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Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 18.1948/​1950

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Nierhaus, Rolf: Eine klassizistische Fortuna-Terrakotte aus Murg (Ldkrs. Säckingen): ein Beitrag zur Ikonographie der Fortuna
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https://doi.org/10.11588/diglit.42247#0100

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R. Nierhaus

In der Rechten hält die Figur ein Szepter, dessen oberes Ende heute fehlt; es ver-
läuft schräg vor dem rechten Spielbein und ist dort z. T. abgescheuert. Die Linke
trägt einen ziemlich verwitterten Gegenstand, der wohl als ein Füllhorn zu deuten
ist, schwerlich als ein kleines Kind.
Offensichtlich spiegelt die Statuette, so qualitativ geringwertig das Stück als
solches auch ist, letztlich einen klassischen Peplostyp wider. Derartige klassi-
zistische Anlehnungen von kaiserzeitlichen Statuetten an griechische Typen sind
innerhalb der Provinzen besonders bei Terrakotten — und bei Bronzen, die
hier nicht zur Erörterung stehen — häufig zu beobachten. Als Beispiele seien
etwa zwei Stücke aus Köln, die unten noch zu besprechende thronende Tyche
mit je einem Füllhorn beiderseits des Thrones und die Statuette eines kleinen
Mädchens, sowie die Mainzer Terrakotte einer Venus mit entblößtem Ober-
körper genannt5), die alle drei auf hellenistische Vorbilder zurückzuführen
sind. Die wiederholte Abformung von Terrakottafiguren aus vorhandenen Mo-
deln und umgekehrt die Herstellung von Modeln durch Abformung von vor-
handenen Terrakotten ermöglichte ein ungewöhnlich zähes und ungebrochenes
Weiterleben von einmal geschaffenen Typen, zäher, als es bei den Skulpturen
aus Stein der Fall war, die individuellen Abwandlungen der Typen in stär-
kerem Maße unterworfen waren als die Tonplastiken6).
Die Statuette läßt sich in allgemeiner Form ohne weiteres in den Kreis der
hellenistisch-römischen Personifikationen einordnen. Eine an sich nahe liegende
genauere Bestimmung mit Hilfe der kaiserzeitlichen Münzbilder des Westens
erweist sich jedoch erst nach Umwegen als fruchtbar. Den Grund hierfür wird
eine kurze Musterung der in Betracht kommenden Münzen bald ergeben.
Auf den Münzbildern des Westens kommt die Verbindung von Szepter und
Füllhorn als Abzeichen einer weiblichen Figur nur ziemlich selten vor 7), z. B.
einmal bei Aeternitas unter Titus 8), zweimal bei Italia unter Hadrian 9), drei-
mal bei Concordia unter Antoninus Pius 10) und einmal bei Fides unter Com-
modus u). Eine fest umrissene Bedeutung hat also die Verbindung beider Ab-
zeichen auf den Münzbildern nicht; vielmehr ist, wie auch sonst bei Darstel-
lungen kaiserzeitlicher Personifikationen, mit einer Entlehnung beider Ab-

5) Die Tyche: Germania 11, 1927, 41 Abb. 6; Germania Romana 2. Aufl. Bd. 5 (1930)
Taf. 1, 1. — Die Mädchenstatuette: Germania 17, 1933, Taf. 13. —• Die Mainzer
Venus: Germania 26, 1942, Taf. 3 unten.
°) H. Lehner, Führer d. d. Prov.-Mus. Bonn, 2. Aufl. (1924) 64 fl.; M. Bersu, Germ..
Rom. a. a. O. Text S. 5. — Anhand der großgriechischen Terrakotten aus Unter-
italien bespricht diese Dinge ausführlich E. Jastrow, Abformung und Typen-
wandel in der antiken Tonplastik, in: Opuscula Archaeol. 2 (= Acta Inst. Rom.
Regni Sueciae 5, 1941), 1 fl.
7) Vgl. die nützlichen Zusammenstellungen bei R. Engelhard, De personificationibus,.
quae in poesi atque arte Romanorum inveniuntur. Diss. Göttingen 1881 (im Fol-
genden: Engelhard) 39 ff., die inzwischen ergänzungsbedürftig geworden sind.
Manche Nachweise bei Engelhard kann ich nicht überprüfen, da mir die betref-
fenden Publikationen nicht zur Hand sind.
8) H. Mattingly — E. Sydenham, The Roman Imperial Coinage (im Folgenden: MS.)
II (1926) 130 Nr. 122 und Taf. 4, 65
») MS. II 375 Nr. 307 und Taf. 13, 276; 382 Nr. 368.
m) MS. III (1930) 33 Nr. 65 und Taf. 1, 12; 67 Nr. 330; 68 Nr. 337.
n) MS. III 392 N. 234. — Engelhard 47 nennt außerdem noch einmal Aeternitas un-
ter Vespasian (H. Cohen, Monnaies imperiales, 1. Aufl. I Vesp. Nr. 250) und: davon,
abgeleitet dreimal Felicitas unter Titus (Cohen I Titus Nr. 164—166)..
 
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