Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
52

DasÄuchsüvAll«

ÄrftS

ZU der Antwort durchrang: „Soweit es in meinen Kräften steht,
Erzellenz — mit dem größten Vergnügen."
Dabei verwünschte er im stillen diese törichten gesellschaftlichen
Lügen im allgemeinen und die Generalin, die ihn um den schön
erträumten Abend brachte, im besonderen. Er wünschte sie in das
Land, wo der Cayennepfeffer blüht, oder, falls das noch zu nahe
lag, hinter die Unendlichkeiten der Milchstraße, denn er sagte sich
ganz richtig, wenn man einmal beim Wünschen war, dann nur nicht
kleinlich sein.

as war eine Überraschung für Major Heinrich v. Queri. Gerade
als er drauf und dran war, nach Grinderode zu fahren, weil
es ihm keine Ruhe ließ, daß er seinen Neffen noch immer nicht ge-
sprochen hatte, in dem gleichen Augenblick ging unten die Tür auf,
und eine wohlbekannte Stimme fragte: „Jst's eh' wahr, daß der
Herr Major schon dahier eingezogen ist?"
Und der Major, der auf halber Treppe beim Klang dieser Stimme
zusammengezuckt war, beugte sich weit
über die steinerne Brüstung und schlug
mit der flachen Hand vor Freude
aufs Gesims: „Sirt! Der Justizrat
Kraußer! Das nenn* ich eine Über¬
rumpelung zur rechten Zeit."
„Holderi diö diri!" antwortete er
von unten. „I stör' doch nit, Heber¬
lein. Ja, was halten S' mi denn
auf?"
„Strenge Anweisung ..."
Aber da war der Major schon auf¬
gesprungen, schob den alten Jochim
Heberlein beiseite, breitete die Arme
vor dem Mann aus, der in bestaubten
Schuhen und mit dem Rucksack be¬
laden in der Halle stand: „Wie ge¬
rufen kommen Sie! Wie nach einer
Stecknadel fahnde ich nach Ihnen!
Seit Sie mir das Schriftstück geschickt
haben, fand ich keine ruhige Minute
mehr, ich zählte die Stunden, bis Sie
aus den Bergen zurück wären. Und
nun sind Sie wirklich wieder da?"
„Auf Umwegen. Ich zog ohne
Landkarte mit meinem Felleisen des
Weges. Ein Stück weit fuhr ich auch
mit der Post. Große Reisepläne
schmiede ich ja vorher nie. Wie ich
an die Wilde Ache kam, rauschte das
Wasser so munter, als brächte es mir
Grüße von dem lieben Buchtenhagen.
Da wanderte ich denn hierher und
dachte mir: ich will doch sehen, ob
der Herr Major etwa schon über die
Feiertage hier eingezogen ist. Wenn
nicht, sollt's mich auch weiter nicht verdrießen. In der Herberge
drunten gegen Mittel-Grinderode wollte ich rasten und morgen nach
Ampfing weiter marschieren."
„Jawohl! Nur, daß ich Sie nicht so leicht wieder ziehen lasse,
mein verehrter Justizrat! Für heute bleiben Sie einmal da. Gib
der Rosine Bescheid, Jochim, daß der Herr Justizrat Hubert Kraußer
für diese Nacht hier bleibt."
Der Major führte den unverhofften Gast ins Zimmer und rief
ihm zu: „Abgelegt und Platz genommen und die Beine bequem
ausgestreckt, mein Lieber. Und dann Farbe bekannt! Geben Sie
nur gleich ehrlich zu, daß Ihnen die verflixte Geschichte auch keine
Ruhe gelassen hat!"
Heberlein mußte eine Flasche Rotwein auftragen. Der Justizrat
wehrte sich gegen die Zumutung; er blieb dabei, daß ihn ein Zufall
ins Achetal geführt und er von Haus aus ganz andere Absichten
gehabt habe.
„Nun setzen wir uns erst einmal, Verehrtester. Sie essen mit
mir, nicht wahr? Ich bin ja glücklich, daß Sie mir in meiner Wald-
einsamkeit Gesellschaft leisten. Ich hatte mir das vorher ganz anders
gedacht; aber ich bin es nicht gewöhnt, so von allem und jedem
Verkehr abgeschnitten zu sein. Ich wollte, allen ernsthaften Vor-
sätzen zum Trotz, nur um der Öde hier zu entrinnen, nach Grinderode

