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Vom deutschen Flugzeugbau: In der Flächenmontagehalle.

apoleon I. hatte den Zaren Alexander im Jahre 1808 nach Erfurt

löblich. Daß er dabei auch verdienen und seine durch die Teuerung
relativ verminderte Rente aufbessern will, ist ihm Nebenzweck, und
auch darin läge vorerst noch nichts Unmoralisches. — Wie fängt er
es nun an? Soll er sich ein Geschäft errichten? Das ist zunächst nicht
seine Absicht, denn er will ja nur für Kriegsdauer arbeiten, will
den jungen Leuten nicht ins Gehege kommen. Also versucht er es als
Makler, denn als Kaufmann kann er natürlich keinen anderen Beruf
so erfolgreich ausüben als einen kaufmännischen. Er ergreift den
Maklerberuf, weil er, ohne Kapital nur auf persönliche Geschicklich-
keit und Erfahrung aufgebaut, sich auch jederzeit abbrechen läßt.
Der Betreffende ist tatsächlich ein findiger Kaufmann und hat noch
nicht verlernt, was er einst konnte. Binnen kurzem hat er einen
Überblick gewonnen und weih, welche Waren gebraucht werden und
von wem. Nun geht er auf die Suche. Es gibt überall in der Stadt
alte, verschlafene Geschäfte, in deren Lagern verstaubte Ladenhüter
schlummern, deren Inhaber aus Unfähigkeit oder Bequemlichkeit es
nicht verstehen, die Ware, welche heute wieder Marktwert hat, in
Verkehr zu bringen. Der zum Makler Gewordene sucht diese Leute
auf- „Ich wüßte einen Käufer für Ihre Ware. Aber ich verlange
Maklergebühr." Die
wird ihm zugestan¬
den. „Und was ver¬
langen Sie?" Der
Besitzer nennt nun
für den Ladenhüter¬
emen niedrigen Pre is.
„Was Ihnen nicht
einfällt. Sie können
das Dreifache for¬
dern!" Der Makler
fühlt sich als höchst
anständiger Mensch,
weil er dem anderen
dies rät. Dann ver¬
handelt er die Ware
an jemanden, der
sie verwenden kann.
Und auch hier be¬
kommt er wieder
seine Maklergebühr.
Der Preis der Ware
ist für den Verbrau¬
cher dadurch zum
mindesten um diese
Gebühren gestiegen.
Der Makler würde
indes sehr entrüstet
sein, wenn man ihm
sagte, daß seine Tä-
tigkeit nach heutigen moralischen Begriffen als unberechtigter und
daher unmoralischer Zwischenhandel angesehen werden muß. Denn
der Einwand, daß er vergessene Ware auf den Markt bringt, gilt für
ihn nicht. Dazu wurden ja die Bestandaufnahmen angeordnet,
durch welche dafür gesorgt werden sollte, daß solche Waren in den
Verkehr kommen. Die Tätigkeit des Maklers war vor dem Kriege
durchaus berechtigt und einwandfrei und wird es in Friedens-
zeiten wahrscheinlich wieder werden. Aber der Unterschied in der
Kriegszeit liegt klar zutage für jeden, der sich nur ein wenig bemüht,
das Wesentliche im Wandel der Zeiten zu erfassen. Vor dem Kriege:
ein reichliches Angebot von Ware und dadurch eine automatische
Regelung der Preise, welche für eine Maklerzwischengebühr nur
in solchen Fällen Platz läßt, wo der Makler wirklich notwendig ist.
Heute: Knappheit der Ware, die Teuerung zur Folge hat, und bei
der jeder Zwischenverdienst, der nicht mit wirklicher Arbeitsleistung
verbunden ist, als unmoralisch und als Belastung des Käufers an-
gesehen werden muß.
Ich glaube, es wäre ratsam und höchst notwendig, durch Wort
und Schrift in vielen Kreisen die neue Moral zu erläutern und ihr
Durchbruch zu verschaffen. Viel Haß würde dadurch vermieden,
viele Unzukömmlichkeiten würden beseitigt werden. Vielleicht, daß
auch hier Aufklärung und Erwecken des Verständnisses und Moral-
gefühls mehr leisten würde als Strafe, die, wenn das Verständnis
für die Wandlung der Moralprinzipien fehlt, von dem Betroffenen
ja doch nur als ungerecht empfunden wird, und die unter solchen
Umständen auch ihren eigentlichen, erzieherischen Wert verliert.

