Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DasBuctMrAlle
Hefti ZllustrierteZamilienMtuns-wi s-

Das Testament des sel. Eusebius.

Roman von Viktor Helling.

(Fortsetzung.)

as ist es denn für ein Stück?" fragte der halbtaude Kämmerer
des verstorbenen Prinzregenten, der sich bisher ausschließ-
lich den Tafelfreuden zugewendet hatte. „Ich liebe diese
Streichmusik gar nicht. Die liebste Musik im Ohre war mir immer
das Halali, das nach den Jagden Ihres Vetters Eusebius Queri ein
alter Hegemeister blies."
„Das war der alte Straßer," rief Tante Reppchen.
„Ist denn nun der junge Erbe auf Buchtenhagen eingezogen?"
fragte der Kämmerer weiter. Tante Reppchen sagte, ihr Vetter sei
nicht mehr so jung, aber eingezogen sei er. Nun wollte Herr v. Mah-
litzsch wissen, warum er denn heute nicht hier sei, und er schüttelte
mißbilligend den Kopf, als er hörte, daß der Major noch gar keine
Besuche in der Nachbarschaft gemacht habe. Schließlich meinte er
aber, er für seine Person lege auf Staatsbesuche kein großes Gewicht,
wenn nur die Jagdeinladungen pünktlich einträfen.
Tante Reppchen sah immer wieder sorgenvoll in die Ecke, die Ex-
zellenz Guntermann die Insel der Seligen getauft hatte. Hätte sie
die Unterhaltung an jenem Tischchen hören können, wäre sie noch viel
mehr beunruhigt gewesen. Wenigstens über das Attentat, das gegen
Hans-Albrecht geplant sein sollte. Während Halm v. Gäudecker
vom Watzmann erzählte und vom künftigen Manöver schwärmte und
sein Fuß sich ganz leise dicht an den weißen Atlasschuh von Annemarie


Phot. Hofphotograph Schiffer, Wiesbaden,


Or. Friedberg, Vizepräsident des preußischen Staatsminisieriums.
VII. 1918.

heranmanövrierte, ließ sich der Legationsrat von Manfreda Kressen-
dorf das Rezept von Nierenklößen erklären, die seine Leibspeise waren.
Da die Komtesse versicherte, daß Nierenklöße zufällig auch ihr Leib-
gericht seien, konnten beide zum soundsovielten Male feststellen, daß
sie den gleichen guten Geschmack besaßen.
Weniger glücklich war die ältere Lesta, die ihrem Tischherrn zögernd
gestand, daß sie sich in Nietzsches tragische Persönlichkeit als verwandte
Seele eingefühlt habe. Sie kam mit diesem Bekenntnis leider zu spät.
Hans-Albrecht merkte zwar nicht die Absicht, so daß er hätte verstimmt
werden können, aber er fühlte um so schärfer die Oberflächlichkeit,
die aus den Worten der Komtesse sprach, und verglich damit die
wenigen treffenden Bemerkungen, die Eva über Nietzsche geäußert
hatte. Er sagte deshalb offen, seine Weltanschauung sei jetzt die
entgegengesetzte, und er könne ihr nur den Rat geben, sich den Natur-
genuß und die Lebensfreude nicht vergällen zu lassen.
Hierauf erklärte sie, sie sei glücklich, sich von ihm belehren zu lassen;
aber er gab keine Antwort, überhörte ihre leisen Seufzer und starrte
träumerisch ins Leere. Lesta Kressendorf verwünschte im stillen alle
Weltanschauungen im allgemeinen und diejenigen Personen im be-
sonderen, die darauf geschworen hatten, wenn man dem Baron Hans-
Albrecht v. Queri mit Nietzsche aufwarte, könne man ihn um den
kleinen Finger wickeln.
Es gab Sekt und Krachmandeln, und als die Knallbonbons gezogen
wurden, überkam selbst Hans-Albrecht minutenlang die ausgelassene
Lustigkeit, von der die jungen, braungebrannten Leutnante an den
Nachbartischen schon längst überschäumten. Er lachte und reichte
seiner Schwester den kleinen Spruch hin, der auf dem Papierstreifen


Or. v. föayer, Vizekanzler des Deutschen Reiches.
 
Annotationen