenden Nachvollzug unserer Begriffe und Er-
kenntnisse, auf das sich Erschließen des Denkmals für den
einzelnen sind wir angewiesen, wenn wir Partner suchen.
Zudem liegt die Inventarisation bei der Darlegung ihrer Sache
im Wettbewerb mit anderen Belangen öffentlichen Interesses,
die sich sehr viel geschickter- nicht zuletzt mit den Mitteln zeit-
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