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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 18.1902

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Heft 11
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Die Architektur der Internationalen Ausstellung für moderne dekorative Kunst in Turin 1902
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1902

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 11






Bayrisches Haus, Westseite.

unter sich in gar

Kamin aus der Marmorfabrik
Kiefersfelden im Raum 22.

Architekten: Hans Kriner
und Carl Bauer in München.

Architekt: H. E. v. Berlepsch
in Planegg-München.

Architekt: R. d’Aronco in
Konstantinopel.

Fassade des Ausstellungsgebäudes
gegen Westen.

Architekt: H. E. v. Berlepsch
in Planegg-München.
Betracht kommen, mit überreichem Schmuck bedacht waren.
Dieser, nur für einen spontanen Zweck geschaffen, entspricht
nicht so ganz dem monumentalen Eindrücke, der angestrebt
worden ist: das Detail wirkt stellenweise allzusehr auf
Kosten des Gesamteindruckes. Wäre dieser nicht
durch ein paar sehr energische Linien festgelegt,
so wirkte das viele plastische mit reichlicher
Vergoldung versehene, sowie das in Farben
aufgetragene Ornament entschieden zu
unruhig.
D’Aronco, der Architekt der italie-
nischen Gesamtanlage, ist beim Entwurf
zur Aussenarchitektur des Ausstellungs-
gebäudes offenbar stark von Wiener
Einflüssen moderner Art geleitet wor¬
den, freilich nicht von jener, wie sie
sich bei der letzten Frühlingsausstel-
lung der Wiener Sezession zeigte. Diese
ging in der Vermeidung aller zierenden
Beithat so weit wie möglich und be-
tonte die unbelebte grosse Fläche, die
bewusstermassen und mit vollem Ver-
ständnis gegensätzlich zum linien- und
flächenlebendigen Kunstwerk in An¬
wendung tritt — ein Grundsatz, der
speziell für Ausstellungsräume gar nicht streng genug zum Aus-
druck gebracht werden kann. Die Wiener Sezession hat über-
haupt, gerade in Bezug auf architektonische Leistungen, seit
einer Reihe von
Jahren Dinge ge-
schaffen, zu denen
man in Deutsch-
land vergeblich
analoge Leistun-
gen sucht. Die
Jahresausstellun-
gen im Glaspalaste
zu München mit
ihrem stets im Um-
bau begriffenen
Vestibül kommen
dagegen nicht auf,
von den Berliner
Kunstausstellun-
gen ganz zu
schweigen. Karls-
ruhe dagegen
scheint manches
zu versprechen.
Leider ist die Wie-
ner Sezession in
Turin gar nicht
vertreten.

Bayrisches Haus,
Ostseite.

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: a
i
1
J
Uhr in Kupfer getrieben.
Entwurf von H. E. v. Berlepsch
in Planegg-München.

D’Aronco liebt reichliche Dekoration.
Er schwelgt in plastischen und malerischen
Details, womit er die zwischen gross em-
pfundene Architekturlinien gelegten Flächen
beinahe ganz auflöst. Die Art, wie die
Strebepfeiler seines Mittelbaues, unten weit
vorspringend, oben in steiler Kurve nach
dem Körper der Kuppel anlaufen, hat etwas
Wuchtiges; die mächtigen Rundbogen da-
zwischen entbehren der Kraft nicht, der Ab-
schluss der Kuppel bildet eine gute Sil-
houette— keine Frage! Der in Konstantinopel
lebende Künstler ist Architekt des türkischen
Grossherrn, und weiss, worin die Wirkung
orientalischer älterer Kuppelbauten liegt; aber
derWunsch nach allzureichlicher schmücken-
der Beigabe hat ihm die Grösse der Er-
scheinung wesentlich beeinträchtigt. Es ist
eine charakteristische Erscheinung, die sich
auch bei der weitaus grössten Menge der
seitens italienischer Künstler und Produzen-
ten ausgestellten Arbeiten auf dem Gebiete
der Wohnungskunst störend vordrängt:
die Ueberladenheit aller dekorativen
Erscheinungen mit Detail, das
keinem Zusammenhänge steht, sondern ganz
willkürlich verwendet erscheint, so dass
eine förmliche Zerfahrenheit vielfach
das Wesentliche des Eindrucks aus-
macht, genau so, wie man es bei un-
gezählten Monumenten an grossen
Nekropolen von Genua, von Mailand,
von andern Städten beobachten kann!
An technischem Raffinement der Plastik
ein Ueberfluss ohnegleichen, an grossem,
plastischem Empfinden wenig, sehr
wenig! Sind das die Enkel derer, welche
die steifgrossen Reiterfiguren auf den
Skaligergräbern zu Verona, den Gatta-
melata zu Padua, den Colleoni zu Ve-
nedig geschaffen haben? Ach, der
gleiche Gedanke drängt sich überall
auf, wo man die Denkmäler Garibaldis
und Viktor Emanuels sieht. Des letz¬
teren Standbild in Turin ist ein schreckliches Beispiel neuerer
Plastik, dasjenige des Ferdinando von Savoyen ein Ausbund
gröblicher Geschmacksverletzung! Sieht man aber das neueste,
von Calandra geschaffene und unmittelbar vor der Ausstellung
für moderne dekorative Kunst sich erhebende grosse Reiter-
standbild des Principe Amadeo, so fragt man sich unwillkür-
lich, ob das Denkmal jenem zugedacht sei, der hoch zu Pferde
das Ganze bekrönt oder den vom Grunde völlig losgelösten,
an sich vortrefflich modellierten Figuren, welche in lebhaftester

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