viertes Kapitel.
Ergänzungen.
ie Art, wie sich das Bild des „Gevatters Seekatz" in Goethes „Wahr-
heit und Dichtung" deutlich von dem kreise der übrigen Maler abhebt,
verrät unverkennbare Spuren einer bevorzugenden Sympathie, die
einst den jungen Wolfgang Goethe gerade mit dem Darmstädter Maler eng
verbunden hatte, freilich diese Neigung mochte zum Teil ihren einfachen
Grund darin haben, daß sich Seekatz mehr, als alle anderen mit dem frühreifen
Knaben beschäftigte, zu dem er sich — wie zu den Kindern überhaupt (das
geht deutlich aus seinem gesamten künstlerischen Material hervor!) — beson-
ders hingezogen fühlte. Es lag in seiner Art, als stiller Beobachter des Natür-
lichen und Ursprünglichen, auf alle Gedanken und Einfälle der Jugend mit
innerem Interesse einzugehen. Zum Teil aber mochte die Vorliebe des jungen
Goethe für Seekatz tiefer begründet liegen in dem lebendigen Anteil an den
launigen und gemütvollen Schöpfungen des Malers, in denen sich meistens
der Inhalt irgend einer kleinen, beschaulichen Erzählung verbarg, und die
einer regen Phantasie mancherlei Anlaß zum „Zabulieren" bot. wie wenig
wir nun auch über diese gemeinsamen Stunden in der Giebelstube am Hirsch-
graben wissen, bei deren Erinnerung der Leipziger Student Goethe den
verstorbenen Seekatz mit Stolz seinen „Zreund" nannte^, so genügt doch die
kurze Bemerkung von den „natürlichen und unschuldigen Vorstellungen"?,
die dem Grafen Thoranc von Seekahens pinsel am meisten zusagten, als Hin-
weis, welcher Art die Zeekatzschen Gemälde waren, die Wolfgang Goethe
auch schon vor der Ankunft des Königsleutnants im väterlichen Hause zu
sehen Gelegenheit hatte. Es waren kleine Genrebilder, wie sie aus dieser Zeit
signiert sich noch im Dessauer Amalienstifte befinden?, und wie sie uns als
bestes Beispiel das Gemälde der „Pflaumenverkäuferin" veranschaulicht, dessen
Ausführung in das Iahr t758 fällt. (Abbildung 5.) Es ist nicht schwer zu
begreifen, was bei derlei Szenen das Entzücken des jugendlichen Betrachters
erwecken mußte: die Natürlichkeit der Beobachtung und die Einfachheit der
Auffassung, durch die das alltägliche Geschehen zu einer Handlung umgestaltet
schien, zwangen in dem Hause am Hirschgraben Alt und Jung zu gleicher Be-
geisterung. Diese Eigenart der Beobachtung aber wurzelte tief in der Persön-
lichkeit des Malers, von der im folgenden kurz die Nede sein soll.
1 In einem Brief an Gser vom 9. Nov. 1768 (Sofienausgabe Bd. I 5. 180).
2 Diese und die folgenden in Anführungszeichen gegebenen Stellen sind sämtlich dem vierten Buche
aus „Wahrheit und Dichtung" entnommen.
s Diese Gemälde in Dessau sind aus Frankfurter Auktionen und Frankfurter Privatbesitz — nament-
lich aus der Nachlatzversteigerung Nothnagels! — erworben worden.
Ergänzungen.
ie Art, wie sich das Bild des „Gevatters Seekatz" in Goethes „Wahr-
heit und Dichtung" deutlich von dem kreise der übrigen Maler abhebt,
verrät unverkennbare Spuren einer bevorzugenden Sympathie, die
einst den jungen Wolfgang Goethe gerade mit dem Darmstädter Maler eng
verbunden hatte, freilich diese Neigung mochte zum Teil ihren einfachen
Grund darin haben, daß sich Seekatz mehr, als alle anderen mit dem frühreifen
Knaben beschäftigte, zu dem er sich — wie zu den Kindern überhaupt (das
geht deutlich aus seinem gesamten künstlerischen Material hervor!) — beson-
ders hingezogen fühlte. Es lag in seiner Art, als stiller Beobachter des Natür-
lichen und Ursprünglichen, auf alle Gedanken und Einfälle der Jugend mit
innerem Interesse einzugehen. Zum Teil aber mochte die Vorliebe des jungen
Goethe für Seekatz tiefer begründet liegen in dem lebendigen Anteil an den
launigen und gemütvollen Schöpfungen des Malers, in denen sich meistens
der Inhalt irgend einer kleinen, beschaulichen Erzählung verbarg, und die
einer regen Phantasie mancherlei Anlaß zum „Zabulieren" bot. wie wenig
wir nun auch über diese gemeinsamen Stunden in der Giebelstube am Hirsch-
graben wissen, bei deren Erinnerung der Leipziger Student Goethe den
verstorbenen Seekatz mit Stolz seinen „Zreund" nannte^, so genügt doch die
kurze Bemerkung von den „natürlichen und unschuldigen Vorstellungen"?,
die dem Grafen Thoranc von Seekahens pinsel am meisten zusagten, als Hin-
weis, welcher Art die Zeekatzschen Gemälde waren, die Wolfgang Goethe
auch schon vor der Ankunft des Königsleutnants im väterlichen Hause zu
sehen Gelegenheit hatte. Es waren kleine Genrebilder, wie sie aus dieser Zeit
signiert sich noch im Dessauer Amalienstifte befinden?, und wie sie uns als
bestes Beispiel das Gemälde der „Pflaumenverkäuferin" veranschaulicht, dessen
Ausführung in das Iahr t758 fällt. (Abbildung 5.) Es ist nicht schwer zu
begreifen, was bei derlei Szenen das Entzücken des jugendlichen Betrachters
erwecken mußte: die Natürlichkeit der Beobachtung und die Einfachheit der
Auffassung, durch die das alltägliche Geschehen zu einer Handlung umgestaltet
schien, zwangen in dem Hause am Hirschgraben Alt und Jung zu gleicher Be-
geisterung. Diese Eigenart der Beobachtung aber wurzelte tief in der Persön-
lichkeit des Malers, von der im folgenden kurz die Nede sein soll.
1 In einem Brief an Gser vom 9. Nov. 1768 (Sofienausgabe Bd. I 5. 180).
2 Diese und die folgenden in Anführungszeichen gegebenen Stellen sind sämtlich dem vierten Buche
aus „Wahrheit und Dichtung" entnommen.
s Diese Gemälde in Dessau sind aus Frankfurter Auktionen und Frankfurter Privatbesitz — nament-
lich aus der Nachlatzversteigerung Nothnagels! — erworben worden.