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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 18.1902

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Heft 11
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Die Architektur der Internationalen Ausstellung für moderne dekorative Kunst in Turin 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.44900#0089

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1902

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU


Kuppelbau und Brunnen. Architekt: R. d’Aronco in Konstantinopel.


Die Architektur der Internationalen Ausstellung für moderne dekorative Kunst
in Turin 1902.


Fenster Architekten : Hans Kriner
im Raum 22. und Carl Bauer
in München.


Unter den Ländern des
alten Kontinents, die in der

künstlerischen Entwicklung der
Gegenwart eine führende Rolle
spielen, steht das an Kunst-
schätzen früherer Zeiten reiche

Italien nicht in vorderster Reihe.

Die grosse Vergangenheit wirkt
nicht nach, vielmehr scheint
durchweg die Tendenz vor-
handen zu sein, allem, was etwa
an bedeutsamer Tradition noch
in unsere Tage hereinragt, nach
Thunlichkeit aus dem Wege zu
gehen, es zu verleugnen. In-
wieweit dies Bestreben, alle
Eigenart früherer Zeiten und

eine darauf basierende Möglichkeit weiterer selbständiger Ent-
wicklung zu meiden, individuelle, künstlerisch bedeutungsvolle
Resultate zeitigt, wird durch die in Turin ausgestellten italieni-
schen Arbeiten zur Genüge dargethan. Sie sind trotz der
erdrückenden Fülle nicht so geartet, dass sie in ernstlichen
Wettbewerb mit den Arbeiten anderer Nationen zu treten

vermögen. Talent verrät sich überall, aber es ist ungezügelt;
es kennt das Gebot ernster Kunst nicht mehr: Mass halten!
Dabei hat man es hier mit einer Ausstellung zu thun, deren

Jury sogar »streng« gewesen sein soll.
Wollte man jedoch die italienische Kunst unserer Tage
ausschliesslich nach dem bemessen, was Ausstellungen — es
ist hier natürlich nur von qualitativ ansehnlichen Ausstellungen
die Rede — bieten, so ergäbe sich eine völlig falsche Vor-
stellung, denn die Kunst eines ganzen Volkes bemisst sich
nicht nach der Quintessenz seiner Thätigkeit, die bei Aus-
stellungen vorgeführt wird, sondern nach alle dem, was tagtäglich
entsteht, nach dem, was dem Ausdrucke des Lebens überhaupt
entspricht, nach den künstlerischen Vorstellungen, die sich an
den Orten des mächtig pulsierenden Gegenwartsbedürfnisses
ebenso in bestimmte Form übersetzen, als sie andrerseits ihren

Ausdruck finden an jenen Stätten, wo Grabhügel den Ruhe-
platz der Toten decken. Die Kunst ist ja kein Ding für sich
allein, vielmehr ist sie der letzte Ausdruck dessen, was den
Grundstock jeder Anschauung über das Wahrnehmbare und
der daraus resultierenden Vorstellungen über das Nichtwahr-
nehmbare bildet. Aus den bildnerischen Resultaten architek-
tonischer, plastischer oder malerischer Art ergeben sich natur-

l


Eingang zur Architekt: H. E. von Berlepsch in Planegg-München,
deutschen Ausstellung. Innenraum: Professor P. Behrens in Darmstadt.


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