Zwölftes Napitel.
Seekatz und der Frankfurter Malerkreis und ihr Verhältnis zum
19. Jahrhundert.
ist ein besonderer Zug in der künstlerischen Auffassung des Zohann
Conrad Seekatz, daß die Armut und Dürftigkeit von seinem pinsel
im Bilde wiedergegeben (vergl. 5. 80), so gar nichts Schmerzendes
hat, und daß auch seine Bettler- und Zigeunergestalten wie in eine fried-
liche Atmosphäre getaucht erscheinen. Dieser Eigentümlichkeit entspricht eine
Mäßigung auch nach der umgekehrten Seite. Nicht nur das Elend, auch der
laute Übermut, wie er sich auf den niederländischen Vorbildern Seekahens
dargestellt findet, bei den Saufgelagen und Raufereien des Brouwer oder
Ostade muß einer anderen, gedämpfteren Stimmung Platz machen. Es ist
eine ganz eigene Laune, die plötzlich auf allen den oft wiederholten Genre-
szenen zum Ausdruck kommt, und bei der das „AUzubarocke", Übertriebene,
das dem Geschmacke des siebzehnten Jahrhunderts entsprochen hatte, immer
mehr verschwindet. Oie Inhalte verschieben sich langsam vom Oerb-Vrasti-
schen zum Bieder-Gemütlichen. Und das ist nicht nur bei Seekatz so, sondern
hier stoßen wir auf eine Bewegung, deren Wiederklänge wir auch zuweilen
bei seinen Frankfurter Nollegen entdecken können, vor allem bei Justus Juncker.
Auch er, der sein ganzes Leben lang unentwegt bei seinen Gbst- und Blu-
menstücken im Geleise der niederländischen Tradition geblieben war, macht be-
wußt oder unbewußt eine ähnliche Wandlung durch. Es war das ungefähr
um die Mitte des fünften Jahrzehntes, als plötzlich auch an einzelnen Por-
zellanmanufakturen neben den Figuren der Schäfer und Gärtner Bäcker-
und Schustergruppen modelliert wurden, als Fiedler in Darmstadt seine Iahres-
zeitallegorien als Gbst- und Gemüseverkäuferinnen darstellte. Juncker hatte
einst bei den Alchgmistenszenen des Thomas Wgck begonnen und hatte sich
einsam grübelnde, alte Gelehrte zum Modell genommen, die in dunklen
Gewölben über vergilbten Büchern brüteten inmitten einer Ansammlung
wunderlicher Gerätes Aber diese düsteren Magier mit ihren Zauberbüchern
und Wundermitteln verlieren nun zuweilen ihre Unheimlichkeit und werden
immer ungefährlicher und — „bürgerlicher". Es bleibt wohl noch ein Rest
alter Zauberherrlichkeit bestehen, besonders was den reichhaltigen Stilleben-
aufwand von Folianten und Phiolen betrifft, aber dazwischen erscheint nun
an Stelle der langbärtigen Gelehrten ein zünftiger Apothekermeister, der
r Zwei derartige Bilder bei §rl. von Zoeden in Mainz, ein weiteres bei Herrn E. Schlitz eben-
dort. Zwei ähnliche — allerdings etwas fragliche — Exemplare im Gemäldetabinett des frankfurter
Goethehauses.
Bamberger. I. C. Seekatz.
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Seekatz und der Frankfurter Malerkreis und ihr Verhältnis zum
19. Jahrhundert.
ist ein besonderer Zug in der künstlerischen Auffassung des Zohann
Conrad Seekatz, daß die Armut und Dürftigkeit von seinem pinsel
im Bilde wiedergegeben (vergl. 5. 80), so gar nichts Schmerzendes
hat, und daß auch seine Bettler- und Zigeunergestalten wie in eine fried-
liche Atmosphäre getaucht erscheinen. Dieser Eigentümlichkeit entspricht eine
Mäßigung auch nach der umgekehrten Seite. Nicht nur das Elend, auch der
laute Übermut, wie er sich auf den niederländischen Vorbildern Seekahens
dargestellt findet, bei den Saufgelagen und Raufereien des Brouwer oder
Ostade muß einer anderen, gedämpfteren Stimmung Platz machen. Es ist
eine ganz eigene Laune, die plötzlich auf allen den oft wiederholten Genre-
szenen zum Ausdruck kommt, und bei der das „AUzubarocke", Übertriebene,
das dem Geschmacke des siebzehnten Jahrhunderts entsprochen hatte, immer
mehr verschwindet. Oie Inhalte verschieben sich langsam vom Oerb-Vrasti-
schen zum Bieder-Gemütlichen. Und das ist nicht nur bei Seekatz so, sondern
hier stoßen wir auf eine Bewegung, deren Wiederklänge wir auch zuweilen
bei seinen Frankfurter Nollegen entdecken können, vor allem bei Justus Juncker.
Auch er, der sein ganzes Leben lang unentwegt bei seinen Gbst- und Blu-
menstücken im Geleise der niederländischen Tradition geblieben war, macht be-
wußt oder unbewußt eine ähnliche Wandlung durch. Es war das ungefähr
um die Mitte des fünften Jahrzehntes, als plötzlich auch an einzelnen Por-
zellanmanufakturen neben den Figuren der Schäfer und Gärtner Bäcker-
und Schustergruppen modelliert wurden, als Fiedler in Darmstadt seine Iahres-
zeitallegorien als Gbst- und Gemüseverkäuferinnen darstellte. Juncker hatte
einst bei den Alchgmistenszenen des Thomas Wgck begonnen und hatte sich
einsam grübelnde, alte Gelehrte zum Modell genommen, die in dunklen
Gewölben über vergilbten Büchern brüteten inmitten einer Ansammlung
wunderlicher Gerätes Aber diese düsteren Magier mit ihren Zauberbüchern
und Wundermitteln verlieren nun zuweilen ihre Unheimlichkeit und werden
immer ungefährlicher und — „bürgerlicher". Es bleibt wohl noch ein Rest
alter Zauberherrlichkeit bestehen, besonders was den reichhaltigen Stilleben-
aufwand von Folianten und Phiolen betrifft, aber dazwischen erscheint nun
an Stelle der langbärtigen Gelehrten ein zünftiger Apothekermeister, der
r Zwei derartige Bilder bei §rl. von Zoeden in Mainz, ein weiteres bei Herrn E. Schlitz eben-
dort. Zwei ähnliche — allerdings etwas fragliche — Exemplare im Gemäldetabinett des frankfurter
Goethehauses.
Bamberger. I. C. Seekatz.
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