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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 18.1902

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Heft 5
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Die Architektur auf den deutschen Kunstausstellungen des Jahres 1901, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.44900#0042

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1902

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 5


Wohnzimmer
im Olbrichschen Hause.

Aus „Olbrich, Architektur“.
Verlag von Ernst Wasmuth in Berlin.

noch kein einheitlich in
diesem Sinne durchge-
führtes Beispiel gesehen
hatten, fanden hier Ge-
legenheit, sich ein eige-
nes Urteil zu bilden und
sich Raumvorstellungen
und Gesamtwirkungen
einzuprägen, welche un-
zweifelhaft in ihnen nach-
wirken und mehr oder
minder lebendig ihre fer-
neren Planungen beein-
flussen werden. Und
mehr noch als auf die
Laien musste diese Ge-
samtidee auf die Fach-
genossen wirken, die
sicherer und bewusster
Wesentliches und Un-
wesentliches zu unter-
scheiden, die persönliche
Zuthat von der allgemein
gültigen Grundlage des
hier zur Schau gestellten
künstlerischen Schaffens

Fremdenzimmer Aus „Olbrich, Architektur“,
im Olbrichschen Hause. Verla® von Ernst Wasmuth in Berlin.


zu lösen vermögen. Ihnen

besonders musste die Probe auf die Berechtigung der Grund-
regeln des modernen Schaffens, welche hier zum erstenmal in
greifbarer Wirklichkeit statt in theoretischer Erörterung und mit
allerhand Phrasen verbrämt, ihnen vorgeführt wurde, wertvoll
und lehrreich sein.
Der Verzicht auf alles Unnötige in unsrer Um-

persönlichen Empfindungen des Schöpfers oder Bewohners
durchgeführt werden, kann von einer vollen Verwirklichung
dieser Grundsätze die Rede sein und dann wird diese ihre
Wirkung niemals verfehlen, mag der Beschauer die Einzelheiten,
das Persönlich-Nebensächliche der Einrichtung schön oder
hässlich finden.

gebung, die Befreiung von dem uns einengenden,
für uns gegenstandslos gewordenen Ballast der
Ueberlieferung, der Ersatz der althergebrachten
rein äus ser 1 i chen Schm uckf ormen durch einen der
Gebrauchsform selbst abgewonnenen wohlgefäl-
ligen Rhythmus der Linien, Knappheit und Selbst-
beschränkung und auf der andern Seite bedächtige
Auswahl des Notwendigen, Zweckmässigen nach
künstlerischen Gesichtspunkten, immer mit Rücksicht
auf das Gesamtbild, das sind die Gesichtspunkte, die heute

Darin liegt u. E. die hauptsächlichste Bedeutung und der
grosse Erfolg der Darmstädter Ausstellung für die Zukunft,
dass hier zum erstenmal in einer der Wirklichkeit entsprechen-
den Form, nicht ausstellungsmässig im herkömmlichen Sinne,
planmässig angelegte, wohldurchdachte und künstlerisch aus-
gereifte Ausstattungen in ihrer Gesamtheit zur Ansicht ge-
bracht wurden, deren kleinste Bestandteile so vollkommen auf
den gemeinsamen, von der Persönlichkeit des Künstlers be-
einflussten Grundton abgestimmt waren, dass ein Austausch
auch der nebensächlichsten Gegenstände mit beliebigen

von allen Seiten als die Richt-
schnur für die Entwicklung unsres
modernen Wohnhauses hingestellt
werden.
Der Weg zu ihrer Verwirk-
lichung kann nur praktisch ge-
zeigt, ihr Wert und ihre Wirkung
nur durch völlig fertige Beispiele
bewiesen werden. Alle theore-
tischen Erörterungen und teil-
weisen Vorführungen bleiben
Stückwerk und schaden oft mehr
als sie nützen, weil sie zu vieles
von dem, was dem Künstler vor-
geschwebt und was er beabsich-
tigt hat, unsichtbar lassen müssen.
Erst wenn, wie in Darmstadt, in
einem völlig eingerichteten Hause
das Ineinanderschliessen der Zim-
mer durch die berechnete Farben-
stimmung, durch Durch- und Aus-
blicke aller Art, die gegenseitige
Steigerung der Licht-, Farben- und
Höhenwirkungen, die Verschmel-
zung der Einrichtungsgegenstände
mit dem Gebäude durch Einbauen
und Gruppieren der Möbel nach
einheitlichen künstlerischen Grund¬


anders geformten undenkbar er-
schien. An diesen Beispielen ist
unzweifelhaft einem grossen Teile
unsres kunstverständigen und
kunstliebenden Publikums der
Unterschied zwischen der künst-
lerisch durchgearbeiteten, gleich-
sam auf den Leib zugeschnittenen
Einzeleinrichtung und den Massen-
einrichtungen von Dekorateurs
Gnaden, Zimmer Nr. so und so
viel aus dem Möbelmagazin, klar
geworden, und der empfangene
Eindruck wird nachwirken, das
Sehnen nach Eigenem, nach wahr-
haft künstlerischer Umgebung in
der Häuslichkeit wird durch ihn
verstärkt und gesteigert werden,
bis unsre Künstler und unser Kunst-
handwerk daraus neuen Ansporn
und thatkräftige Unterstützung er-
halten.
Betrachtet man die Darmstädter
Ausstellung von diesem höheren
oder wenn man will allgemeineren
Standpunkte, so gewinnt man auch
für die Beurteilung der Einzel-
heiten, über welche schon so viel

Sätzen und im Einklang mit den

Eingang zum Glückertschen Hause.

Aus „Olbrich, Architektur“.
Verlag von Ernst Wasmuth in Berlin,

geschrieben und zum Teil recht

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