Die spätgotische Wandmalerei im Refektorium des Klosters Lüne
Paul-Uwe Dietzsch/Birgit Neumann-Dietzsch
Seit spätestens 1956 war bekannt, daß an dieser Wand unter
mehreren Anstrichschichten spätgotische Malerei erhalten ge-
blieben ist. Damals wurde ein Bildbereich von ca. 4,5 m2 mit
Darstellungen des Hl. Christophorus, eines Bischofs und des
Hl. Gregor freigelegt. Allerdings sind hier nur etwa ein Drittel
der Originalsubstanz erhalten geblieben und befinden sich
heute in einem äußerst bedenklichen Zustand. Dem damali-
gen Restaurierungsbericht zufolge war die restliche Wandflä-
che (22m x 1,80 m) nahezu vollständig von jüngeren Schichten
bedeckt, die nur an wenigen Stellen abgefallen waren und die
spätgotische Malerei Sichtbarwerden ließen.
30 Jahre später lag die Malerei, bedingt durch starke Oberflä-
chenspannungen, bereits zu etwa 30 % frei; es zeigten sich
weitere Bereiche mit Blattwerkornamentik und Heiligenfiguren
von hervorragender Qualität und einem wohl einmaligen Um-
fang. Allerdings drohte der Grundputz samt Malerei abzufal-
len. Die Malschicht selbst machte einen sehr desolaten Ein-
druck und war stark verbräunt. Aufgrund dieses bedenklichen
Gesamtzustandes wurde 1986 eine Voruntersuchung eingelei-
tet. Ziel war, Ausmaß und Ursache der Schäden festzustellen,
den Bestand der Schichten zu untersuchen und ein Konservie-
rungs- bzw. Restaurierungskonzept zu erarbeiten.
Da sämtliche Überstriche als ständige Ursache für die Zerstö-
rung und den Verfall der Malerei zu werten waren, war es un-
umgänglich, diese zunächst im linken Bereich abzutragen.
Eine weitere akute Gefahr bestand in dem stark abgängigen,
sich in großen Schollen-zum Teil bis zu 1,5 m2-abhebenden
Grundputz. Hierzu hatten sich zwischen Mauer und Putz Hohl-
räume von 1 -4 cm gebildet. So galt es, weitere tiefergehende
Untersuchungen zunächst zurückzustellen, um in erster Linie
Sicherungsmaßnahmen einzuleiten
Zu Beginn der Arbeiten mußte der Putz im gesamten Wand-
bereich so konserviert und vorgefestigt werden, daß ein ge-
fahrloser Ausbau der die Malereien seit der Barockzeit verstel-
lenden Zwischenwände und Regale zu gewährleisten war. Im
weiteren Verlauf beschränkten sich alle Maßnahmen vorerst
auf die linke Wandhälfte. Trotz aufstehender Malschicht ließen
sich die darüber liegenden Schichten aufgrund des trennen-
den Ölfirnisses ohne geringsten Substanzverlust relativ pro-
blemlos auf mechanischem Wege abnehmen. Die schüsselför-
mig aufstehende Malschicht wurde systematisch angelegt
und gefestigt. Erst dann konnten Injektionen von Kalkkasein
mit einem Füller unter Zuhilfenahme von Stützvorrichtungen
vorgenommen werden, um einen festen Verbund von Putz und
Mauerwerk wiederherzustellen. Gleichzeitig wurden Fehlstel-
len im Putz geschlossen. Nach der Abnahme des dunkel glän-
zenden Firnisses - was bisher zu einer Hälfte geschehen ist -
kann von einem hervorragenden Erhaltungszustand der Male-
rei gesprochen werden. Retuschen sind kaum nötig. Sie wer-
den hauptsächlich in den wenigen Bereichen mit Neuausput-
zungen zurückhaltend im Grundton durchgeführt.
Während der Freilegungsarbeiten zeigten sich in einem 50 cm
breiten Streifen unterhalb der linken Bildhälfte weitere, nicht
zum Bild gehörende Ornamente in Form von Palmenwedeln,
rot und grün auf hellem Grund. Es ist eindeutig ablesbar, daß
diese auch unter der spätgotischen Malerei vorhanden sind.
Ihre Entstehung dürfte um 1400 anzunehmen sein. Dieser Be-
fund ist insofern von baugeschichtlicher Bedeutung, als unter-
halb der Putznaht die Eckverbindung einer ehemals vorhande-
nen Trennwand festgestellt werden konnte. Hier kamen gleich-
falls noch Reste der Bemalung von 1400 zum Vorschein. Das
bedeutet, daß zur Zeit der Entstehung der Blattwerkmalerei
die Trennwand zwischen zwei kleineren Räumen entfernt
wurde und das Refektorium erst damals seine heutige Größe
erhielt. Die rechte Hälfte des neuen Raumes wurde frisch ver-
putzt, die linke Hälfte, auf der sich bereits die Palmenwedelor-
namentik befand, belassen, die Blattwerkmalerei direkt darauf
ausgeführt. In diesem Sachverhalt ist die Ursache für den der-
zeitigen unterschiedlichen Erhaltungszustand zu sehen.
Die Konservierungsmaßnahmen müssen weitergeführt wer-
den. Vor allem die besondere Situation im rechten Bildbereich,
in dem die jüngeren Kalkschichten eine feste Verbindung mit
der spätgotischen Malerei eingegangen sind und diese durch
Überspannung abzureißen drohen, erfordert weitere Überle-
gungen und Untersuchungen, bevor ein Restaurierungskon-
zept erstellt werden kann.
1 Kloster Lüne, Wandmalerei. Ausschnitt mit Hl. Katharina. Zustand vor der Konservierung und nach der Restaurierung, 1987.
