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Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 18.1948/​1950

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Garscha, Friedrich; Hammel, Karl; Kimmig, Wolfgang; Kraft, Georg; Schmid, Elisabeth: Eine Dorfanlage des frühen Mittelalters bei Merdingen (Ldkrs. Freiburg)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42247#0169

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Eine Dorfanlage des frühen Mittelalters bei Merdingen

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sucht42). In den Bestimmungen bezüglich der Waldnutzung geben die Zahl und
Art der zum Bau benötigten Hölzer wichtige Hinweise auf die Bauweise des
mittelalterlichen Bauernhauses. Die Belege stammen aus dem Unterelsaß, wo
die fränkische Gehöftanlage vorherrscht, und Wohnhaus, Scheune und Ställe
klar getrennt voneinander um einen Hof herumliegen.
Aus dem 13. Jahrhundert nennt das Weistum von Bösenbiesen bei Schlettstadt
fünf Hölzer, die der Baulustige für Übertür, Schwelle, Firstbalken und zwei
Säulen (wohl die Firstpfosten) benötigt. Von den Eckpfosten ist nicht die Rede.
Sollte hier der Zweipfostentyp des karolingischen Grubenhauses noch nach-
klingen?
Im gleichzeitigen Weistum von Haslach wird die Strafe in der Form ange-
droht, daß dem dingsäumigen Schöffen die unteren Wände des Hauses bis an
die vier Pfosten und die „bant“, die an den First langen, abgebrochen werden
sollen. Hier handelt es sich also um einen Dachstuhl, der auf den Eckpfosten
aufsitzt und durchgehende Firstträger unnötig macht.
Das Weistum von Andolsheim von 1431 spricht von dreizehn Hölzern, die
jedem Huber zu einem Hause zustehen (vier Schwellbalken, vier Eckständer,
vier Holme darauf und den Firstbalken?).
Eine Gehöftanlage aus Haus, Scheuer und Stall (oder Trotthaus) bestehend,
wird erstmals 1560 in der Waldordnung von Bischofsheim und Börsch ge-
nannt. Zu seinem Bau werden zwölf eichene Hölzer verabreicht.
Für den Breisgau sind solche Weistümer zumindest für die Bauweise noch
nicht erschlossen, aber auch in den unterelsässischen Quellen spricht manches
dafür, daß die in Merdingen beobachteten Bauweisen auch links des Rheins
und noch ein bis zwei Jahrhunderte später scheinbar ziemlich unverändert
geübt wurden.
Das Ergebnis.
Im ganzen besteht im wesentlichen Übereinstimmung zwischen dem archä-
ologischen Befund und der spärlichen, schriftlichen Überlieferung, sowohl in
ihrer älteren Schicht, also auch in den jüngeren Weistümem. Beachtenswert
erscheint immerhin die Tatsache, daß in den Weistümern des Unterelsaß immer
nur die konstruktiv entscheidenden Elemente des Hauses erwähnt werden und
weder von den Dachsparren, noch von den Wänden und deren Bestandteilen die
Rede ist. Man ist versucht, noch für das Hochmittelalter in den ersteren die
wertmäßig wichtigsten Teile des Hauses zu erblicken und für die Wand- und
Dachbildung verhältnismäßig bescheidene und auf dem Wege der Selbst-
beschaffung zu erlangende Baustoffe anzunehmen.
Angesichts des sehr urtümlich wirkenden oberdeutschen Einhauses (s. Anm. 41)
und seines Vorkommens in bereits entwickelter Form (wie etwa in Schönfeld)
im 13. und 14. Jahrhundert einerseits, des Befundes von Merdingen mit offenen
Gehöften aus Haupthaus und untergeordneten, kleinen Grubenhäusern, im
11.—12. Jahrhundert, seines Vorläufers in Gladbach (6.—9. Jahrhundert) und
der aus rechtsgeschichtlichen Quellen gewonnenen Hinweise andererseits, liegt
der Schluß nahe, daß es sich bei beiden Erscheinungsformen mit größter Wahr-
scheinlichkeit um zwei aus verschiedener Wurzel erwachsene Haus- und Sied-

42) K. R. Kollnig, Die volkskundliche Bedeutung der elsässischen Weistümer, Els.-
Lothr. Jahrb. 18, 1939, 172—93, besonders 188 f.
 
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