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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 21.1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.48816#0336
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Das Loggbilch des Kapitains Eisenfinger.
Roman
Von
Balduin Möllhauscn.
l^ortit-I,ung.) (Nachdruck verboten.)
s gibt aber, so sagte mein alter Maat zu
mir," fuhr Barnabas Ro-
stig in seinen Mittheilun-
gen an Priscilla fort,
„auch junge Maats, die
durch einen guten Rath
von einem schlechten Kurse abgelenkt
werden können. Für alle diese schaffe
Dir ein warmes Herz an. Lindere
Noth, Wo es in Deinen Kräften steht,
tröste, wo man klagt, trockne Thränen,
wo man weint, und aus meinem Grabe
will ich Dich segnen? — Dem sterbenden
Maat versprach ich Alles, und mein
Wort hab' ich gehalten, wo nur immer
sich die Gelegenheit dazu bot. So kam
unsere gute Parchend in mein Haus,
oder vielmehr ich zu ihr —"
„Sie erzählte es mir, Kapitain
Eisenfinger," erwiederte das junge
Mädchen; „Alles, Alles weiß ich —"
„Das hätte sie nicht nöthig gehabt,
am wenigsten aber, noch einige Kom-
plimente mit einzuflechten. Denn ich
selber thue nichts weiter als den
Auftrag eines Anderen erfüllen, und
dafür habe ich mein gutes Brod, was
anderweitig zu erwerben bei der mangel-
haften linken Hand mir schwer genug
Werden sollte. So hast auch Du für
nichts zu danken, das kann ich nicht
oft genug wiederholen; denn eine An-
hänglichkeit, die meiner Person gilt, ist
mir viel mehr Werth, als Dankbarkeit
für geleistete Gefälligkeiten, und so
gut ist ja nichts, daß es nicht besser
sein könnte.
„Wenn ich nun bisher bei meinen
Nachforschungen nach Deiner muth-
maßlich noch lebenden Mutter kein
Glück hatte, so lag's nicht an meinem
guten Willen. Deshalb wollen wir
die Hoffnung immer noch nicht auf-
geben. Geht es doch nirgend wunder-
barer zu, als in der Welt, und ein
schlechter Wind müßte es sein, der
nicht wenigstens Einem etwas Gutes
brächte. Und wie oft, wenn ich hier
und da eine Wittib mit gutem Rath
versah — Du begleitetest mich ja
vielfach — dachte ich in meinem Sinn,
Wenn sich zu einer gewissen Frau

Kramer, der Mutter meines lieben Kindes, doch eben-
falls ein treuer Rathgeber finden möchte."
Hier brach Barnabas Rostig kurz ab. Er hatte
bemerkt, daß auf Priscilla's ihm zugekehrter Wange
ein Thränlein niederwärts rollte, und das verursachte,
daß plötzlich das bekannte getheerte Hanfknäuel ihm in
die Kehle hinauffuhr und ihn zu ersticken drohte. Er
würgte es indessen glücklich wieder hinunter, und um
etwas Zeit zum Sammeln zu gewinnen, schaltete er
bedachtsam einige andere nichtssagende Bemerkungen

Edelfräulein aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts.
Nach einem Gemälde von R. Eisermann. (S. 343)

ein, bis er endlich mit der Bemerkung, daß nichts
so gut fei, um nicht Verbesserungen ertragen zu können,
wieder in seinen alten Kurs cinlenkte.
„An die Gegenwart zu denken, ist keine große
Sache," hob er an, „weil man mitten d'rinnen sitzt.
Aber die Zukunft nicht zu vergessen, das ist's, was
einen vernünftigen Menschen vor den Thieren aus-
zeichnet. Da bin ich denn vor einiger Zeit auf den
Gedanken gerathen, mit den mir zu Gebote stehenden
überschüssigen Mitteln eine Heimstätte für eine acht-
bare Seemannswittib zu gründen, und
zwar so, daß sie bis an ihr Lebens-
ende sich eines sorglosen Daseins er-
freut, nach ihrem Tode aber die Stelle
durch eine andere würdige Person be-
setzt wird. Sterbe ich selber, so ändert's
nichts an der Sache. Dies Alles habe
ich mit der Parchend heimlich besorgt.
Um Dir nun eine kleine Ueberraschung
zu bereiten und Deine Ansichten dar-
über zu vernehmen, stehe ich eben im
Begriff, Dich dahin zu führen. Du
hast viel von dem praktischen Blick
der guten Parchend, wirst mir daher
auf dem Heimwege sagen, wo es nach
Deinem Ermessen noch fehlt — und
so gut ist nichts, daß es nicht besser
fein könnte — was dann schleunigst
in Deinem Sinne geordnet werden soll.
Damit erreiche ich, daß auch Du an
dem Unternehmen betheiligt bist, und
wenn ich das bedenke, ist mir, als legte
ein getreuer Maat, der nunmehr schon
an die' siebenzehn Jahre auf dem
Meeresboden schläft, wieder einmal
feine Hand auf mein altes Herz, um
es einen recht ruhigen Takt schlagen
zu lassen."
Nach dieser kleinen Abschweifung
war Barnabas Rostig wieder einmal
gezwungen, das tückische Hanfknäuel
hinabzuwürgen, eine kurze Pause, welche
Priscilla dazu benutzte, ihre schmale
Hand fest um die dicken Finger zu legen,
und wie dadurch ermuthigt, spann er
sein Garn weiter:
„Der Maat, von dem ich rede,
hieß nämlich Andreas. Seinen an-
deren Namen habe ich nicht geläufig
im Kopf, denn wir nannten uns nur
beim Vornamen. Er war der Sohn
eines armen Fischers, ich, wie Du
weißt, der Aelteste eines berühmten
Predigergeschlechtes, und Beide doch
ein Herz und eine Seele, riKüt.
Dem hatte ich also eines Tages,
als wir noch zusammen fuhren, ver-
sprochen, wenn er vielleicht einmal
draußen bleiben sollte, ein Auge auf
seine Frau und Kinder zu schlagen,
und das habe ich redlich gethan von
 
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