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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 18.1902

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Heft 1
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Die Architektur auf den deutschen Kunstausstellungen des Jahres 1901
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1902

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 1


Die Architektur
auf den
deutschen Kunstausstellungen
des Jahres 1901.

*

Thüruinrahmuiig von
Alb. Kretzschmar in Berlin.

Sas bezwecken die Archi-
tekturausstellungen, na-
mentlich die kleineren
in Verbindung mit den jährlichen
Kunstausstellungen? Sollen sie
Fachausstellungen sein,
welche dem Architekten Gele-
genheit geben, die hervorragenden
Entwürfe der Fachgenossen ein-
gehend zu studieren und die
darin niedergelegten Gedanken
oder die mehr oder minder glück-
liche Erfüllung der Programmbe-
dingungen auf den vollzählig aus-
gehängten Grundrissen, Schnitten
und geometrischen Ansichten bis
ins Einzelne zu verfolgen? Soll

Berliner Kunstausstellung
1901.

das Publikum durch die Masse dieser mit besonderem Auf-
wand von Mühe und Zeit ausgeführten Musterzeichnungen,
deren wissenschaftliche Sprache es gar nicht oder nur unvoll-
kommen versteht, in staunende Bewunderung versetzt und in
ihm der Glaube erweckt werden, dass die Architektur etwas
Geheimnisvolles, für den Laien nur in ihren fertigen Werken
Geniessbares sei? Oder sollen die Versuche zur Verkörperung
der neuen, die Gegenwart bewegenden Gedanken, die Bear-
beitungen besonders fesselnder und dankbarer Aufgaben und
die Entwürfe für die im Mittelpunkte des allgemeinen Interesses
stehenden bedeutenden öffentlichen Gebäude in knapper und
anschaulicher Form so vorgeführt werden, dass nicht nur der
Fachmann, sondern auch der Laie ohne mühsames Studium
ein klares und zuverlässiges Bild von der Erscheinung und
Wirkung des geplanten Gebäudes zu gewinnen und sich so,
wenigstens bis zu einem gewissen Grade, selbst ein Urteil
zu bilden vermag?
Haben nicht auch die Architekturausstellungen, wenn auch
vielleicht nicht in so hervortretender Weise wie die Gemälde-
ausstellungen, die Aufgabe, den auf ihnen vertretenen Künstlern
neue Aufträge zu vermitteln, ihre Auffassungsweise und Formen-
sprache bekannt zu machen und Baulustigen die Wahl eines
nach seinen Schöpfungen und Entwürfen ihren Wünschen
entsprechenden Architekten zu erleichtern, die sonst nur sehr
beschwerlich durch Besichtigung einzelner Bauten getroffen
werden könnte? Der Architekt will doch gerade durch die
Ausstellung weitere Kreise für seine Arbeiten gewinnen oder
die Ausführung irgend eines Gebäudes oder Denkmales in
einer anderen als der ursprünglich geplanten Form in Vorschlag
bringen. Also wenden sich auch die Architekturausstellungen
sehr bedeutsam, nicht nur ganz nebenbei, an das Publikum.
Auch sie sind vor allem zur Vermittelung zwischen der Kunst
und dem Publikum berufen.
Die Architekturabteilungen sind neuerdings wesentlich leb-
hafter besucht als früher. Das Publikum geht nicht mehr so
gleichgültig vorüber, sondern beweist eine lebhafte, sich ganz

augenscheinlich noch steigernde Anteilnahme, die nicht nur an
Ort und Stelle in selbständigen, oft recht zutreffenden Urteilen,
sondern auch ausserhalb der Ausstellung zum Ausdruck kommt.
Den Grund für diese augenfällige und hocherfreuliche
Veränderung wird man nicht nur in einer allgemeinen leb-
hafteren Anteilnahme des Publikums an einzelnen Werken oder
den gesamten Bestrebungen suchen dürfen, die etwa durch die
neuen Kunstformen erweckt und durch die für diese eintretenden
zahlreichen, mehr für das Publikum wie für die eigentlichen
Fachkreise bestimmten Zeitschriften genährt worden ist. Man
muss vielmehr einen grossen Teil dieses Erfolges der ziel-
bewussten Aenderung in der Art der Beschickung und der
äusseren Ausstattung der Architekturausstellungen zuschreiben,
die selbst auf der selbständigen Deutschen Bauausstellung in
Dresden 1900 durchgeführt war und ein vollkommenes Auf-
geben der althergebrachten rein akademischen Auffassung vom
Zwecke einer Architekturausstellung bedeutet, deren trockene
Verwirklichung die Architekturabteilungen als stille Schmoll-
winkel erscheinen liess.
Der unstreitige Gewinn, der aus dieser lebhafteren Anteil-
nahme des Publikums für die Architektur und die Architekten
selbst hinsichtlich einer gerechteren Würdigung ihrer Leistungen
und in Bezug auf ihre gesellschaftliche Stellung erwachsen
muss, rechtfertigt in einem kurzen Rückblick auf die Beteiligung
der Architektur an den Ausstellungen dieses Jahres das Voran-
stellen einer zusammenfassenden Betrachtung der Mittel, mit
denen der überraschende Erfolg erzielt worden ist, besonders
weil diese Mittel an den in Betracht kommenden Hauptkunst-
stätten völlig verschieden waren. Dagegen kann von einer
vollständigen Aufzählung der ausgestellten bemerkenswerten
Arbeiten hier wohl um so eher Abstand genommen werden,
als diese bereits in zahlreichen anderen Fachzeitschriften erfolgt
ist und ein erheblicher Teil der ausgestellten Arbeiten schon
in unserer Rundschau veröffentlicht wurde, so dass wir uns in
dieser Hinsicht auf eine weitere Auswahl beschränken können.
❖ *
In Dresden, wo man mit Rücksicht auf die vorjährige
Bauausstellung von einer besonderen Architekturausstellung
abgesehen hat, fiel der Architektur nur die Aufgabe zu, einzelne
Räume des Kunstausstellungspalastes in entsprechender Weise


Internationale Kunstausstellung in Dresden 1901.
Thürumrahmung; modelliert von Bildhauer Ernst Hottenroth in Dresden.

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