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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 18.1902

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Heft 7
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Hasak, Max: Das Pergamonmuseum in Berlin
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Bredt, Ernst Wilhelm: Das gemeinsame Neue in unserer Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.44900#0058

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1902

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 7





Das gemeinsame Neue in unserer Kunst.
Eine Skizze von Dr. E. W. Bredt.

Pergamonaltar.

kann sich dieser

Stiles oder wenigstens das

Vom Trajanstempel in Pergamon
(um 110 n. Chr.)-

Vom Zeustempel in Magnesia a. M.
(um 200 v. Chr.).

Antenkapitell vom Zeustempel in Magnesia a. M.
(um 200 v. Chr.).

sehr
günstiger,
wenn auch die
genauere Betrach¬
tung eine recht sorg-
lose Behandlung verrät.
Das untenliegende grosse
Antenkapitell zeigt diese merk¬
würdige Bildung deutlicher. Die
äussere Seite ist mit Ranken verziert,
die innere mit Blattwellen und Pal-
metten, die an der Kante ungelöst aufhören. Es giebt eine
ganze Anzahl solcher Antenkapitelle in den Sammlungen des
Museums und alle zeigen dieses absonderliche
ungelöste Ineinanderschneiden der beiden so
verschiedenen Seiten. Welches alte Vorbild
mögen da die Griechen festgehalten haben?
Eine andere ganz neue Bildung sehen
wir in den durchbrochenen Akroterien. Der
Tempel auf dem Theaterplatz, wie der Trajans-
tempel auf der Burg von Pergamon zeigen
Akroterien mit den reichsten und schönsten
Rankenführungen, welche völlig durchbrochen
gearbeitet sind. Sie waren natürlich nur noch
in Trümmern vorhanden und sind, wie sie
hier vor uns stehen, ergänzt. Auf der äusseren
Vorhalle des Museums sind sie, in unserem
Sandstein gearbeitet, wieder verwendet. Man
Bildungen also leicht bei Neuschöpfungen bedienen.
So bietet das Pergamonmuseum auf Schritt und Tritt

ebenso belehrende, wie an-
regende Gegenstände für den
Architekten. Er wird aber auch
den grossen Bildfries, dieGötter
und Giganten, mit ebenso viel
Ueberraschung wie Nutzen be-
trachten, denn auch dieser ist
so gar nicht wie das, was un-
sere an der edlen Antike ge-
schulten Bildhauer wieder zu
'Tage fördern. Da giebt es be-
kleideteMenschen, nicht einmal
eine Aphrodite ist nackt, und
die Frauengewänder sind bei-
nahe so undurchsichtig wie
heutzutage, wenn sie auch
faltenreicher sind und einzelne
Teile der bewegten Körper
deutlicher zeigen.
Also auf nach Pergamon!
Sogar Farbenüberreste
zeigt das eine Gesimsstück
noch, auch eine Sache, die zur
Zeit der helllodernden undganz
klassischen Griechenerkenntnis
als so ungriechisch wie mög-
lich betrachtet und nur dem
»bäurischen« Mittelalter als
eigentümlich und dort hinge-
hörig zuerkannt wurde.
M. Hasak, Regierungs- u. Baurat.

® eberall hört und liest man, dass das Kunstwerk den
bjl Geist derZeit verkörpern müsse, wenn es wertvoll
genannt werden soll. Das klingt sehr überzeugend
und wird immer wieder nachgesprochen. Ist damit aber wirklich
eine Richtschnur für unsere Kunst gegeben? Sind dadurch
dem Künstler sei er Maler oder Architekt, Bildhauer oder
Kunstgewerbler bestimmte Wege gewiesen zur Schaffung
eines wirklich wertvollen Kunstwerkes? Hat schon irgend
jemand den unendlich vielseitigen »Geist unserer Zeit« mit
seinen tausend verschiedenen Strömungen, mit dem ungestümen
Wachsen und Werden auf allen Gebieten umfassend zu schildern
vermocht? Soll etwa diese Erkenntnis des Zeitgeistes jedem
Versuche, ein für unsere Zeit wertvolles, erhebendes Kunstwerk
zu schaffen, vorausgehen? — Ist andererseits nicht ohne alle
Absichtlichkeit, ganz naturnotwendig jede That, jedes Werk
einer Zeit vom Geiste derselben getragen, bald mehr, bald
weniger? Das muss man doch selbst bei offenbar rückläufigen
Erscheinungen zugeben, wenn man nicht den ursächlichen
Zusammenhang der Dinge überhaupt ableugnen will!
Weshalb also eine Forderung aufstellen, die zu erfüllen
in keines Menschen unbedingter Macht liegt? Es erscheint
zum mindesten gefährlich, mit einem ganz
vom Standpunkte und der Beobachtungs-
gabe des Einzelnen abhängigen Begriff vom
Geiste unserer Zeit an unsere Kunstwerke
herantreten und danach gut und schlecht
unterscheiden zu wollen.
Eine zuverlässige Beurteilung giebt das
jedenfalls nicht.
Sehr wohl aber kann man die Kunst-
werke unserer Zeit einteilen in solche, die
für die Zukunft eine neue Grundlage schaffen
oder neue Gedanken verkörpern, und in
solche, die sich nur der älteren Kunst an-
gliedern, sobald man auf allen Gebieten der
bildenden Kunst gemeinsame Züge festzustellen vermag, welche
die Trennung von dem althergebrachten und den Beginn eines
wahrhaft neuen, ausbaufähigen
Ringen danach kennzeichnen.
Das mag hier in Kürze ver¬
sucht werden. Gelingt es uns
auf diese Weise, die wesentlichen
Kennzeichen der neuen Kunst
aus dem nebensächlichen Bei¬
werk herauszufinden, so gewin¬
nen wir wenigstens einen zu¬
verlässigen Massstab für eine Be¬
urteilung der neuen Erschei¬
nungen nach deren innerem
Wert und für eine gerechte Ver¬
gleichung von Altem undNeuem.
Wir werden dann auch den
Werken retrospektiven oderauch
retroprospektiven Sinnes gerecht
werden, die als künstlerisches
Ganzes unsere volle Bewunde¬
rung verdienen. Der Satz, wel¬
cher sich daraus als Richtschnur
für unsere Betrachtungen ergiebt,
lautet etwa: »Dasjenige Kunst¬
werk ist wertvoll für die Ge¬
samtheit und für den Fortschritt
unserer Kunst, das die gemein¬
samen Ziele unserer Bestrebun¬
gen in irgend einer Weise ver¬
körpert, und es ist um so wert¬
voller, je ungekünstelter und
klarer es dies thut.« — Was
ist nun das wesentlich Neue auf

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