Indessen deckte drinnen in der Stube der Müller den Korb auf,
der mit lauter fest geknoteten bunten Taschentüchern gefüllt war.
„Schau her, Balthes! Du willst dein Haus verkaufen, wegen den
Schulden, die dein Einziger gemacht hat. Das darfst du nicht. So
ein Haus kann niemand werten als deine Enkel. Denen muss es
bleiben.“
Er knüpfte eines der faustgrossen Bündel auf. Da blitzten und
rollten die goldenen Napoleon draus hervor. Fünfzig sind in den
roten Nastüchern, in den gelben und blauen hat’s bloss ihrer dreissig.
Alles in allem betrifft’s 16000 Gulden“, erläuterte Blasius. „Meinst
das längt?“
„Mach’s weg! Ich will’s nicht. Mein Haus ist im höchsten Fall
zehn Tausender wert. Das andere zahlen meine Reben.“
„So nimm, was du brauchst!“
„Nichts, keinen roten Heller! Das Geld hast für die grosse
Hypothek auf deine Mühl zusammengespart.“
„Dir lehn ich’s mit Willen!“
Des Grethmeisters wimpernlose Augen bekamen rote Ränder. Er
wischte dran herum: „Hätt nicht gedacht, dass mir einer so gesonnen
ist, wie du! Bläsi, bist ein guter Kamerad.“
„Wo ich dich über sechzig Jahr kenn — —!“
„Da hast meine Hand. Ich nehm deine Guttat für empfangen;
aber mit dem Geld gehst fort. Das ist mein letztes Wort.“
„Möschenmoserin!“ Diesmal rief’s Jost Balthasar.
Gehorsam trat die Witwe ein. Auf ihrem nicht eben schönen
Gesicht, dem die stramme tapfere Lebensführung einen erquicklichen
Stempel von vernünftiger Rechtschaffenheit aufgeprägt, lag grenzenlose
Betrübnis. Sie sah, sie musste den Korb wegtragen. — Einen Augen-
blick später war Jost Balthasar allein. War er Sieger?
Triumphierend wenigstens war er gar nicht.
Blasius, der Herrenmüller, hatte vergnügter ausgeschaut, als er, die
Zunge in eine Wangenseite gesteckt, vor seiner Wirtschafterin her dem
Ratszimmer zugeschritten war.
Nach einer halben Stunde kam er wieder heraus mit dem
Lächeln eines verschmitzten Schulbuben: „Das hätt’s es!“ sagte er
und ging nochmal in die Drachengasse. Dort trat er bei seinem
Freunde ein.
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der mit lauter fest geknoteten bunten Taschentüchern gefüllt war.
„Schau her, Balthes! Du willst dein Haus verkaufen, wegen den
Schulden, die dein Einziger gemacht hat. Das darfst du nicht. So
ein Haus kann niemand werten als deine Enkel. Denen muss es
bleiben.“
Er knüpfte eines der faustgrossen Bündel auf. Da blitzten und
rollten die goldenen Napoleon draus hervor. Fünfzig sind in den
roten Nastüchern, in den gelben und blauen hat’s bloss ihrer dreissig.
Alles in allem betrifft’s 16000 Gulden“, erläuterte Blasius. „Meinst
das längt?“
„Mach’s weg! Ich will’s nicht. Mein Haus ist im höchsten Fall
zehn Tausender wert. Das andere zahlen meine Reben.“
„So nimm, was du brauchst!“
„Nichts, keinen roten Heller! Das Geld hast für die grosse
Hypothek auf deine Mühl zusammengespart.“
„Dir lehn ich’s mit Willen!“
Des Grethmeisters wimpernlose Augen bekamen rote Ränder. Er
wischte dran herum: „Hätt nicht gedacht, dass mir einer so gesonnen
ist, wie du! Bläsi, bist ein guter Kamerad.“
„Wo ich dich über sechzig Jahr kenn — —!“
„Da hast meine Hand. Ich nehm deine Guttat für empfangen;
aber mit dem Geld gehst fort. Das ist mein letztes Wort.“
„Möschenmoserin!“ Diesmal rief’s Jost Balthasar.
Gehorsam trat die Witwe ein. Auf ihrem nicht eben schönen
Gesicht, dem die stramme tapfere Lebensführung einen erquicklichen
Stempel von vernünftiger Rechtschaffenheit aufgeprägt, lag grenzenlose
Betrübnis. Sie sah, sie musste den Korb wegtragen. — Einen Augen-
blick später war Jost Balthasar allein. War er Sieger?
Triumphierend wenigstens war er gar nicht.
Blasius, der Herrenmüller, hatte vergnügter ausgeschaut, als er, die
Zunge in eine Wangenseite gesteckt, vor seiner Wirtschafterin her dem
Ratszimmer zugeschritten war.
Nach einer halben Stunde kam er wieder heraus mit dem
Lächeln eines verschmitzten Schulbuben: „Das hätt’s es!“ sagte er
und ging nochmal in die Drachengasse. Dort trat er bei seinem
Freunde ein.
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