eingeladen, um dort mit ihm das „Geschick der Welt" zu entscheiden.
_Die niedergeworfenen deutschen Fürsten bildeten den Hintergrund
dieser theatralisch angeordneten Zusammenkunft. Der französische Komödiant
Talma spielte nach den Worten seines gekrönten Genossen Napoleon allabend-
lich vor „einem Parterre von Königen". Gegen Kaiser Franz konnte der
korsische Eroberer die Worte wagen: „Was Eure Majestät sind, sind Sie
durch meinen Willen." Napoleon war damals schon von einer sinnloser!
Überhebung erfüllt, die ihn einige Jahre darauf aussprechen ließ: „Ich habe
die Stärke eines Elefanten; was ich anrühre, zerschmettere ich." ... „Der
Dreizack wird sich mit dem Schwerte vereinen, Neptun sich mit Macht zur
Errichtung des Römerreiches unserer Tage verbinden; vom Rheine bis zum
Atlantischen Ozean, von der Schelde bis zum Adriatischen Meere wird es
nur e i n Volk, einen Willen, eine Sprache geben." Er beklagte nur, daß
es ihm die Welt nicht glauben werde, wenn er wie Alexander der Große sich
für einen Eöttersohn erkläre. Der Emporkömmling vertraute blind seinem
„Stern" und wollte alle
Zeichen einer Volkser-
hebung nicht beachten,
die er seit 1808 zuerst
in Spanien in furcht-
barer Weise erlebte.
Die Niederlagen der
Franzosen in diesem
Lande übten ihre mo-
ralischeWirkungüberall;
es gärte insgeheim in
Deutschland und Öster-
reich. Im deutschen
Volke, das doch durch
seinen Charakter so we-
nig zur Verschwörung
geneigt ist, bildeten sich
allerortenGeheimbünde.
Die Zeit rückte heran, in
der entschlossene Män-
ner in Norddeutschland
Vorbereitungen trafen
zu einem Volkskrieg:
HauptmannKatt,Oberst
Dörnberg und Major
Schill erregten Auf-
stände. Herzog Wilhelm
vonBrounschweig grün-
dete seine „schwarze
Schar", die „Legion der
Rache".
Am 4. Dezember 1808
ergab sich Madrid dem
korsischen Eroberer, der Spanien wie ein botmäßiges Land behandelte. Als
sein Bruder Joseph am 22. Januar 1809 in Madrid einzog, um ein liberales
Regiment zu begründen, fand Napoleon dies lächerlich und riet ihm zu einer
„Herrschaft mit Beil und Galgen"; er selbst ließ das Land durch seine Truppen
ausplündern und vernichtete seinen Wohlstand zielbewußt. Am 6. Juni 1808
wurde Joseph zum König von Spanien erhoben, und Napoleon begriff nicht,
daß sich das spanische Volk anschickte, um seine Freiheit und Unabhängigkeit zu
ringen. Der Hrbe Revolution hatte sich gewöhnt, entfesselte Volksleiden-
schaften, die er so oft in Frankreich erlebte, verächtlich anzusehen und, ver-
blendet im Erobererwahn des „Weltenbesiegers", blieb er blind gegen alle ge-
waltigen Anzeichen nationaler Erhebungen. Spanien, Tirol, auch Preußen
und Rußland sollten ihm darüber erst später die Augen öffnen.
Die Demütigung Österreichs, auf dessen Seite das volle Recht stand, führten
1809 zum Kriege gegen Frankreich; das tief beleidigte Land rüstete. Weder
Eroberungssucht, noch gereizte Leidenschaftlichkeit, sondern einzig die Pflicht der
Selbsterhaltung und Unabhängigkeit bewogen den gerechten und friedliebenden
Kaiser Franz zur Ergreifung der Waffen. Preußen war seit dem 8. Septem-
ber 1808 entmannt, zur Ohnmacht eines Rheinbundstaates herabgedrückt; die
Pariser Vereinbarung gestattete nur noch ein Heer von 42000 Mann und unter-
sagte die Bildung einer Landwehr und Volksbewaffnung. Preußen war geknebelt.
Als sich Österreich gegen den Korsen erhob, wurde der „Unüberwindliche"
im Mai 1809 bei Aspern vom Erzherzog Karl zum ersten Male geschlagen.
Trotzdem der Erzherzog seinen Sieg nicht ausnützen konnte, pries ihn ganz
Deutschland, voran Heinrich von Kleist und Theodor Körner, als National-
helden, und Napoleon wütete, den Eindruck wohl beachtend, über „die Kanaille
von Österreichern"; zum ersten Male hatte ihn ein einzelner Staat besiegt.
Nach Karls Niederlage bei Wagram, am 6. Juli, kam es zum Waffenstillstände
von Znaim. Der Korse hatte es eilig, denn Spanien und Portugal machten
ihm schwer genug zu schaffen.

AndreasHofer zum hundertfünfzigsten Geburtstag.
Von Hermann Landolt.
 
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