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Paul-Uwe Dietzsch/Birgit Neumann-Dietzsch
Seit spätestens 1956 war bekannt, daß an dieser Wand unter
mehreren Anstrichschichten spätgotische Malerei erhalten ge-
blieben ist. Damals wurde ein Bildbereich von ca. 4,5 m2 mit
Darstellungen des Hl. Christophorus, eines Bischofs und des
Hl. Gregor freigelegt. Allerdings sind hier nur etwa ein Drittel
der Originalsubstanz erhalten geblieben und befinden sich
heute in einem äußerst bedenklichen Zustand. Dem damali-
gen Restaurierungsbericht zufolge war die restliche Wandflä-
che (22m x 1,80 m) nahezu vollständig von jüngeren Schichten
bedeckt, die nur an wenigen Stellen abgefallen waren und die
spätgotische Malerei Sichtbarwerden ließen.
30 Jahre später lag die Malerei, bedingt durch starke Oberflä-
chenspannungen, bereits zu etwa 30 % frei; es zeigten sich
weitere Bereiche mit Blattwerkornamentik und Heiligenfiguren
von hervorragender Qualität und einem wohl einmaligen Um-
fang. Allerdings drohte der Grundputz samt Malerei abzufal-
len. Die Malschicht selbst machte einen sehr desolaten Ein-
druck und war stark verbräunt. Aufgrund dieses bedenklichen
Gesamtzustandes wurde 1986 eine Voruntersuchung eingelei-
tet. Ziel war, Ausmaß und Ursache der Schäden festzustellen,
den Bestand der Schichten zu untersuchen und ein Konservie-
rungs- bzw. Restaurierungskonzept zu erarbeiten.
Da sämtliche Überstriche als ständige Ursache für die Zerstö-
rung und den Verfall der Malerei zu werten waren, war es un-
umgänglich, diese zunächst im linken Bereich abzutragen.
Eine weitere akute Gefahr bestand in dem stark abgängigen,
sich in großen Schollen-zum Teil bis zu 1,5 m2-abhebenden
Grundputz. Hierzu hatten sich zwischen Mauer und Putz Hohl-
räume von 1 -4 cm gebildet. So galt es, weitere tiefergehende
Untersuchungen zunächst zurückzustellen, um in erster Linie
Sicherungsmaßnahmen einzuleiten
Zu Beginn der Arbeiten mußte der Putz im gesamten Wand-
bereich so konserviert und vorgefestigt werden, daß ein ge-
fahrloser Ausbau der die Malereien seit der Barockzeit verstel-
lenden Zwischenwände und Regale zu gewährleisten war. Im
weiteren Verlauf beschränkten sich alle Maßnahmen vorerst
auf die linke Wandhälfte. Trotz aufstehender Malschicht ließen
sich die darüber liegenden Schichten aufgrund des trennen-
den Ölfirnisses ohne geringsten Substanzverlust relativ pro-
blemlos auf mechanischem Wege abnehmen. Die schüsselför-
mig aufstehende Malschicht wurde systematisch angelegt
und gefestigt. Erst dann konnten Injektionen von Kalkkasein
mit einem Füller unter Zuhilfenahme von Stützvorrichtungen
vorgenommen werden, um einen festen Verbund von Putz und
Mauerwerk wiederherzustellen. Gleichzeitig wurden Fehlstel-
len im Putz geschlossen. Nach der Abnahme des dunkel glän-
zenden Firnisses - was bisher zu einer Hälfte geschehen ist -
kann von einem hervorragenden Erhaltungszustand der Male-
rei gesprochen werden. Retuschen sind kaum nötig. Sie wer-
den hauptsächlich in den wenigen Bereichen mit Neuausput-
zungen zurückhaltend im Grundton durchgeführt.
Während der Freilegungsarbeiten zeigten sich in einem 50 cm
breiten Streifen unterhalb der linken Bildhälfte weitere, nicht
zum Bild gehörende Ornamente in Form von Palmenwedeln,
rot und grün auf hellem Grund. Es ist eindeutig ablesbar, daß
diese auch unter der spätgotischen Malerei vorhanden sind.
Ihre Entstehung dürfte um 1400 anzunehmen sein. Dieser Be-
fund ist insofern von baugeschichtlicher Bedeutung, als unter-
halb der Putznaht die Eckverbindung einer ehemals vorhande-
nen Trennwand festgestellt werden konnte. Hier kamen gleich-
falls noch Reste der Bemalung von 1400 zum Vorschein. Das
bedeutet, daß zur Zeit der Entstehung der Blattwerkmalerei
die Trennwand zwischen zwei kleineren Räumen entfernt
wurde und das Refektorium erst damals seine heutige Größe
erhielt. Die rechte Hälfte des neuen Raumes wurde frisch ver-
putzt, die linke Hälfte, auf der sich bereits die Palmenwedelor-
namentik befand, belassen, die Blattwerkmalerei direkt darauf
ausgeführt. In diesem Sachverhalt ist die Ursache für den der-
zeitigen unterschiedlichen Erhaltungszustand zu sehen.
Die Konservierungsmaßnahmen müssen weitergeführt wer-
den. Vor allem die besondere Situation im rechten Bildbereich,
in dem die jüngeren Kalkschichten eine feste Verbindung mit
der spätgotischen Malerei eingegangen sind und diese durch
Überspannung abzureißen drohen, erfordert weitere Überle-
gungen und Untersuchungen, bevor ein Restaurierungskon-
zept erstellt werden kann.
1 Kloster Lüne, Wandmalerei. Ausschnitt mit Hl. Katharina. Zustand vor der Konservierung und nach der Restaurierung, 1987.
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