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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 18.1902

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Heft 6
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Zetzsche, Carl: Der Wettbewerb um das Hamburger Bismarckdenkmal
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Hasak, Max: Walkenried und Heidelberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.44900#0051

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1Q02

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 6

Ein zweiter Preis. Bildhauer: Hans Hundrieser in Charlottenburg.


Walkenried und Heidelberg.

Von Regierungs- und Baurat M. Hasak.


ind Sie schon in Walkenried gewesen? — Nein.
O, hätten Sie eine Harzreise gemacht und Walkenried
nicht besucht, das würden Sie sehr bereuen, denn es

stürzt nächstens zusammen und dann ist nichts mehr zu sehen.

So fuhr ich denn auch nach Walkenried, kam, sah und be-
dauerte höchlichst, dass diese edlen Ruinen dem Verderben ge-
weiht waren und dass man nach ein oder zwei Jahrzehnten von
Walkenrieds Klosterkirche ebensowenig mehr wissen würde,
wie von hundert anderen herrlichen Bauwerken, die noch im
Anfänge des neunzehnten Jahrhunderts in Ruinen dastanden.
Um dem drohenden Verluste doch vielleicht noch vorzu¬

beugen, sandte ich ein paar Zeilen in das »Centralblatt der
Bauverwaltung«: Das reiche Land Braunschweig könnte doch
etwas zum Schutze der Kirchenreste thun u. s. w. Darauf

schrieb mir die Braunschweiger Regierung, ich möchte an Ort
und Stelle angeben, was zu geschehen habe.
Der um die Denkmalpflege hochverdiente Regierungs- und
Baurat Pfeifer empfing mich an Ort und Stelle und wir be-
trachteten uns nun den Fall.
Der Chor war schon längere Zeit auf grosse Entfernung
hin eingezäunt und der Zutritt verboten. Das Gemäuer konnte
jeden Augenblick einstürzen; vielleicht aber erst in einem Jahr,
vielleicht in zehn Jahren. Wer konnte das wissen? Wer konnte
wagen, an der 25,0 m hohen Mauer hinauf zu rüsten? Jeden
Augenblick konnten sämtliche Arbeiter erschlagen werden.
Wer durfte und wer hätte Menschenleben so fahrlässig aufs
Spiel setzen können? Aber was war sonst zu machen? Sollte
man einen gezimmerten Brückenbogen von 40,0 m Spannweite
und 30,0 m Höhe darüber hinweg schlagen, um bei dem Um-
sturz äusser Gefahr zu sein?

Ausdruck unserer Zeit, und bei dem Denkmal des Heros aus
Deutschlands grösster Zeit sollte man auch vor der Aufgabe
nicht zurückscheuen, sein Gewand ins Riesenhafte zu über-
tragen, statt ihm ein erborgtes Gewand umzuhängen. Ist doch
die Kürassieruniform und der breite Pallasch, auf den wir selbst
ihn sich stützen sahen, durchaus nicht so unbildsam. — Dass
auch die begeisterten Anhänger der Rolandsidee von dem Em-
pfinden nicht frei sind, dass in diesem mittelalterlichen Bismarck
doch etwas weniger gegeben werde, als wir überliefern möchten,
die wir ihn doch nicht nur als alles Körperlichen entkleidete
Sagengestalt kennen, kommt in dem Vorschlag zum Ausdruck, im
Innern des Denkmals als zweite Darstellung das Porträtbildnis
des Alten von Friedrichsruh zu geben. Möge die Ausführung des
preisgekrönten Entwurfes unserem Volke ein Bismarckdenkmal
geben, wie es in Berlin leider nicht entstanden ist. C. Zetzsche.

Und was dann? Das Abheben der Steine war gar nicht
möglich. Man hatte die letzten Jahre darauf verwendet, die
Steine mit gewaltigen Eisen untereinander zu verklammern und
mit Cement schönstens zu verkitten.
Der beste Wille versagte. Man musste die Ruine fallen
lassen. Es blieb nur übrig, ringsum alles weich mit Stroh zu
polstern und die Reste — so wie sie waren — von allen Seiten
zu photographieren, um nach dem Zusammenstürze zu ver-
suchen, an der Hand dieser Aufnahmen den Chor wieder auf-
zubauen. — —
Ja, wenn vor vierzig Jahren die Hilfsaktion geschehen
wäre! Aber jetzt, jetzt war es zu spät. — Aber vor vierzig
Jahren hatte sich der jetzige Geheimerat Beisner zu Merseburg-
vergeblich bemüht, für die Erhaltung der Ruine die massgeben-
den Stellen zu gewinnen. Damals stand auch noch so viel von
der Kirche, dass sie nur zu
überdachen war. Menschen-
leben waren dabei nicht zu
gefährden. Alles hätte sich in
schönster Ruhe und Ordnung
der Zukunft bewahren lassen.
Heute wäre die Kunstge-
schichte um ein Meisterwerk
reicher und eine Schatzkam-
mer edler Formen stände dem
Baumeister offen.
Wo ist alles das hinge-
kommen? Niemand weiss
etwas davon. Es ist nach und
nach zusammengebrochen
und in der Nachbarschaft ver-
wendet worden.
Wird’s nicht in Heidelberg
grade so sein? — Man sehnt
sich manchmal nach dem ver-
wehrten Blick in die Zukunft!
Hier ist er! — Ist er der ein-
zige? — O nein. Doch hier-
über ein andres Mal!


Architekt Franz Rank und Bildhauer Ed. Beyrer jun. in München. (Zweiter Entwurf.)

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