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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 21.1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.48816#0500
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Neber und unter Tage.
Oberschlesische Bergmanns-Novelle
von
A. Oskar Klanßmann.
(Fortsetzung.)
(Nachdruck verboten.)
chwelm war, weil Lottchen so ganz ver-
tieft in ihre Arbeit schien, genöthigt, bis
dicht an den Gartenzaun heran zu treten
und sich durch den Gruß: „Guten Tag,
Fräulein Lottchen!" bemerkbar zu machen.
„Guten Tag, Herr Förster!" Der Gegen-
gruß klang wenig ermuthigend. Das Fräulein sah
nicht einmal auf.
Schwelm stützte sich mit beiden Armen
auf den Gartenzaun und zupfte mit der
linken Hand an den Enden seines dun-
kelrothen Bartes. Dia steckte die Aase
schnuppernd unten durch den Zaun und
wedelte unverdrossen mit dem Schwänze.
Lottchen beachtete indeß weder Jäger
noch Hund.
„SchönesWetter heut'!" sagte endlich
Schwelm.
„Jawohl!"
„Wird wohl auch jetzt schön bleiben,
wenn der Wind so weiter steht."
„Und wenn's nicht regnet."
Pause. Schwelm mißhandelte seinen
Bart, als habe er einen Wilddieb unter
den Händen.
„Der Herr Lieutenant ist doch wohl,
wenn ich fragen darf?"
„Jawohl! Danke für gütige Nach-
frage."
Wieder Pause. Wenn sie ihn wcnig-
s siEal angesehen hätte!
Uber sie that cs nicht. Er war so
verlegen, daß er sich wie ein beim Apfel-
stehlen ertappter Schulbube vorkam.
„Sie sind auch wohl, Fräulein Lott-
chen?"
„Ich danke, es geht!"
In Schwelm's Innern tobte cs. Er
beschloß, einen Gewaltschritt zu thun.
So konnte die Unterhaltung unmöglich
weiter sortgehen; so kam er ja zu gar
keinem Ziele, am allerwenigsten zu dem,
das er sich für heute gesteckt hatte.
„Wissen Sie, Fräulein, was ich
heute Vormittag gemacht habe?" frug
er Plötzlich ganz unvermittelt.
Jetzt sah Lottchen auf, halb ent-
rüstet und halb erstaunt.
„Was Sie heute Vormittag gemacht
haben? Aber, mein Gott, woher soll
und kann ich denn das wissen?"
„Stimmt! Sie können's Nichtwissen.

wie genau waren nicht Frage und Antwort berechnet,
und nun ging der ganze Plan in die Brüche, weil
schon bei der ersten Frage die richtige Antwort aus-
blieb.
Schwelm war aber durchaus nicht der Mann, der
sich durch den ersten verfehlten Anlauf entmnthigcn
ließ.
„Wundern Sie sich nicht, Fräulein Lottchen, daß
ich mir auf einmal so viel Möbel angeschafst habe?"
frng er ganz dreist.
„Nein! Was will das bedeuten, wenn man sich
ein Vogelbauer kauft?"
„Ein Vogelbauer?" frng Schwelm verdutzt.
„Nun ja, darauf wird es Wohl hinauskommcn,"
entgegnete Lottchen. „Wenn Sie von zwei Möbelwagen
erzählen, dann kann man Ihnen doch nicht mehr als
ein Vogelbauer glauben."
„Sie glauben mir also nicht?"
„Aber, Herr Förster, wie käme ich
denn gerade dazu, Ihnen zu glauben,
da Sie durch Ihr Jägerlatein im weite-
sten Umkreise bekannt sind. Die Zu-
muthung ist doch etwas stark."
„O, o!" sagte Schwelm ganz nieder-
geschlagen. „Sie glauben gar nichts von
dein, was ich Ihnen sage, von dem ich
so sehr gewünscht hätte, daß Sie mir
es glauben?"
„Nein, denn Sie wollten mir doch
wieder eine Jagdgeschichte erzählen!"
„Nein, nein! Ihnen erzähle ich über-
haupt keine Jagdgeschichten!"
LMchen stand plötzlich auf, faßte
mit beiden Händen die Zipfel der blauen
Küchenschürze, in welcher die Mohrrüben
lagen und erklärte sehr bestimmt: „Daß
Sie mir keine Jagdgeschichten erzählen,
ist sehr schön von Ihnen. Noch besser
aber wäre es, Sie würden meinen
guten Vater nicht so anlügen, wie Sie
dies erst vorgestern mit der Geschichte
von deni Fuchs und Ihrem Hunde gethan
haben. Vater erzählt in seiner Harm-
losigkeit die Geschichten weiter und macht
sich dadurch lächerlich. Das kann mir
selbstverständlich nicht gleichgiltig sein.
Ich erkläreJhnen hiermit ein- für allemal,
wenn Sie meinen Vater noch einmal
in dieser Weise anlügen, spreche ich in
meinem ganzen Leben kein Wort mehr
mit Ihnen, kein Wort, hören Sie? Das
wollte ich Ihnen nur sagen! Ich empfehle
mich, Herr Förster!"
Sie machte einen raschen Knix, wendete
sich um und ging schnell nach der Hinter-
thüre des Hauses, hinter der sie ver-
schwand.
Schwelm stand wie angedonnert, erst
nach geraumer Weile löste sich die Er-
starrung durch einen kurzen Pfiff.
„Sie ist wild, weil ich dem Alten

Ich habe nämlich Möbel aus der Stadt bekommen.
Zwei Wagen voll!"
Er machte eine Kunstpause und blickte lauernd nach
Lottchen hinüber.
Aber Lottchen schwieg.
Schwelm wurde es ganz heiß. Alles geschah gegen
sein wohlüberlegtes Programm. Nach diesem nämlich
hätte auf die ungeheuerliche Mittheilnng von dem
Möbelempfang hin Lottchen fragen müssen, wozu er
denn -das neue Mobiliar brauche, dann hätte er erwic-
dert, er beabsichtige zu heirathen, und wenn Lottchen
dann neugierig gefragt hätte, wen er denn heirathen
wolle, dann hätte er gesagt, wenn Lottchen nichts da-
gegen hätte, beabsichtige er sie selbst zu heirathen, und
dann wäre er mit Sicherheit und Leichtigkeit an dem
Ziele gewesen, auf das er schon seit Wochen lossteuerte.
Wie schön war dieses Programm nicht ausgeklügelt,

Rudolph Bamubach.
Nach einer Photographie gezeichnet von E. Kolb. (S. Sll)
 
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