zu meinem Neffen fahren. Aber man sagt nicht umsonst: Kommt
der Berg nicht zum Propheten . .." Er schenkte die Gläser ein.
„Na, Sie wissen ja!"
„Nichts weiß ich! Wie ein ahnungsloses Kind sitze ich vor Ihnen,
mein lieber Major Queri!" Er zog den Armstuhl näher an den
Tisch heran, auf dem der Major die Ellenbogen aufgestützt hatte
und aufgeregt die Handflächen aneinander rieb. „Sie sind also
noch allein vorderhand?"
„Stimmt. Mindestens noch vierzehn Tage."
„Und was haben Sie gegen Groß-Grinderode, daß Sie ernst-
hafte Vorsätze brechen müßten, um dahin zu spazieren?"
„Das erfahren Sie noch. Ich werde Ihnen dann von einem
merkwürdigen Besuch meiner Base Regine Walnstein erzählen.
Sie kam katzenfreundlich hier an, als mein Hut kaum am Nagel
hing. Ihren Brief hatte ich leider noch nicht gelesen, als sie mich
überraschte."
„Also hängt die Sache mit dem nachträglichen Testament zusammen?"
„Ausschließlich!" Der Major be-
richtete der Reihenfolge nach, wie
seine Base zu ihm geeilt sei, um sich
zu vergewissern, daß er als ernstlicher
Bewerber von vorhinein ausscheide,
wie er dann erst den Brief gelesen
und eine schlaflose Nacht verbracht
habe. Er erzählte von seinen vergeb-
lichen Versuchen, sich mit dem Justiz-
rat in Verbindung zu setzen, und
schließlich von dem Brief mit den
ausländischen Freimarken, den er nach
Ampfing habe zurückgehen lassen. Er
schloß seine lange Auseinandersetzung
mit den Worten: „Um so größer,
wie Sie sich jetzt leicht denken kön-
nen, ist meine Freude, daß Sie nun
selber kamen."
Der alte Kraußer hatte schmun-
zelnd zugehört; besonders der eilige
Eifer des Majors machte ihm Spaß.
Lächelnd meinte er: „Em Jahr ist
lang. Sprechen Sie sich mal erst in
Ruhe aus."
„Und die Reise nach Montevideo
ist weit — vorausgesetzt, daß sie not-
wendig werden sollte."
„Das kommt ganz auf Ihren Ent-
schluß an, auf das Verhalten Ihres
Herrn Neffen. Aber ich möchte gleich
von Anfang an feststellen, daß ich
unter keinen Umständen in Ihre Ent-
schließungen hineinreden darf, Herr
Major."
„Wer sollte Ihnen denn das ver-
bieten?"
„Der Herr Erblasser machte es mir ausdrücklich zur Pflicht."
„Auch das noch! Sie schrieben mir doch, daß Sie mir zu weiterem
Meinungsaustausch jederzeit zur Verfügung ständen."
„Eine Meinung zu äußern, das ist allerdings etwas anderes."
„Nun, dann bitte ich um Ihre Meinung."
„So allgemein? Ich machte mich allerdings mehr auf besondere
Fragen gefaßt. Vielleicht hat auch Ihr Neffe Fragen an mich zu
richten, zumal Sie ja noch nicht mit ihm gesprochenhaben, wie ich hörte."
„Ah, dieser Guck-ins-Buch hat ja doch keine Ahnung von dem
Ernst der Lage. Aber ich werde ihn herbeiholen. Er muß Herkommen!
Wie denken Sie darüber?"
„Schön. Das läßt sich hören. Besser aber morgen vormittag
als heute. Ich könnte dann gleich vor Ihren Ohren den Brief ver-
lesen lassen, der von Ihnen nach Ampfing in meine Kanzlei gegangen
ist. Ich vermute, daß er, wenn er wirklich aus Uruguay stammt,
gewisse Winke geben könnte. Natürlich kann ich das nicht im voraus
wissen und nur vermuten."
„Abgemacht! Wir lassen den Brief holen; ich werde einen Rad-
fahrer auftreiben. Sie dürfen nicht über meine Eile lachen. Ein
Jahr hat nur dreihundertfünfundsechzig Tage, und wer handeln
will, soll es schnell tun. Eine Frage noch, mein Verehrtester. Sagen
Sie: Ist das Legat als unmoralisch anzufechten?"


Phot. Berliner Illustrations-Gesellschaft m. b. H., Berlin.


Zarin Eleonore von Bulgarien f.
 
Annotationen