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Berger, Ludwig
Joh. Conrad Seekatz: ein deutscher Maler des achtzehnten Jahrhunderts : sein Leben und seine Werke — Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen, Band 2: Heidelberg: Verlag Carl Winters Universitätsbuchhandlung, 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.57084#0081
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Josef, die natürlich gerade im 18. Jahrhundert zu den allerbeliebtesten Themen
gehörte — ausschließlich Btoffe aus dem Neuen Testament sind, die Beekatz
in der Folgezeit behandelt, während in Osthofen doch noch das Alte Testament
gleichmäßig neben dem Neuen seine Nolle spielte, deutet auf einen Einfluß
der Mannheimer Nunst zurück,- denn die Hofmaler, die an ältere aus dem
Büden kommende Traditionen anknüpften, schöpften — so sie sich der Bibel
als Folie bedienten — in der Hauptsache aus dem Neuen Testament, im Gegen-
satz zu der Nembrandtschule, die nach dem Vorbild ihres Meisters der patriar-
chen-Geschichte und den erzählenden Büchern des Men Testaments den Vor-
zug gab. Oie beliebtesten Themen in der Hofmalerei bildeten neben der „büßen-
den Magdalena" die Geschichte von Lhristus und der Ehebrecherin, oder Lhristus
und der Bamariterin am Brunnen, bei denen in der Negel das Hauptaugenmerk
auf die weibliche Figur gerichtet wurde, die nach dem aus Frankreich und
Italien entlehnten modischen Ideal der schönen halbnackten Frau zurecht-
gestutzt, den gefälligen Mittelpunkt der ganzen Nomposition ausmachte.
Bo ist es wohl kein Zufall, daß wir zunächst auch bei Beekatz einer dieser Dar-
stellungen begegnen, die er in ungezählten Varianten in der Mannheimer
Residenz gesehen hatte: „Ehristus und die Ehebrecherin" (in der Mainzer
städt. Galerie). Zwar hatte auch Merian in dem Johannis-Evangelium seiner
Bibel eine Btichillustration zu dieser Geschichte gegeben, und an den Emporen
der Wormser Oreifaltigkeitskirche findet sie sich treu nach diesem Muster von
der Hand des Johann Martin Beekatz gemalt. Bein Bohn Johann Lonrad aber
hat sich hier von dem alten Vorbild losgesagt, und außer dem gewählten Augen-
blick, in dem Lhristus sich gerade niederbeugt und mit seinem Finger Zeichen
auf den Boden schreibt, behält er nichts mehr von der Merianschen Nomposition
bei. Oer Hauptunterschied zwischen den beiden Darstellungen liegt wohl
darin, daß auch bei Beekatz nun nicht mehr Ehristus die Hauptfigur geblieben
ist, sondern daß die Ehebrecherin, als einzige hell-beleuchtete Figur, sofort
das ganze Interesse des Beschauers auf sich lenkt. Bei Merian war noch durch
eine gewisse Isolierung der beiden Hauptfiguren das ruhige Nebeneinander
zweier gleichmäßiger Akzente gewahrt geblieben. Beekatz aber nimmt dadurch,
daß er das Ganze zu einer Gruppe zusammenzieht, der Handlung die Nlarheit,
indem er kompositionell die handelnde Figur — den gebeugten schreibenden
Ehristus — der herbeigeführten Ehebrecherin unterordnet. Auf diese Art
verliert zwar der Vorgang an sich etwas von der Deutlichkeit, aber durch das
Näherzusammenrücken zweier getrennt stehenden Figuren zu einem Nnäuel
gewinnt die Erzählung an Lebendigkeit und Unmittelbarkeit, auf die es dem
jungen Maler im Gegensatz zu der ihm wohlbekannten Btichkomposition Merians
scheinbar ankam, die ihm jetzt etwas tot und gleichgültig vorgekommen sein
mag. Bo steht das Weib nicht mehr allein Lhristus gegenüber, sondern eng

i Nutzer der beliebten Potiphar-Geschichte wurden aus den alttestamentlichen Büchern die Szenen
besonders bevorzugt, deren symbolischer Gehalt eben auch irgendwie in höfischem Sinne allegorisch ver-
wendbar war — wie das „Salomons-Urteil", das stets eine gewünschte Beziehung zu der Gerechtigkeit
der Fürsten bieten konnte, und von dem es eine treffliche Darstellung von der Hand des van der kverff in den
Uffizien gibt (die Grisaille-Zkizze dazu in Schleitzheim) oder einige Augenblicke aus der Esthergeschichte,
in denen man gerne eine parallele zu dem Verhältnis der Fürsten und ihrer vkaitressen erkannte —.
 
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