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Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Umgang mit dem Original — Hannover: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt, Heft 7.1988

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Exkursionsberichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.51140#0138
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die Teilnehmer mit dem ehemaligen Pfarrwitwenhaus ein noch
in landwirtschaftlicher Nutzung befindliches kleines Zweistän-
derflettdielenhaus aus dem Jahre 1674 zu sehen. In Gegen-
überstellung zu einem anderen zum Ferienhaus mit Einlieger-
wohnung umgebauten Zweiständerbau nahebei wurden die
kaum lösbaren Probleme diskutiert, die mit der auf Dauer
zwangsläufigen Umnutzung dieser letzten in ungebrochener
Tradition stehenden Gebäude verbunden sind. Der Erhalt der
Denkmaleigenschaften dürfte nur selten gelingen.
Ein gerade im Umbau befindlicher Zweiständerbau von statt-
lichen Ausmaßen (14,5x32 m) wurde in Vogelsang (Stadt
Bleckede) als nächstes Ziel angesteuert. Der Wirtschaftsteil,
der bereits früher zum Flett mit einer massiven Wand abge-
grenzt worden war, wird als Möbeltischlerei und Holzbildhauer-
werkstatt von einem jungen Ehepaar in Eigenleistung herge-
richtet. Trotz notwendiger Auflagen der Gewerbeaufsicht (z. B.
Befensterung) und des Brandschutzes (Verkleidung der Dek-
ken), kann ein einigermaßen denkmalverträgliches Projekt
erhofft werden, dessen Bedeutung in diesem periphären Ort
nicht hoch genug eingeschätzt werden darf.

Die abschließende Besichtigung galt einem kleinen Zweistän-
derflettdielenhaus in Breetze (Stadt Bleckede). Das Ge-
bäude, das abseits vom Dorf gelegen ist, hatte in der Vergan-
genheit bereits seine Nebengebäude verloren. Das Gelände
war parzelliert worden, und es drohte der Würgegriff der Einfa-
milienhaussiedlung. Diese Gefahr scheint abgewendet zu
sein. Die Reperatur wird in kleinsten Schritten unternommen.
Der Berater des Bauherren ist Museumspädagoge am Land-
wirtschaftsmuseum Hösseringen und aktives Mitglied in der
Interessengemeinschaft Bauernhaus e.V. (IGB). Diese größte
rein private Selbsthilfeorganisation im Bereich der ländlichen
Baudenkmalpflege konnte an dem Beispiel treffend ihre Vorge-
hensweise verdeutlichen.
Unübersehbar blieb den Teilnehmern dieser Exkursion die Be-
grenztheit der staatlichen Denkmalpflege - zumal ohne finan-
zielle Beihilfen - durch reines Verwaltungshandeln zu Erfolgen
zu kommen. Wenn es nicht gelingt, das Interesse vor Ort sozu-
sagen durch Basisarbeit zu mobilisieren, auch mit der Gefahr,
daß da oder dort hehre Grundsätze konservatorischen Den-
kens verletzt werden, wird sich für die Überbleibsel der ländli-
chen Baukultur der Vergangenheit keine Chance ergeben.

Kloster Lüne

Zum abendlichen Abschluß des Exkursionsnachmittags trafen
sich die beiden Gruppen in Kloster Lüne. Der Rundgang durch
die wichtigsten Räume des Klosters diente nicht nur dem Ken-
nenlernen dieses hochwertigen Baudenkmals, die informative
Führung der Stiftsdamen gab den Landesdenkmalpflegern
auch Gelegenheit zu einem Einblick in die lebendigeTraditions-
pfiege dieses 1562 der Reformation angeschlossenen und seit
1711 als adeliges Damenstift fortgeführten Klosters.
In der Brunnenhalle begrüßte die Äbtissin Frau Gossling als
Gastgeberin die Gäste.


1 Kloster Lüne. Die Äbtissin Luise Gossling begrüßt an der Kloster-
pforte die Landesdenkmalpfleger Prof. Dr. Hans-Herbert Möller und
Prof. Dr. August Gebeßler.

Dann sprach Ministerialdirigent Hans-Gerd Rotermund vom
Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst:
„Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Gebeßler,
sehr verehrte Damen, meine Herren!
Zum Beginn Ihrer Jahrestagung am vergangenen Montag hat
es sich Herr Minister Dr. Cassens nicht nehmen lassen, Sie
persönlich zu begrüßen. Dies war nicht nur die Wahrnehmung
einer beliebigen Amtspflicht, sondern Zeichen des Engage-
ments für die Denkmalpflege und Anerkennung der Arbeit de-
rer, die für diese hochrangige gesellschaftliche Aufgabe tätig
sind. Ich kann Ihnen daher versichern, daß Herr Minister Dr.
Cassens heute abend gern noch einmal mit Ihnen zusammen-
getroffen wäre; die Kabinettsberatungen über den Haushalt
1988 lassen dies leider nicht zu. So fällt es mir zu, der Freude
darüber Ausdruck zu geben, daß die Tagungsteilnehmer und
zahlreiche Gäste der Einladung der Niedersächsischen Lan-
desregierung gefolgt sind. Mein besonderer Dank gilt Ihnen,
sehr geehrte Frau Äbtissin Gossling, für die Gastfreundschaft,
mit der Sie uns hier auf geschichtsträchtigem Boden im Klo-
ster Lüne empfangen haben.
Dieses Kloster, meine Damen und Herren, ist eines von sechs
Nonnenklöstern der Heide, die nach der Reformation in evan-
gelische Damenstifte umgewandelt wurden, in denen die un-
verheirateten Töchter des lüneburgischen Adels ihre Versor-
gung fanden. 1172 gegründet, nach zwei Bränden am jetzigen
Platz um 1380 wiederaufgebaut, haben die Klostergebäude ihr
mittelalterlich gotisches Gepräge bis heute bewahrt; davon
konnten Sie sich auf Ihrem Rundgang überzeugen. Nach der
Sage soll nach dem zweiten Brand ein Esel den hungernden
Nonnen jeden Tag Brotkorn gebracht haben. Dort, wo die Non-
nen das Tier fanden, entstand dann das Kloster. Eine Glas-
malerei im Kreuzgang erinnert an diese Sage, ebenso wie ein
Bild auf dem Sybillenteppich des Klosters.
Heute birgt das Kloster mit den Altarbecken und Hungertü-
chern aus dem 13. und 14. Jahrhundert sowie den hand-
geknüpften Bildteppichen und Wandlaken aus dem 15. und
16. Jahrhundert wertvolle Kostbarkeiten, die weit über die Lan-

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