Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Stegmann, Carl von [Hrsg.]; Geymüller, Heinrich von [Hrsg.]
Die Architektur der Renaissance in Toscana: dargestellt in den hervorragendsten Kirchen, Palästen, Villen und Monumenten nach den Aufnahmen der Gesellschaft San Giorgio in Florenz; nach Meistern und Gegenständen geordnet (Band 1): Filippo di Ser Brunellesco — München: Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G., 1885

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.53653#0021
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
FILIPPO DI SER BRUNELLESCO


Fig. i. WICKELKINDER VON ANDREA DELLA ROBBIA

OSPEDALE DEGE INNOCENTI IN FLORENZ

FINDELHAUS


BGLEICH keine der wichtigsten Schöpfungen
Brunellescos und mangelhaft nach seinem Ent-
würfe ausgeführt, bietet uns das Findelhaus in
Florenz ein mehrfaches Interesse. Durch seine
Bestimmung sowohl mit Spital- als Kloster- und

Profanbauten verwandt, gibt dieses Gebäude über die Kompositions-
weise solcher Anlagen, für welche wir mit Ausnahme der Badia bei
Fiesoie so gut wie keine Anhaltspunkte haben, ja selbst — für
die Grundrissbildung grösserer Paläste werthvolle Aufschlüsse.
Aus diesem Grunde richten wir unsere Aufmerksamkeit bloss auf

die wichtigeren Gesichtspunkte, zu welchen die möglichste Klar-
stellung der ursprünglichen Absichten Brunellescos gehört.

0MP0S1TI0N UND GRUNDRISS. Hier verdienen drei

Punkte Beachtung; vor allen die Auffassung der Aufgabe
seitens Brunellescos. Grundriss und Durchschnitt offenbaren
sofort bei Filippo zwei getrennte Ziele: einerseits den Bedürf-
nissen der Hauptaufgabe, das Findelhaus, gerecht zu werden,
anderseits eine monumentale Verschönerung des öffentlichen
Platzes der Servi oder der Annunziata hervorzurufen. Die Ver-
schiedenheit des Massstabes in der am Platze gelegenen Front
und in dem dahinter liegenden Teile beweist dies zur Genüge.
Für die Fassade greift Brunellesco zu grösseren Axen- und
Höhenmassen, und zwar wurde die Breite der Strasse della

Colonna, welche in den Bau hineingezogen werden musste, hier

massgebend, denn Filippo wählte sie für die Bogenöffnungen

seiner Loggia, während er als verbindende Masseinheit des
eigentlichen Spitalbaus so viel als möglich, wie die Verhältnisse

beweisen, die Bogenöffnungen oder Intercolumnien des in der

Mitte der Komposition liegenden quadratischen Hofes nahm.

Zweitens interessiert nicht minder die Art der Durch-
führung seiner Ideen. In der Hauptaxe liegen: der vordere
und hintere Durchgang und, nicht ganz in der Mitte der Tiefe,
drei Axen der Vorhalle entsprechend, der quadratische Hof von
Bogengängen auf Säulen umgeben. In den vorletzten Axen des
Portikus befinden sich, zu beiden Seiten des Hofs die gleich breiten
Haupträume — in dem links die Kirche Sa. Maria degli Inno-
centi — deren Aussenmauern, durch die ganze Tiefe des Baues
gehend, den Kern der Anlage bilden. Die Räume längs der
Strasse, sowie der lange schmale ionische Hof gehören wohl auch
zum ursprünglichen Entwurf. Ob ein Gleiches von dem Streifen
rechts hinter dem Anbau Francescos della Luna gilt, ist unsicher
aber nicht unmöglich.i) 1) Überall tritt uns das Bestreben Brunel-
lescos entgegen, seinem Grundriss, soweit es die Bedürfnisse
gestatten, Symmetrie oder wenigstens Gleichgewicht zu ver-
leihen, die Axen der Hofhallen, die stets auf Thüren münden,
möglichst weit in den Bau zu verlängern und in diese die
Treppen, von welchen die vordere allein nachweisbar alt ist, zu
legen. In einem Wort, Brunellesco entfaltet hier schon in
schöner Weise diejenigen Prinzipien, welche seither in der Grund-
rissbildung monumentaler Bauten allgemein verfolgt werden. —
Der dritte Punkt betrifft die Verhältnisse.
Verhältnisse. Es verdient sofort mit dem Beginn der
Renaissance das Gewicht hervorgehoben zu werden, welches Brunel-
lesco darauf legt, zwischen den Räumen seines Grundrisses gewisse
Verhältnisse herzustellen. Dies Bestreben bestätigt somit den
Satz seines Biographen Manetti: Fece pcnsiero di ritrovare el
modo denntrari eccellenti e di grand artificio degli antichi, e le
loro proporzioni musicali, . . . ,2). Die lichten Weiten, als greif-

i) Manche Um- und Anbauten, infolge aufeinanderfolgender Schenkungen
— die Vereinigung des brefatrofio di San Gallo 1463, desjenigen von Sa. Maria
della Scala 1536« die der am westlichen Abschluss 1815 gegründeten Gebäranstalt
mit dem jetzt königlichen Ospedale degli Innocenti. — haben hier, sowie im süd-

lichen Gebäudeteil einige unregelmässige Einbauten veranlasst, die wir fortgelassen
haben. Sie machen es stellenweise schwer, zu entscheiden, was auf die ursprüng-
liche Anlage zurückzuführen ist.
2) Vita Anonima, p. 93.

7
 
Annotationen