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Stegmann, Carl von [Hrsg.]; Geymüller, Heinrich von [Hrsg.]
Die Architektur der Renaissance in Toscana: dargestellt in den hervorragendsten Kirchen, Palästen, Villen und Monumenten nach den Aufnahmen der Gesellschaft San Giorgio in Florenz; nach Meistern und Gegenständen geordnet (Band 1): Filippo di Ser Brunellesco — München: Verlagsanstalt F. Bruckmann A.-G., 1885

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https://doi.org/10.11588/diglit.53653#0049
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FILIPPO DI SER BRUNELLESCO

Im Langhaus haben sämtliche Säulen rechts, und die vier
ersten links gleiche Bildung mit Olivenblättern wie sie auf Bl. 17
im Vordergrund ersichtlich. Die Bildung der Volutenstengel ist
von den übrigen verschieden, fein unten, nach oben zu in den
Schnecken stärker. An den vier letzten Säulen links sind die
Blattspitzen kleiner und feiner, die Volutenstengel breit wie bei
Brunellesco und seiner unmittelbaren Schule üblich. An den
Wandsäulen sind sie ebenfalls breit, während an fünf Stück etwa
der altertümlichsten, die äusseren Linien der Volutenstengel durch
einen Bogen ineinander übergehen, ohne jede für sich aus dem
Kelche zu entspringen, wie wir es an denen unter Fig. 2 des
Palazzo di Parte Guelfa mitgeteilten sehen. Die Volutenstengel
der Halbsäulen zwischen den Kapellen im Langhaus sind eben-
falls altertümlicher als an den Kapitalen der ihnen entsprechen-
den Säulen.
An der Kuppel ist das Detail tief ausgehöhlt und hart in
der Behandlung. An der Fassade innen ist das Detail der gut
profilierten Thüren und des Rundfensters schön aber trocken.
Die auffallend grossen Akroterien sind fein durchbrochen. Die
rahmenartige Einteilung der Felder an der Mauer dürfte durch
die Attika der Pazzi-Kappelle eingegeben sein.

Studien älterer meister nach Santo spi-
rito. ©ws Von Giuliano da Sangallo besitzen wir, in seinem
Codex Barberini Fol. 14, einen Grundriss in welchem die Kapellen
aussen rund gezeichnet sind; das Seitenschiff mit einer Mittelsäule

ist auch vorn herumgeführt. Einen zweiten Grundriss auf Fol. 15
seines Albums auf der Bibliothek zu Siena muss man als eine
theoretische Variation über Sto. Spirito ansehen, da die Abschlüsse
des Mittel- und des Querschiffs je durch drei statt durch zwei Ar-
kaden gebildet werden. Letzterer Umstand könnte berechtigen, auch
die Anordnung des ersten Grundrisses trotz ihrer teilweise logischen
Konsequenz als eine subjektive Ansicht Guilianos zu deuten, da
er in seinem Brief vom 15. Mai 1486 lebhaft für die Anbringung
von vier Thüren, welche dieser Anordnung gleichkäme, sich
ausspricht. Da jedoch, abgesehen von der Wichtigkeit innerer
Vorhallen für die Grössenwirkung und Feierlichkeit einer jeden
Kirche, in diesem Falle die Verhältnisse, wie aus unserer Zu-
sammenstellung hervorgeht, durch die vordere Herumführung des
Seitenschiffs eine Einfachheit und Vollständigkeit erhalten, welche
keine zufällige sein kann, so erscheint in der That diese Anord-
nung als die von Filippo beabsichtigte.
In einem schon in Mailand entstandenen Skizzenbuche
Leonardos da Vinci zeichnete dieser vermutlich zur Zeit, als der
Streit über die Zahl der Thüren geführt wurde, den Grundriss
der Kirche bloss mit einer äusseren Vorhalle, die in der Mitte
eine Öffnung statt einer Säule zeigt.1) Für die Frage der
äusseren Rundung der Kapellen und über die Zeit ihrer Um-
änderung giebt dieser Grundriss keinen Aufschluss.
Die übrigen Teile von Sto. Spirito werden in den Mono-
graphien Cronacas, Giulianos da Sangallo, des Baccio d’Agnolo
und Ammanatis besprochen werden.

