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Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 18.1948/​1950

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Nierhaus, Rolf: Eine klassizistische Fortuna-Terrakotte aus Murg (Ldkrs. Säckingen): ein Beitrag zur Ikonographie der Fortuna
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https://doi.org/10.11588/diglit.42247#0102

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98

R. Nierhaus

kommt offenbar aus Alexandria. Dort wurde Tyche besonders als die allmäch-
tige Herrin des Schicksals verehrt, die das Steuerruder in ihren Händen hält,
mit dem sie die Geschicke der Welt und nicht zuletzt auch diejenigen der
Staaten lenkt. Die Frage, ob der Aufstieg Roms einer launenhaften Fügung der
Tyche zuzuschreiben sei, wurde bereits von den hellenistischen Schriftstellern
des 2. Jhdts. erörtert und von Polybios entschieden verneint18). Jedoch mu.3
die Vorstellung von der weltbeherrschenden Tyche mit dem Steuerruder schon
während der Republik wesentlich zur Formung des römischen Tyche-Fortuna-
Bildes beigetragen haben. Während der Kaiserzeit ist jedenfalls Fortuna ohne
das Steuerruder kaum denkbar 19). Auf den kaiserzeitlichen Steinskulpturen des
Westens mit Fortunadarstellungen ist das Steuerruder fast immer zu finden
(fragliche Ausnahmen s. u.), oft zusammen mit dem Füllhorn oder der Welt-
kugel; auf denjenigen aus den germanischen Provinzen fehlt es nie20 und auf
den Münzbildern nur selten; selbst auf den zahlreichen kaiserzeitlichen Münz-
bildern Kleinasiens, also des griechischen Ostens, ist Tyche mit dem Steuer-
ruder die Regel21).
Indessen gibt es unter den Münzbildern wie auch vielleicht in der Großplastik
einige bezeichnende Ausnahmen, von denen wir uns zunächst mit denjenigen
auf den Münzbildern zu befassen haben. Den Ausnahmen unter den Münzbil-
dern ist sämtlich gemeinsam, daß sie, auch wenn das betreffende Münzbild die
Aufschrift F o r t u n a trägt, im Grunde nicht die römische Fortuna meinen,
sondern eine Fortuna, die einen andern Wesenszug der griechischen Tyche wie-
dergibt, der uns noch beschäftigen wird. Rein formal fällt zunächst auf, daß
sich diese vergleichsweise selten vorkommenden Fortunadarstellungen der
Münzbilder ohne das Steuerruder fast alle auf Darstellungen von römischen
Personifikationen zurückführen lassen. So geht das unter Nerva häufige Re-
versbild der nach links sitzenden Fortuna mit Ähren und Szepter und der Um-
schrift FORTVNA P. R.22) auf einen Typus der Concordia aus der Zeit des
Bürgerkrieges 69 n. Chr. zurück23). Das unter Commodus verbreitete Bild mit
FORT. FEL. oder FORT. FELL, Fortuna stehend nach links, einen Fuß auf
einen Schiffsbug setzend und einen caduceus (Heroldstab) und ein doppeltes
Füllhorn haltend24), das ja schon in dem Beinamen einen Hinweis auf Felicitas

18) Polybios 1, 63, 9; 21, 16, 8. Dazu zuletzt H. E. Stier, Welt als Gesch. 7, 1941, 9.
19) RE. VII, 1 (1910) Sp. 41 f. s. v. Fortuna (W. Otto). ML. 1378 ff. — G. Wissowa,
Relig. und Kultus der Römer, 2. Aufl. (1912) 264. — Zu den alexandrinischen
Tyche-Darstellungen s. ML. 1366 f.
20) Vgl. E. Esperandieu, Recueil general. Germ. Rom. (1931) passim.
21) Vgl. die eingehenden Untersuchungen von CI. Bosch, Die kleinasiat. Münzen der
röm. Kaiserzeit, Teil II: Einzelunters., Bd. 1: Bithynien, 1. Heft (1935) 156 f.
22) MS. II 223—228, Nr. 5. 17. 29. 62. 85.
23) Z. B. in den Bürgerkriegserien einmal Concordia sitzend mit Ähren und Szepter
in den Händen: MS. I (1923) 188 Nr. 8. —• Unter Galba Concordia sitzend nach
links mit Zweig und schräg gehaltenem Szepter: ebda. 202 Nr. 28. — Ein ähn-
liches Bild unter Vitellius: ebda. 226 Nr. 3. — Auf die enge Anlehnung der Münz-
typen Nervas an diejenigen Galbas weisen auch MS. II 221 hin.
2i) MS. III 384—428 Nr. 172. 184. 186. 235. 524. 533. 541. Die Bilder sind sich im We-
sentlichen gleich, die Umschriften lauten: FORT. FEL. oder FORT. FELI., dazu
die jeweils von Commodus bekleideten Ämter mit den Iterationszahlen. — Das-
selbe Bild wie die angeführten Münzen tragen die beiden Münzen ebda. 435
Nr. 609 und 437 Nr. 620, jedoch ohne die auf Fortuna hinweisende Umschrift.
Eine Deutung der Bilder auf Fortuna (so MS. a. a. O.) ist nicht ausgeschlossen,
eine solche auf Felicitas ebenso gut möglich; s. nächste Anm.
 
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