DAS VERFAHREN
DER
SOCIETÄ SAN GIORGIO BEI IHREN AUFNAHMEN
UND
MEIN VERHÄLTNIS ZU DEM UNTERNEHMEN
VON
HEINRICH VON GEYMÜLLER
A ich in keinerlei Weise bei der Organisation des vorliegenden Unternehmens beteiligt war, darf ich, und halte ich
es sogar für meine Pflicht der Societä San Giorgio gegenüber sowohl als dem Leser, den Grund anzugeben, der
mich vor allem bewogen hat, mich demselben anzuschliessen, nachdem diese Gesellschaft längere Zeit schon eine
erfolgreiche Thätigkeit bewiesen hatte.
Ich darf diesen Grund angeben, weil das Lob, das mit ihm verbunden, nicht auf mich fällt, und muss
es, weil auch der Leser sofort in demselben die sicherste Bürgschaft für das Vorhandensein, in einem vielleicht
noch nie dagewesenen Grade, aller der Eigenschaften finden wird, die er in einer solchen Publikation nur wünschen kann.
Diese Bürgschaft für den Leser, dieser Beweggrund für mich liegt in der vortrefflichen Organisation des Unternehmens, die auf
zwei Hauptpunkten fusst: Erstens das Verfahren bei den Aufnahmen, zweitens die Wahl des Ortes für Anfertigung und Vollendung sämtlicher
Zeichnungen, nicht in der eigenen Heimat, sondern im Mittelpunkte selbst des Landes, dessen Denkmäler publiziert werden sollten: in Florenz!
Damit also auch für die Zukunft die Leser dieses Werkes, Gelehrte, Architekten oder andere Künstler, sich sofort von dem
seltenen Grade von Zuverlässigkeit, welche sie den hier gegebenen Aufnahmen schenken dürfen, überzeugen können, schicken wir die
Schilderung dieses Verfahrens allen anderen Teilen des Werkes und als dessen Grundlage voraus.
Die Grösse des zu bewältigenden Stoffes erforderte, wie alle ähnliche Unternehmen, ein gewissenhaftes Personal und ein geeignetes
Material, — der hier erzielte Fortschritt beruht aber vor allem auf dem Verfahren.
Das Personal bestand anfänglich aus acht geschulten Arbeitskräften, und aus dem Bestände des Materials erwähnen wir nur
als die wichtigsten Hilfsmittel die achtzehn Meter hohe, siebengeschossige, auf Rollen bewegliche Turmleiter und die zwölf Meter
hohe, schräggestellte Porta-Leiter.
Die erste, mit ihren in jedem Geschosse vorhandenen niederzuklappenden Brücken, gestattete das naheste Herantreten an die
Bauten und ihre Zierformen. Die absolute Sicherheit der Leiter gewährleistete grössere Ruhe der Arbeitenden und somit das genaueste
Massnehmen und ein charakteristisches Zeichnen, wie es sonst wohl mühsam mit dem Opernglase und nach oft nur oberflächlichen
Abmessungen errungen werden musste.
Die leichtere Porta-Leiter, hauptsächlich für innere Aufnahmen bestimmt, hat auch für Fassaden-Aufnahmen, z. B. in Montepulciano,
treffliche Dienste geleistet.
Mit diesem unschätzbaren Materiale ausgestattet, wurden nun nebst den Messungen die nach neuerer Ansicht zwei wichtigsten
Operationen vorgenommen.
1) Das sofortige Aufträgen sämtlicher Aufnahmen an Ort und Stelle nach Massen, in entsprechend grossem Massstabe. Die
Aufnahmen wurden nicht, wie bisher wohl allgemein üblich, erst im Atelier nach den Handskizzen zusammengezeichnet und aus der
Erinnerung verschönert, wodurch doch nur das Charakteristische der Formen verloren geht, sondern das Aufnehmen und Aufträgen wurde
nicht eher eingestellt, bis alles zusammenstimmte und gehörig nachkontrolliert worden war.
2) Die Abgipsung aller Gesimsgliederungen, Friesstücke, Kapitale und sonstigen Zierformen, Diese Operation dient als Grundlage
für das Aufträgen im Atelier.
Für die Gesimsprofile wird der Gips, solange er noch weich ist, normal zur Leitlinie abgeschnitten und bildet Gipsschablonen,
mittelst welcher die Profile in natürlicher Grösse auf Papier nachgezeichnet und übertragen, und mit Hilfe von Tangenten für den Stich
verkleinert werden. Dank diesen Hilfsmitteln und durch dieses Verfahren ward es z. B. möglich, in einem Tage die Fassade des
Pall. Riccardi aufzunehmen und abzugipsen.