DIE ARBEITEN BRUNELLESCOS AM

FLORENTINER DOM


IE Kuppel von S. Maria del Fiore bleibt mit Recht
heute noch eine der berühmtesten Leistungen der
Baukunst. Wie Michelangelo der Peterskuppel, so

verdankt Brunellesco jener, noch mehr als der von ihm voll-

zogenen Erneuerung der Architektur, seinen grössten Ruhm.
In den Gedanken Vieler ist es die Erneuerung der Architektur
selbst, welche sich sozusagen mit der Erbauung der Florentiner
Kuppel eng verkörpert, weil die Kuppel von S. Maria del Fiore
als direkte Vorstufe für jene der Peterskirche gilt, durch welche
die Renaissance auf den Kirchenbau der Neuzeit lange Zeit
mächtig einwirkte.
Und in der That fällt die Erbauung der Kuppel von
S. Maria del Fiore genau mit dem Wendepunkte der mittel-
alterlichen zur neueren Architektur zusammen und kann somit
als Abschluss der ersteren sowohl, wie als Beginn der letzteren
betrachtet werden. Bisher scheint letzteres allein geschehen zu sein.
Wie mit dem Verlassen der Gotik die Stellung des Architekten bald
von Grund aus sich änderte durch Hervorheben seiner Indivi-

dualität, und jeder Architekt Vater seines Werkes wurde, statt
oft bloss der Vertreter oder Vollstrecker des Zusammenwirkens

Vieler zu sein, so erfolgte bald die Beurteilung der Leistung

Brunellescos nur noch nach der neuen Anschauung, nach dem
Wirken der Architekten in der neueren Kunst, und namentlich nach
der sozusagen monarchischen Stellung, die sie am verwandten Baue
der Peterskirche inne hatten. Schon zu Vasaris Zeit war das
Verständnis für die früheren demokratischeren Verhältnisse ganz
verloren, und enthält seine Schilderung des Baues, hiermit schon
über die Thätigkeit Brunellescos, seiner Mitarbeiter, sowie der
Verhältnisse, in welchen sie sich entwickelte, eine Reihe von An-
gaben, welche auf unser Urteil störend weiterwirken.
Obgleich unsere Arbeiten über die Erbauung der Peters-
kirche gezeigt haben, wie begreiflich der Ausspruch Michelangelos
war, er sei bloss als der Ausführende Bramantes zu betrachten,
obgleich wir gezeigt, wie sehr sein Ruhm auf Kosten desjenigen
Bramantes gesteigert worden, so war uns — wir gestehen
es — kein Augenblick der Gedanke gekommen, es möchte Brunel-
lesco in einigermassen ähnlicher Weise auf Kosten seiner Vor-
gänger und Zeitgenossen ein Übermass von Ruhm gespendet
worden sein. Die Untersuchung dieser Frage ist vor wenigen
Jahren von einem italienischen Architekten H. Nardini Despotti
Mospignotti unternommen worden und sind die Resultate, zu
denen er gelangte, derart, dass ein Nichtberücksichtigen derselben
an dieser Stelle unmöglich ist. Die Beantwortung dieser wichtigen
Frage aber kann nur durch Blicke auf die Gesamtgeschichte der
Erbauung der Kathedrale von Florenz geschehen. Wir geben

1) Bibliothek des Institut de France in Paris, vol. B, fol. nv, veröffentlicht
in unserer Studie über Leonardo Architekt, bei J. P. Richter, The Literary Works

of L. da Vinci, Bl. 94, Fig. 2, und bei Ch. Ravaisson, Les Manuscrits de L. de
Vinci, Vol. B. u. D.

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