sie hatte den blonden Scheitel vergoldet, in die blauen Augen geschaut
und hatte die weissen Glieder im Strom ihrer Strahlen gebadet. Dann
aber war die Sonne müde geworden, müde vom Schenken und vom
Schaffen. Sie wollte nichts mehr wissen von der Welt da unten und
sich selber gehören und wandelte träumend ihre Bahn dem Untergange
zu. Den Rest ihrer Strahlenfülle hatte sie ausgeschüttet wie jemand,
der ein Ende machen will, und kümmerte sich nicht um das Schicksal
dieser ihrer letzten Gabe. Und das hingeschüttete Sonnenlicht schmiegte
sich an die Erde voller Inbrunst und Angst und bat sie: du bist jetzt
meine Heimat; verlass mich nicht! Aber die Erde ist kalt und treulos,
und das Sonnenfeuer brannte aus; noch eine letzte Lohe, noch eine
letzte Glut, noch ein letztes stilles Leuchten, und die Schatten kamen,
und die Nacht kam.
Sie kam auch auf den Felsgipfel, auf dem die reisende Familie
um die Mittagszeit gerastet hatte. Das Heidekraut hielt in seinen un-
zähligen Knöspchen und Blättchen Tageswärme gefangen. Darum
streckte der Jüngling wohlig seine Glieder. Er sah die Sterne über
sich hinziehen und horchte auf die Stimme der Einsamkeit. Auf seiner
Brust aber lag der Strauss, den die Jungfrau, als sie sich die Haare
löste, zur Seite gelegt hatte. Hier hat mein Weib geruht, hatte er
gerufen, als er den Strauss gefunden. Hier will ich auch ruhen.
Während er bald die Augen geschlossen hielt, bald in die Sterne sah,
dachte er an seine gütige Mutter, und der welke Strauss an seiner
Brust flüsterte seinem Herzen ahndungsvolle Grüsse zu.
Aber die Erde hielt der Finsternis ebensowenig die Treue wie dem
Sonnenlicht, sie wand sich leise aus ihren Armen los und wartete
sehnsüchtig des neuen Tages.
* *
*
Er graute auf.
Und nun kamen sie. Ein Stampfen und Wiehern. Wie ein Hagel-
schauer ging es nieder, dort unten in der Finsternis; und dann klang
es hell wie Stein an Stein, und der Kies stob in die Höhe, und die
Schatten huschten vorbei dicht in der Nähe. Und weiter dort vornen,
wo der bleiche Nebel auf der Wiese lag, dort rauschte es, wie wenn
der Strom das Ufer zerreisst und sich ins Niedere stürzt.
Der Jüngling lag und lauschte und spähte.
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und hatte die weissen Glieder im Strom ihrer Strahlen gebadet. Dann
aber war die Sonne müde geworden, müde vom Schenken und vom
Schaffen. Sie wollte nichts mehr wissen von der Welt da unten und
sich selber gehören und wandelte träumend ihre Bahn dem Untergange
zu. Den Rest ihrer Strahlenfülle hatte sie ausgeschüttet wie jemand,
der ein Ende machen will, und kümmerte sich nicht um das Schicksal
dieser ihrer letzten Gabe. Und das hingeschüttete Sonnenlicht schmiegte
sich an die Erde voller Inbrunst und Angst und bat sie: du bist jetzt
meine Heimat; verlass mich nicht! Aber die Erde ist kalt und treulos,
und das Sonnenfeuer brannte aus; noch eine letzte Lohe, noch eine
letzte Glut, noch ein letztes stilles Leuchten, und die Schatten kamen,
und die Nacht kam.
Sie kam auch auf den Felsgipfel, auf dem die reisende Familie
um die Mittagszeit gerastet hatte. Das Heidekraut hielt in seinen un-
zähligen Knöspchen und Blättchen Tageswärme gefangen. Darum
streckte der Jüngling wohlig seine Glieder. Er sah die Sterne über
sich hinziehen und horchte auf die Stimme der Einsamkeit. Auf seiner
Brust aber lag der Strauss, den die Jungfrau, als sie sich die Haare
löste, zur Seite gelegt hatte. Hier hat mein Weib geruht, hatte er
gerufen, als er den Strauss gefunden. Hier will ich auch ruhen.
Während er bald die Augen geschlossen hielt, bald in die Sterne sah,
dachte er an seine gütige Mutter, und der welke Strauss an seiner
Brust flüsterte seinem Herzen ahndungsvolle Grüsse zu.
Aber die Erde hielt der Finsternis ebensowenig die Treue wie dem
Sonnenlicht, sie wand sich leise aus ihren Armen los und wartete
sehnsüchtig des neuen Tages.
* *
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Er graute auf.
Und nun kamen sie. Ein Stampfen und Wiehern. Wie ein Hagel-
schauer ging es nieder, dort unten in der Finsternis; und dann klang
es hell wie Stein an Stein, und der Kies stob in die Höhe, und die
Schatten huschten vorbei dicht in der Nähe. Und weiter dort vornen,
wo der bleiche Nebel auf der Wiese lag, dort rauschte es, wie wenn
der Strom das Ufer zerreisst und sich ins Niedere stürzt.
Der Jüngling lag und lauschte und spähte.
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