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Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 18.1948/​1950

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Dauber, Albrecht: Zur Besiedlung im Karstgebiet nördlich Pforzheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.42247#0139

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Zur Besiedlung im Karstgebiet nördlich Pforzheim

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von außen neue Teile ankristallisierten, bis die heutige Gemarkungsform ent-
standen war.
Mitten im Karstgebiet lag, 2 km südöstlich von Göbrichen, das Dorf Neulingen
oder Neidlingen, das bis ins 14. Jahrhundert hinein Mutterkirche von Isprin-
gen war und im 13. Jahrhundert Ortsadel hatte. Sein Ende ist verhältnismäßig
genau zu bestimmen. 1370 wird es als „nunc prorsus destructa“ bezeichnet,
nachdem es fünf Jahre zuvor noch als bestehend1 * * * * * genannt wurde. Ein Teil seiner
Gemarkung, die Westhälfte fiel an Göbrichen, den Ostteil kann nur Kiesel-
bronn an sich genommen haben (s. o.). Göbrichen bekam durch diese Erbschaft
seine langgezogene, schlauchartige Gestalt. Seine Südgrenze vor der Aufnahme
der Neidlinger Gemarkungshälfte ist leicht zu erkennen, wenn man die ein-
springende Gemarkungsecke südlich des Orts mit der Südwestecke der Gemar-
kung Dürrn verbindet. Seine auffallend gradlinige Ostgrenze erklärt sich nun-
mehr in ihrer Südhälfte als Teilungsschnitt durch das verlassene Neidlinger
Gebiet. Ob dies auch in der geradlinig sich fortsetzenden Nordhälfte der Fall
ist, erscheint zweifelhaft. Man möchte daran denken, wenn man, diese Linie
weiterverfolgend, unmittelbar neben ihr, am Ostrand der Gemarkung Nuß-
baum, die Wüstung Weier findet. Diese ist erstmals erwähnt 1539, wird aber
bereits 1578 als der „abgegangne fleckhen Weyher bey Nyßbom“ erwähnt19).
Als Ausbausiedlung von Nußbaum liegt es zu nahe an dessen Ostgrenze. Falls
es überhaupt eine eigene Gemarkung gehabt hat, müßte diese entlang der
heutigen Nußbaumer Ostgrenze zerschnitten gedacht werden. Damit aber
würde die Gemarkung des immerhin schon 1071 erwähnten Bauschlott nur
noch aus gesammelten Abfällen zusammengesetzt erscheinen, was nicht wahr-
scheinlich ist. Vermutlich war also dieses Weier nur ein kurzlebiger Hof, der
bald wieder einging. Auch die Ostgrenze Göbrichens darf damit wohl in ihrer
nördlichen Hälfte als alt angesehen werden.
Die Anlässe, die zum Erliegen von Siedlungen geführt haben, sind im einzel-
nen mannigfacher Art23). Häufig werden Kriege oder Feuersbrunst Ortschaften
zerstört haben. In der Rheinaue sind es fast durchweg Hochwasserkatastrophen,
die vor der Tulla’schen Stromregulierung eine große Zahl von Orten ver-
schlangen, oder durch Zerreißen und Vermuren ihrer Ackerflächen zur Umsied-
lung zwangen. Für unser Neidlingen macht M. Walter21) das Einbrechen eines
ausgedehnten Dolinenfeldes verantwortlich, eine einleuchtende Erklärung für
jeden, der einmal die Stelle des ehemaligen Ortes gesehen hat. Auch an Was-
sermangel muß gerade hier im Karstgebiet gedacht werden, wenn eine Quelle,
an die sich eine Siedlung angeschlossen hatte, beim Wachsen des Ortes nicht
mehr ausreichte oder gar plötzlich versiegte.
Die Beobachtung, daß die Verödungen sich in einem bestimmten Zeitraum
häufen, legt es aber nahe, neben den Einzelanlässen nach einem gemeinsamen
Grund für das Massensterben von Siedlungen gerade im 12. bis 14. Jahrhundert
zu suchen. O. Paret22) möchte einen solchen in einer der Trockenperioden sehen,
für die er einen 800jährigen Zyklus glaubt nachweisen zu können. Gerade hier
im Karstgebiet hat diese Erklärung viel für sich. Eine eingehende Unter-
19) Lacroix, Hirschfeld, Paeseler, Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Pforzheim
Land (1938) 4.
20) K. Weller, Besiedlungsgeschichte Württembergs, Band III: Besiedlungsgeschichte
Württembergs vom 3.—13. Jahrhundert n. Chr. (1938) 273 ff.
21) M. Walter a. a. O. 44.
22) o. Paret, Das neue Bild der Vorgeschichte (1947), mündliche Ergänzung 1948
 
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