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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 18.1902

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Heft 4
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Das neue romanische Haus in Berlin
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Ueber den Lichteinlass in griechischen Tempeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.44900#0035

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1902

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 4


Das neue romanische Haus in Berlin.
5. Fenstersäule im Erdgeschoss am
Kurfürstendamm.

Architekt:
Baurat Fr. Schwechten in Berlin.

schmückt. Die Baukosten betragen rund 1 Million Mk. Die Bau-
leitung führten die Architekten Eisfelder und Kürschner. Die
Modelle für sämtliche Bildhauerarbeiten in Sandstein und für
die Stuckkapitäle etc. des Cafes schuf Professor Riegelmann. Die
Steinmetzarbeit ist von der Firma Gebrüder Zeidler ausgeführt.

Ueber den Lichteinlass in griechischen Tempeln
veröffentlicht Mr. William Nickerson Bates im American Journal of Archaeo-
logie eine Hypothese, welche er aus der Konstruktion der Pteromadecke
des Theseions in Athen ableitet. Diese Decke des Pteroma, der die Cella
umgebenden Säulenhalle, ist bekanntlich, vergleiche Handbuch der Archi-
tektur II, 1 (Seite 148 149 der 1. Auflage), zwischen den breiten Decken-
balken aus Marmorplatten, den Stroteren, gebildet, welche kassettenartige,
quadratische Durchbrechungen haben, die wieder mit unten ausgehöhlten
Decksteinen, den Kalymmatien, geschlossen sind. Diese Kalymmatien sind
dünne Tafeln und liegen in Falzen, welche an den Oberkanten der Aus-
schnitte in den Stroteren angearbeitet sind. Die Kalymmatien, von denen
8 20 in einer Deckplatte sitzen, sind (um Verwechslungen zu vermeiden,
wie Bates meint) mit Steinmetzzeichen und Buchstaben versehen, ebenso
die den Rahmen bildenden Stroteren. Mr. Bates meint nun, da an eine

Das neue romanische Haus in Berlin. Architekt:
6. Mäusefries von der Thür am Baurat Fr. Schwechten m Berlin.
Kurfürstendamm.


Ventilationseinrichtung nicht zu denken sei, müssten die mit besonderen
Platten geschlossenen Kassettenöffnungen der Stroteren zum Durchlass von
Licht gedient haben, welches vom Marmorfussboden des Pteroma zurück-
geworfen durch die Oeffnungen an die Unterseite des Daches und von da
abermals reflektiert über die Mauer der Cella in letztere gelangt sei. Denn
unzweifelhaft habe die Cellawand zwischen der Deckenfläche des Pteroma
und der Unterseite des Daches irgendwelche offene Lichtgalerie (open
clearstory) gehabt. Das mithin zweimal zurückgeworfene Licht könne zwar
den Raum der Cella nicht sehr stark beleuchtet haben, immerhin sei aber
das Sonnenlicht in Griechenland grell genug, um eine bemerkbare Wirkung
wahrscheinlich zu machen. Wozu man aber, die Richtigkeit der Erklärung
der Oeffnungen als Lichtdurchlässe vorausgesetzt, diese nun mit gleichsam
als Läden dienenden Platten versehen habe, sei nicht klar. Mr. Bates
meint, dass sie zur Veränderung der Beleuchtung des Heiligtums gedient
haben. Da die Pteromadecke des Theseions über 600 solche Oeffnungen
hat und jede 10 Zoll im Quadrat misst, sei die dadurch eindringende Licht-
menge selbst nach zwei Reflektionen doch noch beträchtlich gewesen und
die Priester hätten durch Aufrichten oder Niederlegen der Deckplättchen
wohl Veränderungen in der Beleuchtung des Götterbildes hervorbringen
können, welche auf das feinere Kunstempfinden der Griechen hätte wirken
können. — Bei dieser Erklärung der Deckenöffnungen, auf welche Mr. Bates
besonders durch die oben erwähnten Steinmetzzeichen und Buchstaben an


den Rahmen und Deckplättchen gebracht worden zu sein scheint, ist die
wenn auch nirgends erhaltene, doch wohl unzweifelhaft vorhanden gewesene
innere Abdeckung der Cella völlig äusser acht gelassen. Oder sollte das
zweimal zurückgeworfene Licht vielleicht durch gleiche Kassetten in dieser
in die Cella hineingefallen sein? Dann würde wohl eine bestimmte Be-
leuchtung des Götterbildes mit diesem Licht noch schwieriger gewesen sein.
Sollten nicht vielmehr die an den einzelnen Platten angebrachten Bezeich-
nungen nur für deren einmaliges Einfügen beim Aufführen des Tempels be-
stimmt gewesen sein? Dass die Kalymmatien besonders eingelegt wurden,
mag die saubere Ausarbeitung der im Deckenfelde vertieften Kassette er-
leichtert haben, vielleicht auch als Beweis für die oft behauptete Ableitung
der Steinbauformen von der Holzkonstruktion benützt werden, da sie aller-
dings etwas Tischlermässiges hat. Joseph Durm schreibt im schon erwähnten
Band 1 des 2. Teiles des Handbuches der Architektur (Seite 100 der 1. Auf-
lage): »Die etwas umständliche und kleinliche Konstruktion der Decken
des Theseions ist am Parthenon aufgegeben; statt der aufgelegten Deck-
stückchen über durchbrochenen Platten sind mit den Platten zusammenge-
arbeitete Kalym-

matien verwen-
det.« — Äusser
amTheseion sind
aufgelegte Ka-
lymmatien noch
am kleinen Ne-
mesistempel in
Rhamnus gefun-
den. Hätten die-
selben wirklich
den Priestern zur

Erreichung be-
sondererWirkun-
gen auf die Gläu-
bigen gedient, so
müsste man wohl
auch öfteres Vor-
kommen dersel-
benvoraussetzen.
Mindestens
ebenso wahr-
scheinlich wie die
Batessche Theo-
rie würde die Er-
klärung klingen,
dass sie zum Ein-
lass von Licht
gedient hätten,
das etwa durch
eine Oeffnung im
Dach eingefallen
wäre. Von die-
sem Gedanken
ausgehend,
könnte man auch
an eine Leucht-
wirkung an der
Decke, hervorge-
rufen durch das
Durchscheinen
des Marmors in
den dünnen
Deckplättchen,
denken, wie wir
sie in einzelnen
italienischen Kir-
chen (San Mi-
niato, Orvieto
etc.) beobachten
können, wo statt
Glasscheiben
teilweise dünne,
durchscheinende
Marmortafeln
die Lichtöffnun-
gen schliessen.

Das neue romanische Haus
in Berlin.
7, Eingang zum Cafe.

Architekt:
Baurat Fr. Schwechten in Berlin

Li;

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