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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 18.1902

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Heft 3
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Die Architektur auf den deutschen Kunstausstellungen des Jahres 1901, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.44900#0027

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1Q02

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 3




Gelegenheiten bieten, Neues zu versuchen

Zwecken
Gebäude-

sowie die noch nicht völlig fertiggestellten Entwürfe für das
neue Rathaus, das grosse Siechenhaus, das städtische Gesund-
heitsamt, das neue Waisenhaus und für mehrere Schulen und
Brücken waren ganz weggelassen. Ueber die Reichhaltigkeit
dieser Ausstellung und die durch sie verkörperte ausserordent-
liche Arbeitsleistung weniger Jahre war man allgemein erstaunt.
Man hatte mit der grössten Spannung und einer gewissen, durch
die weittragende Bedeutung der Frage begründeten Ungeduld
den Wirkungen des Systemwechsels in der künstlerischen Be-
handlung der Bauten entgegengesehen, der mit dem vor einigen
Jahren erfolgten Wechsel in der obersten Leitung des städ-
tischen Hochbauwesens notwendig verknüpft sein musste. Die
allgemeinen Grundsätze, nach denen die Bearbeitung der um-
fassenden Aufgaben unter der Leitung des neuen Stadtbaurates
Ludwig Hoffmann in Angriff genommen wurde, hat dieser
selbst in der Einleitung zu dem Kataloge seiner Ausstellung
mit folgenden Worten gekennzeichnet:

Bei der Anfertigung der hier zur Ausstellung kommenden Entwürfe
wurde vor allem eine einfache, klare und den praktischen Bedürfnissen
Rechnung tragende Qrundrissdisposition erstrebt.
Bei ihrer architektonischen Gestaltung wurde versucht, sie ungezwungen
der Bestimmung des Gebäudes anzupassen, und dabei alles zu vermeiden,
dessen Vorhandensein nicht praktisch oder ästhetisch zu begründen ist.
Der Umstand, dass die Bearbeitung einer so grossen Anzahl oft gleich-
artiger Aufgaben im wesentlichen von einer Stelle geleitet wird, bringt für
ihre Lösung die Gefahr einer gewissen Eintönigkeit mit sich. Dem vor-
zubeugen, wurde besondere Sorgfalt gewidmet, indem die Eigentümlichkeit
der jemaligen Situation eines Gebäudes für die Lösung der Aufgabe als
wesentlich bestimmend betrachtet wurde. Dabei lässt sich die gleiche
Denkungs- und Empfindungsweise vermittelst der verschiedenen architek-
tonischen Formensprachen sehr verschiedenartig zum Ausdruck bringen.

Architekt:
Oeh. Oberbaurat P. Thoemer in Berlin.

Die verschiedenen architektonischen Formen-
sprachen, mit feinem Gefühl und auf Grund sorgsamerStudien
alter Vorbilder durchgeführt und durch reiche Abwechslung

Berliner Kunstausstellung 1901.
Geschäftsgebäude der Civilabteilungen des
Land- und Amtsgerichts in Haile a. S.

Berliner Kunstausstellung 1901.
Evangelische Kirche Architekt: Oeh. Oberbaurat
in Kappel. Friedrich Adler in Berlin.

in der Wahl des
Materiales er¬
gänzt, haben in
der That die
frühere Eintönig¬
keit der städti¬
schen Bauten in
erfreulicher
Weise beseitigt.
Dass der Erbauer
des Reichsgerich¬
tes als Stadtbau¬
rat von Berlin
mit der künstleri¬
schen Ueberliefe-
rung vergange¬
ner Zeiten bre¬
chen und eine
völlig neue Rich¬
tung im Sinne
mancher Moder¬
nen einschlagen
würde, war nicht
wohl zu erwar¬
ten. Wohl mag
eine so gewaltige
Bauthätigkeit,
wie sie das Stadt¬
bauamt gegen¬
wärtig entfaltet,
manche beson¬
ders verlockende
und durch ein an hervorragender Stelle gegebenes Beispiel
durchzusetzen. Andrerseits erscheinen die in Betracht kommen-
den städtischen Bauten nach ihrer Bedeutung ebensowenig
zu Versuchen, bei denen man des Erfolges nicht im voraus
sicher sein kann, geeignet, wie ihre Zahl eine einheitliche An-
wendung einer neuen Formensprache zulassen würde, ohne
dass vorher eine Schule in demselben Geiste arbeitender Hilfs-
kräfte herangezogen worden, also mit andern Worten, man
diese neue Formensprache bereits anderwärts ausgebildet und
erprobt hätte.
Ausserdem mag ein Versuch, neue Formen zu entwickeln
in einer Umgebung, wie sie die meisten Berliner Strassen bieten,
in der Altes und Neues oft in fragwürdigster Behandlung sich
zeigt, doppelt gewagt erscheinen. Hier gilt es vor allem, den
Geschmack der Menge zu läutern und durch
mustergültige Beispiele zu zeigen, wie auch im
Strassenmeere der Grossstadt künstlerisch durch-
gebildete und malerische Schöpfungen ohne be-
sonderen Aufwand möglich sind. Dass die Hoff-
mannschen Bauten diesen Zweck erfüllen und zur
Bekämpfung der überladenen Unternehmerbauten
wesentlich beitragen können, scheint uns äusser
Zweifel. Zeigen sie doch überall ein feines Ge-
fühl für die unvergänglichen Schönheiten und den
lebendigen Geist der
Bauweisen vergange¬
ner Jahrhunderte, das
die Bauten der letzten
Jahrzehnte leider nur
zu oft vermissen liessen.
Die überlieferten Archi¬
tekturformen erschei¬
nen trotz aller Strenge
der Nachbildung nicht
als ererbte und will¬
kürlich vorgestellte Ku¬
lissen, aus denen die
modernen
dienenden
körper an allen Ecken

Krankenhaus in Moabit. Berliner Kunstausstellung 1901. Architekt: Stadtbaurat
Modell des Ludwig Hoffmann.
Verwaltungsgebäudes.

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Berliner Kunstausstellung 1901.
Evangelische Kirche in Kappel.
Grundriss.
Architekt: Geh. Oberbaurat
Friedrich Adler in Berlin.

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