Ist durch das Aufträgen und Nachkontrollieren auf dem Bauwerk selbst sozusagen jede Möglichkeit eines Irrtums in den Massen
ausgeschlossen, so bilden die Abgüsse der Kunstformen nicht nur im Atelier eine Quelle von ganz sicheren, stets kontrollierbaren
Dokumenten, sondern indem sie bei der Anfertigung der Stichzeichnungen immer vor Augen sind, gestatten sie in diesen das Eigentümliche
m
DER
SOCIETÄ SAN GIORGIO BEI IHREN AUFNAHMEN
UND
MEIN VERHÄLTNIS ZU DEM UNTERNEHMEN
VON
HEINRICH VON GEYMÜLLER
A ich in keinerlei Weise bei der Organisation des vorliegenden Unternehmens beteiligt war, darf ich, und halte ich
es sogar für meine Pflicht der Societä San Giorgio gegenüber sowohl als dem Leser, den Grund anzugeben, der
mich vor allem bewogen hat, mich demselben anzuschliessen, nachdem diese Gesellschaft längere Zeit schon eine
erfolgreiche Thätigkeit bewiesen hatte.
Ich darf diesen Grund angeben, weil das Lob, das mit ihm verbunden, nicht auf mich fällt, und muss
es, weil auch der Leser sofort in demselben die sicherste Bürgschaft für das Vorhandensein, in einem vielleicht
noch nie dagewesenen Grade, aller der Eigenschaften finden wird, die er in einer solchen Publikation nur wünschen kann.
Diese Bürgschaft für den Leser, dieser Beweggrund für mich liegt in der vortrefflichen Organisation des Unternehmens, die auf
zwei Hauptpunkten fusst: Erstens das Verfahren bei den Aufnahmen, zweitens die Wahl des Ortes für Anfertigung und Vollendung sämtlicher
Zeichnungen, nicht in der eigenen Heimat, sondern im Mittelpunkte selbst des Landes, dessen Denkmäler publiziert werden sollten: in Florenz!
Damit also auch für die Zukunft die Leser dieses Werkes, Gelehrte, Architekten oder andere Künstler, sich sofort von dem
seltenen Grade von Zuverlässigkeit, welche sie den hier gegebenen Aufnahmen schenken dürfen, überzeugen können, schicken wir die
Schilderung dieses Verfahrens allen anderen Teilen des Werkes und als dessen Grundlage voraus.
Die Grösse des zu bewältigenden Stoffes erforderte, wie alle ähnliche Unternehmen, ein gewissenhaftes Personal und ein geeignetes
Material, — der hier erzielte Fortschritt beruht aber vor allem auf dem Verfahren.
Das Personal bestand anfänglich aus acht geschulten Arbeitskräften, und aus dem Bestände des Materials erwähnen wir nur
als die wichtigsten Hilfsmittel die achtzehn Meter hohe, siebengeschossige, auf Rollen bewegliche Turmleiter und die zwölf Meter
hohe, schräggestellte Porta-Leiter.
Die erste, mit ihren in jedem Geschosse vorhandenen niederzuklappenden Brücken, gestattete das naheste Herantreten an die
Bauten und ihre Zierformen. Die absolute Sicherheit der Leiter gewährleistete grössere Ruhe der Arbeitenden und somit das genaueste
Massnehmen und ein charakteristisches Zeichnen, wie es sonst wohl mühsam mit dem Opernglase und nach oft nur oberflächlichen
Abmessungen errungen werden musste.
Die leichtere Porta-Leiter, hauptsächlich für innere Aufnahmen bestimmt, hat auch für Fassaden-Aufnahmen, z. B. in Montepulciano,
treffliche Dienste geleistet.
Mit diesem unschätzbaren Materiale ausgestattet, wurden nun nebst den Messungen die nach neuerer Ansicht zwei wichtigsten
Operationen vorgenommen.
1) Das sofortige Aufträgen sämtlicher Aufnahmen an Ort und Stelle nach Massen, in entsprechend grossem Massstabe. Die
Aufnahmen wurden nicht, wie bisher wohl allgemein üblich, erst im Atelier nach den Handskizzen zusammengezeichnet und aus der
Erinnerung verschönert, wodurch doch nur das Charakteristische der Formen verloren geht, sondern das Aufnehmen und Aufträgen wurde
nicht eher eingestellt, bis alles zusammenstimmte und gehörig nachkontrolliert worden war.
2) Die Abgipsung aller Gesimsgliederungen, Friesstücke, Kapitale und sonstigen Zierformen, Diese Operation dient als Grundlage
für das Aufträgen im Atelier.
Für die Gesimsprofile wird der Gips, solange er noch weich ist, normal zur Leitlinie abgeschnitten und bildet Gipsschablonen,
mittelst welcher die Profile in natürlicher Grösse auf Papier nachgezeichnet und übertragen, und mit Hilfe von Tangenten für den Stich
verkleinert werden. Dank diesen Hilfsmitteln und durch dieses Verfahren ward es z. B. möglich, in einem Tage die Fassade des
Pall. Riccardi aufzunehmen und abzugipsen.
Ist durch das Aufträgen und Nachkontrollieren auf dem Bauwerk selbst sozusagen jede Möglichkeit eines Irrtums in den Massen
ausgeschlossen, so bilden die Abgüsse der Kunstformen nicht nur im Atelier eine Quelle von ganz sicheren, stets kontrollierbaren
Dokumenten, sondern indem sie bei der Anfertigung der Stichzeichnungen immer vor Augen sind, gestatten sie in diesen das Eigentümliche
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